Neun Wellen lassen die Funktion des Neubaus von Semadeni Architekten in Bern von weitem bereits erahnen: Die neue Schwimmhalle Neufeld der Bundeshauptstadt bietet mit ihrem 50-Meter-Becken die langersehnte Wasserfläche und bietet sowohl Vereins- und Schulsport als auch der breiten Masse eine vielseitige, moderne Badeoase. Doch nicht nur den Erwartungen sowie den Anforderungen an diverse Nutzungen kommt die neue Sporteinrichtung nach, sondern sie erfüllt zudem als erstes Hallenbad der Schweiz die Richtlinien für die Minergie-P-Eco-Zertifizierung.
Das „Aare-Böötlen“ sowie das Bädelen sind in Bern während der Sommermonate ein fester Bestandteil der Freizeit – doch es fehlt der Stadt am Fluss an ganzjährig zugänglichen, wetterunabhängigen Wasserflächen. Über ein erweitertes Angebot für Freizeitsportler und Familienaktivitäten, für Kinder- und Schulschwimmkurse sowie für Turmspringen und Schwimmsport auf Leistungsniveau hat man sich in Bern schon seit 50 Jahren den Kopf zerbrochen. Denn die bisherigen Hallenbäder der Stadt konnten den Bedarf an überdachten Schwimmbahnen nicht decken, und der Bau einer 50-Meter-Schwimmhalle blieb seit 2009 somit ein Legislaturziel des Gemeinderats. Nach der erfolgreichen Findung eines passenden Standortes wurde 2017 ein einstufiger Präqualifikationswettbewerb im selektiven Verfahren für Generalplanungsteams durchgeführt. Dabei galt es, nicht nur der Herausforderung der Integration der verschiedenen Funktionen bei gleichzeitiger Beachtung der Nachhaltigkeit unter einem Dach gerecht zu werden, sondern dieses grosse Dach elegant in die umgebende Nachbarschaft einzugliedern. Das Projekt des Zürcher Büros Semadeni Architekten überzeugte durch eine klare architektonische, städtebauliche Setzung sowie eine zurückhaltende Architektur und konnte den Architekturwettbewerb 2018 für sich entscheiden.
Gut eingebunden
Jener Positionierung und urbanen Einbindung des Neubaus lag vorab eine umfassende Standortsuche zugrunde: Dabei standen das Gaswerkareal im Marzili nahe der Aare sowie das für eine Wohnbebauung vorgesehene Mittelfeld im Norden der Stadt zur Diskussion, wobei letztlich das Quartier Neufeld aufgrund seines direkten Umfelds überzeugen konnte. Die Möglichkeit etwaiger Synergien mit dem dort bestehenden Zentrum für Sport und Sportwissenschaften der Universität Bern war hierfür das ausschlaggebende Argument, wodurch im Neufeld durch die bauliche Verdichtung und urbane Neuordnung ein facettenreicher „Sportcluster“ geschaffen werden sollte. Lediglich der dort eingesessene Tennisclub musste bei der Projektierung ins Boot geholt werden und eine adäquate Lösung für die öffentliche sowie eher private Nutzung des Vereins gefunden werden. So wurde der langgestreckte Neubau an die Neufeldstrasse gesetzt, über welche die Haupterschliessung erfolgt und die dessen Adressierung vorgibt. Von der leicht zurückversetzten Strassenfront gelangen die Hallenbadbesucher:innen nun über einen angenehmen Vorplatz entweder über eine Treppe oder barrierefrei über eine Rampe zum etwas erhöht gelegenen Eingang. Dort finden sich die Ankommenden auf dem architektonischen Hauptelement der Halle wieder: Ein hausinterner, breiter Steg führt in der Halle über die tiefer gelegten Schwimm- und Sprungbecken und trennt den grosszügigen Raum optisch in zwei Bereiche. Neben den gestalterischen Aspekten erschliesst die Brücke Funktionen wie die Garderoben, bietet einem Kiosk Platz und nimmt ebenfalls den Kassenbereich auf. Dank dieser Erschliessung fällt den Besucher:innen nicht nur die Orientierung im Gebäude leichter, sondern lässt sie bereits bei ihrer Ankunft förmlich in den Badespass eintauchen.
Rückgrat zeigen
Ein weiteres zentrales Element des Neubaus stellt dessen Tragwerk dar, welches in enger Zusammenarbeit mit den Bauingenieuren entwickelt wurde. Das Resultat ist eine hybride Beton-Holz-Konstruktion, die aus zwei unterschiedlich grossen Strukturen besteht und in ihrer Fuge Tageslicht ins Innere holt – einer grösseren, die sich zur Stadt hin orientiert, und einer kleinen, die den Dialog mit dem neu etablierten Sportcluster sucht. Neben den städtebaulichen Strukturen vereint die realisierte, wellenförmig gefaltete Dachkonstruktion insbesondere die Eigenschaften der beiden verwendeten Materialien optimal: Dementsprechend leistet der Holzanteil einen wesentlichen Nachhaltigkeitsbeitrag, punktet mit Vorteilen hinsichtlich des Konstruktionsgewichts sowie der Sensibilität gegenüber dem Hallenbadklima, wobei der Chloridgehalt einen Einfluss auf die Ausführung hatte. Die grossen Spannweiten von 32 m zwischen den abgerundeten Betonpfeilern und den somit grosszügigen Raum erlauben hingegen die trogförmigen, hochgradig vorgespannten Betonträger, die vor Ort mit selbstverdichtendem Beton gegossen wurden und die zugleich Korrosionsschäden entgegenwirken. Die hohe Vorspannung begrenzt die Rissbildung und erschwert somit das Eindringen von Chloriden, die Schäden der Bewehrung oder der Vorspannung zur Folge hätten – zusätzlich sind die Betonträger durch eine Schutzlasur versiegelt. Zwischen den Trägern bilden die bogenförmigen Holzelemente den Dachabschluss und verringern so das Gesamtgewicht der Konstruktion. Obwohl die Untersicht verkleidet ist, prägt die weitgespannte Dachstruktur das innere Erscheinungsbild, deren Formen auch in der Fassade sichtbar bleiben. 315 Betonelemente, die vor Ort mittels Hängezugankern und Konsolen aus Edelstahl am Rohbau befestigt wurden, prägen das Aussenkleid der Schwimmhalle – für einen noch helleren Ton der Fassade wurde der Beton hier zusätzlich mit 2% Weiss-pigmenten versetzt. Dieser wurde gemeinsam mit einem nur wenige Kilometer von der Baustelle entfernten Betonwerk entwickelt und getestet sowie speziell mit einem Anteil von 40% Weisszement versehen, um eine helle, freundliche Umgebung im Innenraum zu garantieren.
Raumwunder
Mit dieser vermeintlich kleinen Gestaltungsmassnahme und der folglich helleren sowie freundlicheren Aussenwirkung konnten die Dimensionen des Baus mit einer Länge von 85 m und einer Breite von 52 m relativiert werden. Grosszügiger wurde zudem der Luftraum des Neubaus gehandhabt, um die geringen Umgangsflächen – zurückzuführen auf die knappe Baufläche – zu kompensieren: Von der Bodenplatte bis zur Unterkante des Dachs beträgt die Höhe des Kubus knapp über 16 m, sodass der Schwimmbereich durch eine lichte Höhe von nicht ganz 9 m – vom Wasserspiegel bis zur Unterkante des Dachs – an Grosszügigkeit gewinnt. Da die Halle und vor allem auch deren umfangreiche, technische Anlagen grossteils unter der Erdoberfläche versenkt sind, erhebt sich das Gebäude lediglich zwischen rund 7 und 9,5 m über das Terrain und passt sich somit den im Quartier vorherrschenden Bauhöhen an. So erscheint die Schwimmhalle als wahres Raumwunder, das mehrere Becken beherbergt: das 50-Meter-Becken, ein Lehrschwimmbecken, ein Mehrzweckbecken mit Sprungturm und einen Wasserspielbereich für Kleinkinder mit einer Chromstahlrutsche in Form eines kleinen Elefanten sowie zwei Whirlpools mit Sprudel- und Massagedüsen. Das Herzstück der neuen Badeoase – das Sportbecken – lässt sich zudem durch zwei motorbetriebene, mobile Trennelemente mit Startblöcken multifunktional nutzen: So werden 10 Bahnen à 50 m oder sogar 20 Bahnen à 25 m ermöglicht, ebenso kann eine Abtrennung von 33 m für Wasserballsport oder Synchronschwimmen vorgenommen werden. Damit erhält die Bandbreite an Wassersportlern in Bern erstmals wettkampftaugliche Anlagen: Dass das 50-Meter-Becken zur Hälfte eine unübliche Tiefe von 2,50 m aufweist und zudem mit Unterwasserlautsprechern beschallt werden kann, bietet beste Voraussetzungen für die Synchronschwimmer:innen. Ein weiteres Highlight stellt der vor Ort in drei Etappen gegossene Sprungturm dar, der in einer V-förmigen Konstruktion die Plattformen in 3 sowie 5 m Höhe zusammenfasst. Für die Wasserballer:innen sowie für alle anderen Wettkampfdisziplinen wurde zudem eine grosse Resultatanzeigetafel angebracht.
Nachhaltiges Vorbild
Doch abseits der Technik und der Dimensionen im Hauptbecken punkten auch die anderen Becken mit ihrer Ausstattung: Sämtliche Technologie in den diversen Becken zeigt sich innovativ und sichert unter anderem eine optimale Wasserqualität oder effiziente Wärmerückgewinnung. So wärmt beispielsweise das gebrauchte Bade- und Duschwasser über einen Wärmetauscher das frische Badewasser. Zur Filterung und Aufbereitung des Wassers mit Chlor stehen im Untergrund des 50-Meter-Beckens neun 6500-Liter-Tanks. Das gebrauchte Badewasser wird wiederum entchlort, und rund 16ʼ000 l Wasser pro Tag dienen als Zweitnutzung zur Gebäudereinigung, den WC-Anlagen oder werden zum Bewässern der Fussballfelder weiterverwendet. Die Halle wird grundsätzlich per Fernwärme geheizt, und die 3500 m2 grosse Fotovoltaikanlage am Dach garantiert eine Jahresleistung von 536’000 kWh, was dem Jahresverbrauch von 192 Privathaushalten entspricht. Lüftungsanlagen, die zugleich die Raumluft entfeuchten, garantieren in der Schwimmhalle ein stets angenehmes Innenraumklima, wofür die grossen Filteranlagen sowie Lüftungsmonoblocks bereits im Rohbau per Kran eingebracht, geschützt und nach der Überdeckung angeschlossen wurden. In der kalten Jahreszeit erfolgt die Entfeuchtung über die trockene Aussenluft – die Luft wird hierfür an den Fensterfronten eingeführt und über die Galerie zurück zum Lüftungsgerät transportiert. Um den Betrieb energieeffizient zu gestalten, wird die Wassertemperatur eines jeden Beckens entsprechend der Nutzung angepasst und über die zentrale Heizungsanlage temperiert. So beträgt die Wassertemperatur in den Sportbecken rund 27 bis 28 °C, im Nichtschwimmer- und Kleinkinderbecken rund 30 °C und im Warmsprudelbecken um die 36 °C. Letztlich setzt die Schwimmhalle Neufeld betreffend Ökologie und Energieeffizienz mit all ihren Massnahmen neue Mass-stäbe und wird als erstes Minergie-P-ECO-Gebäude seiner Kategorie in der Schweiz zertifiziert – eine Kategorie, die während des Projekts neu eingeführt wurde.
Keep It Simple
Umgesetzt wurde das multifunktionale Becken ebenso wie das Mehrzweckbecken in Chromstahl, während die restlichen Wasserflächen mit Platten ausgelegt wurden. Ebenso klar und einfach, wie sich das zurückhaltende Äussere der Schwimmhalle präsentiert, zeigensich der Innenausbau sowie die innere Organisation: Der simple Zugang über die hausinterne Brücke schafft Überblick, kurze Wege von der Kasse zur Eingangskontrolle über den Becken erleichtern die räumliche Orientierung. Im Eingangsbereich wurde Hartbeton mit Industrieschliff als Bodenbelag gewählt, die anschliessend, sowohl für Badegäste als auch für Zuschauer offene Galerie als Überlappung zwischen Schmutz- und Sauberzone ist mit Mischmosaik – weisse, graue und schwarze Keramikplatten – ausgestattet, und weisse, rutschsichere Platten definieren den Barfussbereich. Für die notwendige Helligkeit in den Innenräumen sorgt zum einen der Tageslichtanteil aus den Fensterfronten und zum anderen dezent positioniertes Kunstlicht, wofür je sechs Leuchten pro Unterseite eines betonierten Dachträgers sowie zusätzlich an den Betonpfeilern angebracht wurden.
Kraft des Wassers
Nach einer langen Anlaufphase erhält die Stadt Bern mit der Schwimmhalle Neufeld die langersehnte Wasserfläche – eine moderne, multifunktionale Freizeiteinrichtung, die das sportliche, wettkampforientierte Netzwerk ausbaut und zugleich der breiten Bevölkerung ganzjährig Zugang zu zusätzlicher Wasserfläche erlaubt. Dabei präsentiert der Neubau nicht nur infrastrukturell einen wichtigen Schritt in die Zukunft, sondern insbesondere hinsichtlich ökologischen Bauens und nachhaltiger Massnahmen. Somit schlägt das Hallenbad nicht nur im Becken, sondern auch angesichts des Umweltbewusstseins im Bauwesen sowie der städtebaulichen und sozialen Bedeutung hohe Wellen. „Wasser ist die treibende Kraft der Natur“, hat bereits Leonardo da Vinci erkannt.
©Rolf Siegenthaler
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