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Im Gespräch mit Neon Deiss Architekt:innen

„Und Liebe!“ (Neon Deiss Architekt:innen) – In unserem Format Vis-à-Vis sprechen Schweizer Architektinnen und Architekten über die verschiedenen Gesichtspunkte ihres Berufs und beantworten Fragen zu ihrer Idee von Schönheit und der Rolle, die sie in der Gesellschaft einnehmen.

Welche Aufgaben beschäftigen Sie gerade?
Wir arbeiten an unterschiedlichen Aufgaben, momentan hauptsächlich an Umbauten, Erweiterungen und Renovationen. Wir versuchen in der Regel, die Bauherrschaften weg vom Ersatzneubau hin zum Weiterbauen zu bewegen. Wir sind überzeugt, dass der Weg hin zu einer nachhaltigen (Architektur-)Zukunft in diese Richtung gehen muss. Nicht perfekte Voraussetzungen bei Bestandesbauten empfinden wir oft als positive Herausforderung. Wir müssen uns heute mit Häusern beschäftigen, die vielleicht als hässlich gelten, aber die in der Welt sind und deren CO2-Impact ein Grund ist, sie zu neuer Blüte zu bringen – was meistens gar nicht so schwierig ist. Beim Umbau des eher generischen Bürogebäudes der Gewerkschaft Unia aus den 1970er-Jahren konnten wir mit dem Freilegen der Struktur und der damit verbundenen Neukonzeption der Haustechnik neue, spannende Aspekte herausholen und in Kombination mit viel naturbelassenem Holz ein ganz neues Raumklima – im übertragenen und wörtlichen Sinn – schaffen.

Welches architektonische Werk hat Sie kürzlich begeistert?
Während des letzten Wettbewerbs haben wir uns ein weiteres Mal mit dem schwedischen Architekten Erik Gunnar Asplund beschäftigt. Er nutzte sehr geschickt eine knapp formulierte, klassische Architektursprache, um austarierte, selbstverständliche Gebäude zu entwerfen, die unglaubliche räumliche Qualitäten haben und zudem in ihren Details so modern, verschmitzt und überhaupt nicht verstaubt sind. Er konnte sich unglaublich gut in die Benutzer:innen hineindenken und für sie selbstverständliche Räume schaffen, die gleichzeitig grosse architektonische Erlebnisse bieten. Seine Architektur wirkt nach 100 Jahren noch sehr frisch und ist deshalb nachhaltig!

Inwiefern unterstützen oder behindern neuartige Materialien die Architektursprache?
Neuartige Materialien oder eher Produkte können ein Treiber sein, um Architektur weiterzudenken. Und wir alle sind daran beteiligt, dass sie entstehen. Vor einigen Jahren waren Indach-Photovoltaikpanels noch wenig gebräuchlich, heute bilden sie eine neue Möglichkeit, Dächer zu bauen.

Haben Sie eine Idee von Schönheit?
Vielschichtigkeit, Geborgenheit oder Offenheit, Aneigenbarkeit. Und Liebe! Raumproportionen, Material, Detaillierung, Farbigkeit und Akustik bieten als Ganzes eine körperliche Erfahrung, die unter der Oberfläche der Ästhetik liegt. 

Wann wird ein Gebäude zu Architektur?
Architektur bietet den Mehrwert zu den Hauptnutzungsflächen, welche in einer Bestellung vorgesehen wurden: Der Respekt vor dem Bestand, zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten, Raumverbindungen und Sichtbezüge oder der sorgfältige Umgang mit den umgebenden Aussenräumen. Und natürlich auch wieder Schönheit!

Welche Tugenden sollte eine Architektin erfüllen?
Durch Kenntnis der Architekturgeschichte und der -theorien können Architekturschaffende ihre Entwürfe im Kontext der Baukultur denken und diese bereichern. Ob dies die Klinke, die Wohnung, das Haus oder das Quartier betrifft: Nach einer Analyse der Umgebung, der Typologie, der sozialen Struktur und der Nutzung fliessen diese Erkenntnisse in die Konzeption des Neuen ein. Und wir sind Vermittlerinnen, die den Zusammenhang zwischen den Wünschen und Vorstellungen und der Architektur erklären. 

Welche Rolle spielt die Architektin in der Gesellschaft?
Im besten Fall zeigt sie auf, wie ein Mehrwert für die Gesellschaft entstehen kann, wenn diese in Baukultur investiert. Damit sind nicht nur neue Bauten gemeint, sondern auch der Erhalt und die Weiterentwicklung von Bestandesbauten, die nicht immer attraktiv erscheinen. Dazu braucht es Geduld und viele Gespräche und manchmal auch unkonventionelle Ideen. Für die Schulerweiterung Heslibach in Küsnacht haben wir an einem Wettbewerb die Aufstockung eines Kindergartens vorgeschlagen – gegen die Ausschreibung – und konnten die Jury überzeugen, dass dies eine interessante Möglichkeit ist, die Landreserven der Schule unberührt zu behalten. 

Welche Rolle sollte heute die Politik gegenüber der Architektur spielen?
Baukultur sollte eine Selbstverständlichkeit werden für alle Politiker:innen, denn gute Bauten und eine umsichtige Planung sind ein langfristiges Engagement für nachhaltige kollektive Räume. Sie sollen Sorge tragen für den öffentlichen Raum und die öffentlichen Gebäude und darüber nachdenken, was diese in den veränderten Bedingungen der Gesellschaft bieten sollen. So können sie gute Botschafter:innen für die nachhaltige Bauzukunft sein! 

Kann Architektur die Welt verbessern?
Mit den vielen Konflikten und politischen Verschiebungen heute fällt es schwer, Architektur als das Mittel zur Weltverbesserung zu verstehen. Im Kleinen kann sie angenehme, vielfältig nutzbare Räume schaffen, welche die Identität eines Ortes stärken. Und natürlich muss heute Architektur von Beginn an nachhaltig gedacht sein, wenn sie die Welt nicht verschlechtern soll

 

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