Herr Seiz, Hartwag feiert dieses Jahr sein 100-Jahre-Jubiläum. Wie hat sich der Betrieb seit den Anfängen verändert?
Ursprünglich war Hartwag eine Einkaufsgesellschaft der Stadtzürcher Schreiner mit mehreren Standorten in der Stadt. Vor 100 Jahren wurde die Gesellschaft dann in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, und 1961 zog man nach Buchs, sozusagen aufs Land. Seit da wurde der neue Standort immer weiter ausgebaut – mit dem über die Jahre erweiterten Sortiment ist eben auch die Infrastruktur mitgewachsen.
Was gehört heute alles zum Angebot von Hartwag?
Wir sind längst kein reiner Handelsbetrieb mehr, sondern verarbeiten das eingekaufte Holz häufig selber. Im Fassadenbereich liefern wir inzwischen ganze Bausätze fixfertig, inklusive Profil und Farbton.
Sie selbst haben das Holzingenieurstudium begonnen und dann zur Architektur gewechselt. Weshalb?
Die Holzgeschichte geht in unserer Familie sehr weit zurück. Schon mein Urgrossvater betrieb am Bodensee eine Sägerei. Dadurch bin ich genetisch ‘holzig’ veranlagt. Durch die Architektur hat sich mein Blick für das bauliche Umfeld von Holz rundherum geschärft.
Sie leiten die Firma nun seit 23 Jahren. Was ist Ihnen im Umgang mit Holz wichtig?
In erster Linie, dass man es sinnvoll einsetzt. Bei diesem Anliegen spielen ganz viele Aspekte mit – obwohl Holz beispielsweise ein vergänglicher Werkstoff ist, strebe ich damit stets dauerhafte Lösungen an. Deshalb nimmt die Beratung meiner Kunden auch über die Hälfte meiner Arbeitszeit in Anspruch. Ich frage mich immer: Welches Projekt funktioniert mit Holz? Und wo würde ein anderer Rohstoff mehr Sinn machen?
Sie finden Holz also gar nicht immer die beste Lösung?
Nein. Mein Herz schlägt zwar ganz klar für Holz, aber wenn es für mich sinnvoller scheint, etwas mit Stahl oder Beton zu bauen, sage ich das auch. Ehrlichkeit und Nachhaltigkeit stehen für mich immer im Vordergrund. Ich erachte eine intelligente Anwendung der uns zur Verfügung stehenden Rohstoffe als nachhaltiger, als ebendiese Nachhaltigkeit auf das Argument zu beschränken, dass Holz in der Theorie ewig nachwächst. Dies zeigt nur schon der aktuelle massive Anstieg des Holzpreises klar auf.
Nachhaltig ist also nicht gleich nachhaltig.
Meiner Meinung nach nicht. Inzwischen schreibt sich dieses Wort ohnehin praktisch jeder auf die eigene Fahne. Meine beiden Grundsätze zielen hier aber etwas weiter: Ich habe erstens den Anspruch, ein Gebäude mit möglichst wenig Ressourceneinsatz zu erstellen, und zweitens, gleichzeitig auch der Dauerhaftigkeit des Objekts die nötige Beachtung zu schenken. Etwas möglichst günstig zu bauen reicht nicht; ein Bau soll auch möglichst lange bestehen bleiben, ohne nach kurzer Zeit erhebliche Mängel aufzuweisen.
Wir denken also noch immer zu kurzfristig?
Ich finde schon. Die Baubranche produziert nach wie vor extrem viel Abfall, deshalb sieht auch deren Ökobilanz alles andere als rosig aus. Und das ist auch mit Holz nicht aus der Welt geschafft. Es wäre schön, wenn bereits verwendete Rohstoffe noch viel mehr wiederverwertet werden, statt diese wegzuwerfen. Ich gebe Ihnen ein internes Beispiel.
Gerne.
Wir planen aktuell die Totalsanierung unseres Bürogebäudes. Dabei geht es neben der energetischen Sanierung darum, mit möglichst vielen bestehenden Materialien das Gebäude in eine zeitgemässe Form zu bringen. Die Fenster können beispielsweise wiederverwendet werden, weil aufgrund der bestehenden Fensterflügeldimensionierung hochdämmende Gläser eingebaut werden können. Testhalber wurden diese bei einigen Fenstern auch schon eingebaut.
Nachhaltigkeit wirklich vorzuleben scheint Ihnen ein persönliches Anliegen zu sein.
Absolut. Ich mag mich an ein prägendes Ereignis als Jugendlicher erinnern. Als um das Jahr 1986 das Waldsterben auf dem Pik war, habe ich mein „Töffli“ in eine Ecke gestellt und war ab da nur noch mit dem Fahrrad unterwegs. Ich versuche einfach, mit einem möglichst kleinen Fussabdruck durch die Welt zu gehen. Ein Missionar bin ich aber nicht und würde auch meinen Mitarbeitern niemals vorschreiben, wie sie zur Arbeit kommen sollen.
Haben Sie für die Zukunft weitere Ziele, die Sie in diesem Punkt verfolgen?
Bis ins Jahr 2025 haben wir uns zum Ziel gesetzt, bezüglich Stromzufuhr gänzlich autark zu werden. Bilanztechnisch haben wir schon heute genügend eigenen Strom in unserer Eigenverbrauchsgemeinschaft, aber de facto haben wir im Sommer zu viel und im Winter zu wenig Strom. Die Knacknuss ist die Speicherung von Sommerstrom für den Winter. Dabei ist mir wichtig, dass wir das eigenverantwortlich schaffen, denn ich bin kein Fan von staatlicher Unterstützung. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass erfolgreiche Industrietätigkeit auch so im Einklang mit der Natur möglich ist.
Kommen wir zum Abschluss nochmals zurück auf den besagten Rohstoff. Wie nehmen Sie als ‚holzig‘ veranlagter Mensch Holz im Allgemeinen wahr?
Holz ist lebendig – und so betrachte und behandle ich es auch. Ich befasse mich seit Jahrzehnten in der Tiefe damit und behaupte deshalb, wirklich zu verstehen, weshalb Holz in gewissen Situationen funktioniert oder eben nicht. Deshalb gehe ich persönlich auf die Baustelle, nehme mir die Zeit für die ganze Beratung. Und deshalb sehe ich hier auch die grösste Stärke von Hartwag. Wir funktionieren auf persönlicher Ebene: Wenn sich ein Architekt oder eine Architektin von uns beraten lassen will, nehmen wir das jeweilige Anliegen ernst. Wir schätzen persönliche Beziehungen. Und sind auch in zehn Jahren noch als verlässlicher Partner da.