Neu im Sortiment vom dänischen Möbelhersteller Fritz Hansen ist ein recycelter und völlig wiederverwertbarer Stuhl, der in Zusammenarbeit mit Studio Nendo entstand. Das Resultat, der „N02 Recycle“, ist ein aus Plastik gefertigter Universalstuhl – der erste aus farbigem, recyceltem Polypropylen. Christian Andresen, Head of Design bei Fritz Hansen, beleuchtet die Hintergründe dieses Produkts.
Herr Andresen, wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Studio Nendo?
Vor etwa vier Jahren ging ich auf Oki Sato, Gründer des Nendo Design Studio zu und fragte das Interesse einer Kooperation an. Aus Ehrfurcht vor der Zusammenarbeit mit unserem international bekannten Unternehmen wies dieser unsere Anfrage zuerst zurück. Doch nach einiger Überzeugungsarbeit war Monate später das erste Produkt geboren, der „N01“ in Eiche oder Buche, welcher vorerst auch das einzige Ergebnis der gemeinsamen Arbeit bleiben sollte. Heute können wir den „N02 Recycle“ präsentieren, den zweiten Stuhl der fruchtbaren Kollaboration zwischen Fritz Hansen und Studio Nendo.
Warum haben Sie Studio Nendo angefragt?
Neugierde, Einfachheit und Emotion beschreiben Oki Satos Schaffen treffend. Die Marke Fritz Hansen besticht durch Funktionalität, Rationalität und ebenfalls durch Emotionen. Die ähnliche Gesinnung und der Gestaltungswille zeigen eine deutliche Übereinstimmung.
Wo besteht die Verbindung zwischen japanischem und dänischem Design?
Wir teilen die grösste Affinität für natürliche Materialien, Handwerk und vor allem eine Liebe zum Detail, was ich schon als Perfektionismus bezeichnen würde.
Wie sah der Entwurfsprozess aus?
Der Prozess begann im Januar 2018. Sechs Monate lang sammelten wir Ideen, veranstalteten Workshops und versuchten uns im Modellbau. Die ursprünglichen Ideen eines Stuhls aus zwei Schalen konnten wir nicht gemäss unseren Ansprüchen umsetzen. Wir einigten uns auf einen Einschalenstuhl, dessen Form Oki Sato von einem geknickten Blatt Papier ableitete. So entstand der leichte Knick in der Rückenlehne, der zugleich der Form des Rückens folgt. Viele Entwurfsstufen und unterschiedliche Prototypen, vom gefrästen Schaumstoff bis hin zu funktionellen, geformten Modellen, wurden durchlaufen, um die Stärke und die Ergonomie der endgültigen Sitzschale zu prüfen.
Was war Ihnen bei der Entwicklung des Stuhls wichtig?
Wir wollten einen Stuhl produzieren, der Nachhaltigkeit durch und durch verkörpert. Und hier ist auch die Lebensdauer eines Möbelstücks von Bedeutung. Zeitloses Design, das auch nach Jahren noch Freude bereitet, ist unumgänglich für einen Stuhl, der 20 Jahre überdauern soll. Findet dieser aus irgendeinem Grund doch keine Verwendung mehr, sind alle Teile des Produkts zu 100 Prozent recycelbar.
Also ist Nachhaltigkeit bei Ihnen ein grosses Thema?
Ja. Grosse Veränderungen der Gesellschaft kamen immer von ganz unten. In den 1950er-Jahren waren wir den Krieg leid, in den 1960er-Jahren wollten wir nicht nach Vietnam. Heute wollen wir vor allem eine gesunde Umwelt. Gerade kürzlich habe ich gelesen, dass heute schon 1.4-mal so viel Plastik produziert wurde, wie jemals nötig wäre. Das heisst, wenn wir anfangen, unser Plastik zu 100 Prozent wieder zu verwerten, hätten wir immer
noch viel mehr, als wir bräuchten – verrückt, nicht? Dementsprechend liegt der Fokus unserer Produktion und der Partnerschaft zwischen Fritz Hansen und Oki Sato ganz deutlich auf dem Umweltbewusstsein. Nicht nur die Herkunft des Stuhls, sondern auch dessen Verwertung ist zu bedenken. Da wo der Stuhl startet, endet er auch. Bei „N02 Recycle“ sind der Kopf und der Schwanz des Prozesses an derselben Stelle, sodass ein perfekter Kreislauf entsteht.
Was heisst das genau?
„N02“ wird aus recycelten Haushaltsabfällen hergestellt, die in der Umgebung der Fabrik gesammelt werden. Genauer gesagt meinen wir Abfallprodukte aus Polypropylen, was Verpackungen aus der Lebensmittel- und Flüssigkeitsindustrie, Kosmetikflaschen und Flaschenverschlüsse einschliesst. In der Fabrik wird dieser Unrat zu kleinen Polypropylenpellets verarbeitet und schlussendlich in die Form der Sitzschale gebracht. Die Stuhlbeine bestehen zu 50 Prozent aus recyceltem Metall, optional können sie noch verchromt werden. Im Falle einer Wiederverwertung werden die metallischen Elemente eingeschmolzen und reines Polypropylen aus der Plastikschale gewonnen. Da sich die Verchromung nicht vom Stuhlbein trennen lässt, entsteht durch das gemeinsame Einschmelzen ein noch stabileres und festeres Material. Ist es nicht super, wenn das recycelte Produkt besser ist als das vorherige?
Was waren Herausforderungen im Prozess?
Die grösste Herausforderung stellte das Material dar, denn Polypropylen ist längst nicht so flexibel, wie man denkt. An heiklen Stellen mit starker Biegebeanspruchung musste mehr Material als an den Rändern einberechnet werden, um den gewünschten feinen Ausdruck des Stuhls dennoch zu erreichen. Zudem musste der Designer den Widerspruch zwischen Funktionalität und Ästhetik im Designprozess in Einklang bringen und die Effizienzansprüche des Stapelstuhls mit einer einladenden Designsprache vereinen.
In welchem Einsatzgebiet sehen Sie die Verwendung des Stuhls?
Da der Stuhl möglichst kostengünstig hergestellt wird und stapelbar ist, eignet er sich für das Arbeitsumfeld, im Gastgewerbe, aber auch für zu Hause. In Japan gibt es bereits eine Handyfirma, die 2200 solcher Stühle nutzt.
Wo steht der „N02 Recycle“ in der Entwicklungsgeschichte von Fritz Hansen?
In der Geschichte von Fritz Hansen sind einige grosse Meilensteine zu finden. Beispielhaft sind die industrielle Produktion in Partnerschaft mit Thonet oder Materialexperimente mit Fiberglas oder Sperrholz hervorzuheben. Wir hoffen, mit dem neuen Material kombiniert mit der umweltbewussten Grundhaltung des Unternehmens eine weitere nennenswerte Errungenschaft unserer Firmengeschichte zu schaffen und mit dem „N02 Recycle“ Stuhl den Grundstein einer langen Reihe zu legen.