Vor 180 Millionen Jahren lagerte sich auf dem Grund des Urmeeres Tethys eine dicke Schicht aus feinstem Sediment ab: sogenannter Opalinuston. Diese Schicht bauen die Zürcher Ziegeleien heute in ihrer Grube Seewen in der Nähe von Laufen ab. Zusammen mit Septarienton und Lösslehm der benachbarten Gruben Saal und Müsch stellt er den Rohstoff für den „Urban“-Fassadenziegel.
Dieser Ton erfüllt viele Ansprüche an einen nachhaltigen Baustoff: Er ist ein reines Naturprodukt, das in unmittelbarer Nähe der Ziegelei abgebaut wird und damit nur kurze Transportwege verursacht. Bei der Produktion entstehen fast keine Abfälle, weil Beschnitt und Ausschuss vollständig in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden können. Die Produkte selbst sind enorm langlebig und wiederverwendbar. Die Gruben werden nach dem Ende des Abbaus sorgfältig rekultiviert und als Teil der Natur wieder in die Landschaft integriert.
Altbewährt und lebendig
Ebenso wie der Ton selbst gehören Ziegel zu den ältesten Baumaterialien der Welt. Sie waren schon immer ein wichtiger Bestandteil schöner, solider und dauerhafter Bauwerke in unseren Städten und Siedlungen. Die „Urban“-Fassadenziegel der Zürcher Ziegeleien übertragen dieses kulturhistorische Erbe in die zeitgenössische Architektur. Der Ziegel verleiht dem Bauwerk wie dem umgebenden Raum die Materialität und Natürlichkeit des gebrannten Tons. Und wie andere natürliche Baumaterialien lebt der Ziegel in und mit seiner Umwelt. Licht und Witterung sorgen mit der Zeit für eine attraktive Patinierung und lassen die Fassade besonders schön altern.
Dabei verbindet „Urban“ die Effizienz und Funktionalität vorgehängter Fassaden mit der Natürlichkeit und Wärme des Baustoffs Ton. Mit ihren Farben, ihrer Schuppung und ihren Oberflächen geben Ziegelfassaden dem urbanen Raum mehr Stofflichkeit und machen ihn lebendiger.
Drei Profile, zwei Oberflächen, vier Farben
Der Fassadenziegel ist in drei Profilen, zwei Oberflächen und vier Farbtönen erhältlich. Die Ziegel werden dazu unterschiedlich stark mit Eisenoxid oder Manganoxid versetzt, je mehr, desto dunkler die Farbe. Bei den Varianten „Urban U“ und „Urban L“ wird der extrahierte Tonstrang an der Oberfläche von einer speziellen Rundbürste unregelmässig aufgeraut. So entsteht ein lebendiges Fassadenbild, und die Natürlichkeit des Baustoffs kommt besonders stark zum Ausdruck. Beide Profile lassen sich auf traditionellen Traglattungen aus Holz oder Aluminium schrauben. Das U-Profil sorgt dabei für eine optisch grössere Materialstärke und entsprechend deutlichere Schattenkanten in der Schuppendeckung.
Die Variante „Urban T“ hat eine feinere Struktur, was ein ruhigeres Gesamtbild der Fassade verursacht. Die Unterkonstruktion für das T-Profil besteht aus einem multifunktionalen Tragprofil aus Aluminium und EPDM, wobei das integrierte Gummiband den Ziegel mit einem Gegendruck von oben sichert. So können die Ziegel einfach und ohne Werkzeug eingesetzt und bei Bedarf sogar einzeln ersetzt werden. Das Tragprofil selbst bleibt unsichtbar und erlaubt eine rund dreimal schnellere Montage als mit herkömmlicher Schraubbefestigung.
Herr Knuchel, die Zürcher Ziegeleien haben in der Produktion von Tonprodukten eine lange Tradition. Welche Stärken ergeben sich daraus?
Unser Rohstoff ist über Generationen erforscht und erprobt. Wir produzieren unsere Tonprodukte im Werk Laufen seit 130 Jahren mit demselben bewährten Verfahren, mit dem wir auch die Biberschwanzziegel herstellen. Der „Urban“-Fassadenziegel ist das beste Beispiel dafür, wie wir damit auch neue innovative Produkte herstellen können.
Wie ist „Urban“ eigentlich entstanden?
Den Anstoss zur Entwicklung des „Urban“-Fassadenziegels gab das Bauprojekt am Krøyers Plads in Kopenhagen. Über ein Jahrzehnt lang wurde dafür an einem partizipativen Prozess gefeilt, der schlussendlich zu einem städtebaulich befriedigenden Projekt und zu breiter Akzeptanz in der Bevölkerung führte. In enger Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Architekten haben wir damals an einer Lösung gearbeitet, die die Vorteile einer hinterlüfteten Fassade mit der Dauerhaftigkeit einer keramischen Eindeckung verbindet.
Was macht den Fassadenziegel konkret aus?
Zum einen seine spezifische Oberfläche. Bei der Produktion vakuumieren wir den Ton nicht vor dem Pressen, wodurch er sehr weich bleibt. Ursprünglich rührt dies daher, dass sich der Ziegel in gebranntem Zustand so leichter bearbeiten lässt, was Dachdecker an unseren Biberschwanzziegeln sehr schätzen. Gleichzeitig erlaubt uns dieses Vorgehen, die Oberfläche des Fassadenziegels im noch nassen Zustand mit einem speziell entwickelten Verfahren aufzurauen. In Bezug auf das Trocknen und Brennen der Ziegel ist dies definitiv die anspruchsvollere Herangehensweise und erfordert sehr viel Erfahrung. Gleichzeitig ist dies der Schlüssel zu unseren besonderen Oberflächen. So entstehen spezielle Variationen, die Ziegeln ein einzigartiges Erscheinungsbild verleihen.
Sie haben sich also eine Eigenschaft, die in der Produktion eher nachteilig ist, zum Vorteil gemacht?
Genau. Vor allem ausserhalb der Schweiz werden kaum noch Ziegel ohne Vakuum verpresst, weshalb man sich auch den Umgang mit diesen empfindlichen Rohlingen nicht mehr gewohnt ist. Für uns ist das ein Vorteil. Davon ausgehend haben wir den Ziegel weitergedacht und schrittweise verschiedene Typen, Farben etc. entwickelt.
Welche weiteren Vorteile bringt der „Urban“-Fassadenziegel mit?
Die Ziegel verbinden die Effizienz und Funktionalität vorgehängter Fassaden mit der Natürlichkeit und Wärme des Baustoffs Ton. Sie funktionieren wie Schindeln und ersetzen zum Beispiel ein Sichtmauerwerk, wodurch der Montageaufwand geringer und der Wandaufbau dünner ausfällt, was in Zeiten verdichteten Bauens grossen Mehrwert mit sich bringt. Da die Ziegel ohne Mörtel auskommen sind sie einfach zu verbauen, ohne dabei weitere Spuren zu hinterlassen. Auch sind beispielsweise spezielle Eckausführungen oder andere Anpassungen leicht und direkt auf der Baustelle auszuführen.
Bietet ZZ auch objektspezifische Ziegel auf Architektenwunsch an?
Ja, es ist uns wichtig, in der Zusammenarbeit mit Architekten gemeinsam passende Lösungen zu finden. Ein Beispiel hierfür war der Neubau der Kirche von Vennesla in Norwegen. Die Architektin wünschte sich hier ein ruhigeres Erscheinungsbild als in der Standardausführung, und war mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Für fast jedes Objekt werden gewisse Handformziegel gewünscht, welche wir objektspezifisch herstellen.
Wie gut halten Ziegelfassaden der Witterung stand?
Wir haben diverse Windsogtests durchgeführt, die gezeigt haben, dass die Fassade äussersten Belastungen standhält. Ohnehin haben sich Tonziegel als Gebäudehülle in Sachen Wetterschutz äusserst bewährt. Im Grunde gibt es bei der Anwendung also keine Grenzen mehr, ob als Fassade oder auf dem Dach. Auch Hochhäuser können damit problemlos eingekleidet werden.
Wie sieht es punkto Lebensdauer aus?
Wir gehen davon aus, dass unsere Ziegel – je nach Situation natürlich – problemlos 150 Jahre halten. Da die Ziegel an ein Untergerüst angehängt sind, lassen sie sich zudem jederzeit abmontieren und bei einem anderen Gebäude wieder installieren. Das ist auch punkto Kreislaufwirtschaft von Vorteil.
Das wirkt sich positiv auf ihren ökologischen Fussabdruck aus.
In der Tat, diesen versuchen wir stetig zu verbessern. Zum Beispiel haben wir kürzlich bei unserem Modell „Urban L“ den Querschnitt optimiert und das Gewicht reduziert. So benötigen wir weniger Energie, um den Ziegel zu brennen und bringen gleichzeitig einen Drittel mehr davon auf eine Palette. So reduzieren wir auch die für die Auslieferung erforderlichen Fahrten zwischen Ziegelei und Baustelle.
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