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Wir beginnen beim Rohstoff

Was war vorher da, Bademode oder PET-Flasche? In Peter Hornungs Fall ist eindeutig das Abfallprodukt unserer Wegwerfgesellschaft die Antwort, welchem er mit seinem jungen Start-up „Round Rivers“ zu neuem Leben verhilft. Seit Herbst 2018 grast der gelernte Architekt einmal die Woche als Hobby-Angler die Limmat ab, um die vor sich hin treibenden Plastikflaschen herauszufischen und in nachhaltige Bademode zu verwandeln. Mit minimalistischem Design und voll durchdachtem Recyclingkonzept begeistert das Modelabel Marke „Swiss Made“, das seit Mai dieses Jahres am Markt erhältlich ist.

Herr Hornung, wie sind Sie auf die Idee gekommen, als Architekt fortan Bademode zu produzieren?
Ich fühlte mich überarbeitet von meiner langjährigen Tätigkeit als Projektleiter und interessierte mich schon immer für neue Ideen. Als ich beim Baden in der Limmat schier von zwei vorbeitreibenden PET-Flaschen angelächelt wurde, fingen meine Gedanken um deren Wiederverwertung zu kreisen an. Da ich mich in diesem Moment gerade selbst als ein Teil der stark geprägten Badekultur Zürichs wiederfand, erschien mir die Herstellung von Bademode mehr als offensichtlich. Überhaupt da beides – sowohl die PET-Flasche als auch die Schwimmkleider – aus Polyester bestehen. Jedoch kann ich nur die transparenten Flaschen weiterverwenden, da diese sich einfärben lassen.

Hört sich simpel an, doch Theorie und Praxis sind meist zwei verschiedene Paar Schuhe. Woher erlangten Sie das nötige Know-how?
Das altbekannte „Learning by doing“ beschreibt den Prozess vermutlich am besten. Dazu kam das ständige Nachfragen und Hinterfragen, wofür vor allem der Schweizer Textilverbund meine erste Anlaufstelle war. Zwar fand meine Idee dort sofort grossen Anspruch, an der Umsetzung zweifelten sie dann doch.

Zweifelte auch Ihr persönliches Umfeld an dieser Idee?
Meine Freunde sowie Familie kennen meinen kreativen Kopf und haben sich nicht nur einmal meine Träumereien anhören müssen. Diesmal konnte ich sie jedoch alle mit meiner Begeisterung anstecken und für mein Herzensprojekt gewinnen.

Bestimmt ein langer Weg, auf dem Ihr Umfeld Sie begleitet hat.
Länger als gedacht. Voller Optimismus dachte ich zuerst, nach einem halben Jahr – im Frühjahr 2019 – meine Bademode auf den Markt bringen zu können. Im Endeffekt dauerte es dann doch 15 Monate, um von der Idee bis zum funktionierenden Onlineshop zu gelangen.

Demnach nehme ich an, dass an diesem Projekt noch weitere Unternehmen beteiligt sind?
Insgesamt sind fünf verschiedene Unternehmen in den Herstellungsprozess eingebunden, die ich in langer Recherche sehr sorgfältig ausgewählt habe. Sowohl die Farbsortierung der Flaschen, die Kunstoffzerkleinerung, als auch der Garn- und der Textilhersteller sowie die Konfektion sind innerhalb eines Produktionsradius von 140 km angesiedelt und werden obendrein – fast ausschliesslich – mit Ökostrom betrieben. Den Versand sowie den Vertrieb handhabe ich gemeinsam mit der sozialen Stiftung Züriwerk.

Die Designs entspringen jedoch aus Ihrer Hand. Konnten Sie hierfür Ihre Fähigkeiten als Planzeichner einsetzen?
Modezeichnungen sind absolut nicht mit Plangrafiken zu vergleichen – zum Glück ist Bademode jedoch ein sehr dankbarer Bereich. Daher habe ich mich auch bewusst für puristische und insbesondere auch zeitlose Designs entschieden, deren Schnittmuster dann von Profis überarbeitet wurden. Mit dem Hintergedanken, das meine Mode länger als nur eine Saison getragen wird und nicht zum schnelllebigen Konsumartikel wird.

Hingegen dem klassischen Bild des schwarz gekleideten Architekten präsentiert sich Ihre Kollektion sehr farbenfroh.
Bademode braucht in meinen Augen etwas Lebendiges und muss Freude vermitteln. Dennoch habe ich mich für dezente Farben der Pantone-Palette und deren Farbverläufen entschieden – schlicht und unauffällig und dennoch ein modischer Hingucker. Ausserdem gibt es von jedem Gradient nur 30 Stück, wodurch die einzelnen Stücke in limitierter Auflage erhältlich sind.

Können Sie als Quereinsteiger in der Modebranche weitere Analogien zur Architektur finden – ausser den schlichten Farben und dem gestalterischen Aspekt?
Durchaus. Zum einen sind mir die ungeliebten Nachtschichten treu geblieben sowie der Selbstlernprozess ein beständiger Wegbegleiter, der bereits die universitäre Ausbildung prägte. Zudem kommt mir mein als Projektleiter angeeignetes Organisationstalent als auch das konzeptuelle, gesamtheitliche Denken zugute. Zuletzt zeichnet sich auch die Detailverliebtheit wie ein roter Faden durch mein Start-up: So wird auch das Nähgarn aus recyceltem Material hergestellt, auf zusätzliche Etiketten wird bei meiner Mode verzichtet, selbst das Verpackungsmaterial entspricht meinem Konzept und auch die Energieausweise der beteiligten Firmen habe ich unter die Lupe genommen.

Architekten haben sich ja bereits schon des Öfteren mit dem Recyceln von PET-Flaschen auseinandergesetzt, jedoch im gebauten Kontext. Wäre das für Sie keine Option gewesen?
Eindeutig nein, denn das Verhältnis von Ertrag und Angebot muss für mich in einem sinnvollen Verhältnis stehen. Für grössere Bauprojekte oder der Herstellung von Dämmmaterial würde das gesammelte Material aus der Limmat niemals reichen. Für einen Badeanzug hingegen genügen durchschnittlich vier 0,75-Liter-PET-Flaschen.

Stemmen Sie das alles als One-Man-Show?
Sozusagen ja. Einmal die Woche darf ich beim EWZ meinen Rohstoff aufsammeln. Allein letztes Jahr konnte ich 6000 PET-Flaschen aus dem Wasser fischen und daraus nachhaltige Produkte herstellen sowie gleichzeitig unserer Umwelt etwas Gutes tun.

Ich nehme mal an, Nachhaltigkeit und Ökologie spielen auch privat eine Rolle bei Ihnen?
Ich versuche hierfür mein Bestes und leiste meinen Beitrag, indem ich den bewussten Umgang mit Lebensmitteln und Konsumgütern anstrebe. Jedoch muss ich mich bei dem Thema Reisen noch etwas verbessern – weniger und dafür längere Reisen sollte das neue Ziel sein.

Wofür steht „Round Rivers“ genau?
Den Namen verdanke ich einer langjährigen Freundin aus Berlin. Mit „Round“ soll der Kreislauf des Rezyklierungsprozesses angedeutet werden, „Rivers“ steht eindeutig für meine Rohstoffquelle. Im Fokus meines Labels steht klar die Plastikflasche: Die Idee beginnt mit dem Rohstoff und nicht mit dem fertigen Textil, wodurch wir bereits fünf Schritte vor dem eigentlichen Modedesign beginnen. Ich kenne die gesamte Produktionskette und kann somit eine ethnische, faire und wirklich nachhaltige Produktion durch die gesamte Wertschöpfungskette gewährleisten – und nicht erst ab dem Textileinkauf. Durch die Tatsache, dass jeglicher Flussabfall derzeit verbrannt wird, sind unsere Produkte sogar CO2-positiv. Man muss wissen, dass durch den Verbrennungsprozess von 1 kg Plastik, 3 kg CO2 entstehen. Die Emissionen von 1 kg unseres Textils liegt unterhalb dieses Werts und daher ist unsere Bilanz positiv. Analysiert und belegt wird dies nun zusätzlich im Rahmen einer Masterarbeit, die  den CO2-Abdruck genau berechnet.

Mehr zu der nachhaltigen Bademode finden Sie hier.

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