Liechtensteins Beitrag zur 17. Architekturbiennale in Venedig: Ideen, Überlegungen und Möglichkeiten zu einer Upcycling-Baukultur in Liechtenstein.
“How will we live together?” ist die Frage der 17. internationalen Architekturausstellung der La Biennale di Venezia. Die Universität Lichtenstein interpretiert dieses “together” als eine breite Reflektion über die Rolle, die Werte, die Bedeutungen und die Möglichkeiten des Vorhandenen, um eine bewusste, gemeinsame und vielfältige Zukunft zu gestalten. Vom 9. bis 12. Oktober werden der Palazzo Trevisan degli Ulivi, das Vaporetto Capitan Bragadin und das Arsenale die drei Orte in Venedig sein, an welchen präsentiert, diskutiert und vertieft wird, was zuvor am Institut Architektur und Raumentwicklung der Universität Liechtenstein über dieses Land und sein Alltagserbe, mit Studierenden unterschiedlichsten kulturellem Hintergrund, erarbeitet haben.
- 09. Oktober im Palazzo Trevisan degli Ulivi: Built in translation
- 10. Oktober im Palazzo Trevisan degli Ulivi: Inventing from the Inventory
- 11. Oktober im Vaporetto Capitan Bragadin: In between
- 12. Oktober im Arsenale: Bodies of Knowledge
Die Bedeutung der Präsenz in Venedig wird aber über die Aktivitäten in der Laguna hinaus gehen. Die Biennale soll die Möglichkeit eröffnen, die eigene Arbeit, anhand der Reaktionen und Kommentare eines breiteren Publikums, durch die Augen der Aussenstehenden zu betrachten. Ein Publikum, das die Ausstellenden durch weitere Initiativen und die Zusammenarbeit mit mehreren Kulturinstitutionen in Liechtenstein, in einen Prozess miteinbeziehen wollen. Die Auswirkungen dieser ersten Biennale-Veranstaltungen sollen die momentane physische Präsenz überschreiten, wie so oft in der Architektur.
Liechtenstein zu verstehen ist eine Frage des physischen und mentalen Bewusstseins: In diesem Land geht jeder Blick aus dem Fenster buchstäblich ins Ausland. Die Landesgrenze ist immer nah, das “Fremde” lebt schon auf der anderen Talseite. Eine kulturelle Übersetzung ist daher durchgehend und selbstverständlich nötig. Das “Fremde” lebt aber auch schon da bei sich, im gebauten Erbe das man erhält, häufig aber nicht versteht und schätzt und so eher verfremdet und ablehnt. Hier braucht es eine Übersetzung immaterieller Werte von materiellen Orten. “Aber viel wichtiger ist das Verständnis, dass jede Entwurfstätigkeit Umbau ist. Man hat es immer mit einem Beziehungsfeld von vorgegebenen Bedingungen zu tun. Ausserdem wissen die wenigsten Architekten, dass auch ihre eigene Tätigkeit mit dem Fortschreiten jeden Entwurfs immer mehr den Charakter eines Umbaus annimmt. Denn jede einzeln gefasste Entscheidung bindet die späteren Entscheidungen, weil es einen Aufwand bedeutet, sie wieder rückgängig zu machen.” (Hermann Czech, Alles ist Umbau, in Werk, Bauen + Wohnen, 3/1988, S. 4-11, Zürich: Werk AG)
Um es deutlich zu machen: Das Institut Architektur und Raumentwicklung der Universität Liechtenstein versteht Bauten und Orte als hybride, von menschlichen Interaktionen geprägte Kontexte, die stark durch das Handeln ihrer Nutzerinnen und Nutzer und ihrer sozialen und kulturellen Zusammensetzungen geprägt sind. Sie interpretieren den Gebäudebestand als Speicher und Inventar des Wissens und als Palimpsest der Erinnerungen, Geschichten und Träume. Die Ausstellenden fordern ein architektonisches Upcycling als aktive Baukultur ‒ ein bewusstes Umdenken, Wiederverwenden, Verbinden und Aufwerten von Bestehendem, um Neues zu ermöglichen. “Des sensations continues sans mémoire donneraient la conscience interrompue de son existence: elles ne produiraient nulle conscience de soi”. (Denis Diderot, Éléments de physiologie, 2004, S. 302-309, Paris, Honoré Champion)
Der Eingriff in das Bestehende als tägliche Heilwirkung, eine hochaktuelle Haltung in diesen pandemischen Zeiten.
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