Gebäude müssen von Zeit zu Zeit umfassend saniert werden. Wenn sich in einer zu renovierenden Baute vermietete Wohn- oder Geschäftsräume befinden, ist unter Umständen eine Sanierungskündigung notwendig. In welchen Fällen eine Kündigung aufgrund der Sanierung des Mietobjekts gültig ist, beschäftigt die Gerichte immer wieder. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Sanierungskündigung. Er zeigt auf, welche Stolperfallen zu beachten sind, damit die Kündigung gültig ist, und beschäftigt sich mit der Erstreckung von gekündigten Mietverhältnissen.
Mit einer gewissen Regelmässigkeit müssen Gebäude renoviert und erneuert werden. Das Ausmass der Sanierung hängt von unterschiedlichen Faktoren wie dem Alter der Baute, dem Unterhaltszustand, der aktuellen Nachfragesituation am Standort oder auch rechtlichen Anforderungen ab. Der Vermieterin stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten offen, das in ihrem Eigentum stehende Gebäude umfassend zu sanieren: Entweder saniert sie das Gebäude im bewohnten bzw. vermieteten Zustand bei weiterlaufenden Mietverträgen. Die Mieter sind grundsätzlich verpflichtet, solche Erneuerungen und Änderungen an der Mietsache zu dulden, solange sie zumutbar sind (Art. 260 Abs. 1 OR). Welche Erneuerungen oder Änderungen zumutbar sind, entscheidet sich im Einzelfall. Oder die Vermieterin hat die Möglichkeit der Leerkündigung: In diesem Fall wird saniert, sobald das Haus leer steht und alle Mieter ausgezogen sind.
Jede Variante hat Vor- und Nachteile. Entscheidet sich die Vermieterin, eine Sanierung ohne Kündigung durchzuführen, sollte sie sich der möglichen Behinderungen der Arbeiten aufgrund der Anwesenheit des Mieters bzw. damit einhergehenden Verzögerungen bewusst sein. Vorteile für die Vermieterin bei der Leerkündigung sind die oft einfachere und zügigere Durchführung, da keine Koordination mit allfälligen Mietern stattfinden muss. Zudem ist sie bei der Neuvermietung in der Ausgestaltung der Mietzinsen weit freier. Nachteilig ist, dass eine Anfechtung von Kündigungen zur Erstreckung gewisser Mietverhältnisse führen kann und sich der Projektstart verzögert bzw. Leerstände resultieren, bis der letzte Mieter ausgezogen ist. Entscheidet sich die Vermieterin für eine Leerkündigung, sind aus rechtlicher Sicht diverse Punkte zu beachten.
Allgemeines zur Auflösung von Mietverhältnissen
Durch den Mietvertrag verpflichtet sich die Vermieterin, dem Mieter eine Sache zum Gebrauch zu überlassen, und der Mieter, der Vermieterin dafür einen Mietzins zu leisten. Haben die Parteien beim unbefristeten Mietvertrag keine längere Frist vereinbart, gilt die gesetzliche Kündigungsfrist.
Für die Kündigung sind von Gesetzes wegen verschiedene Formvorschriften zu beachten, ansonsten sie nichtig ist. Es gilt die Schriftform, d.h., die Kündigung muss schriftlich erfolgen. Eine E-Mail erfüllt die gesetzlichen Anforderungen an die Schriftlichkeit nicht. Die Vermieterin muss für die Kündigung zudem ein vom Kanton genehmigtes Formular benutzen, das angibt, wie der Mieter vorzugehen hat, wenn er die Kündigung anfechten oder eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen will. Hat der Mieter einen Ehegatten oder lebt in eingetragener Partnerschaft, ist die Kündigung an beide separat zuzustellen.
Die Begründung der Kündigung ist keine Gültigkeitsvoraussetzung. Die Kenntnis des Kündigungsgrundes ist jedoch für die allfällige Überprüfung der Kündigung durch das Gericht wichtig, weshalb dessen Nennung von Beginn weg empfohlen wird.
Grundsatz der Vertragsfreiheit
Im Schweizer Mietrecht gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Grundsätzlich steht es somit jeder Partei frei, einen unbefristeten Mietvertrag zu kündigen. Begrenzt wird die Vertragsfreiheit durch den Grundsatz von Treu und Glauben. Ist eine Kündigung gültig ausgesprochen, ist sie einzig anfechtbar, wenn sie gegen Treu und Glauben verstösst. Die Kündigung gilt als treuwidrig, wenn sie ohne objektives, ernsthaftes oder schützenswertes Interesse und damit rein schikanös erfolgt. Das Bundesgericht bejaht einen Verstoss gegen Treu und Glauben auch, wenn die Kündigung zu einem krassen Missverhältnis berechtigter Interessen des Mieters führen würde.
Nimmt die Vermieterin eine Leerkündigung vor und hält alle Formvorschriften ein, d.h. ist die Kündigung gültig, bleibt den Mietern als einzige Möglichkeit die Anfechtung der Kündigung infolge Treuwidrigkeit. Verstreicht die 30-tägige Anfechtungsfrist des Mieters ungenutzt, ist die Kündigung wirksam.
Zulässige und missbräuchliche Sanierungskündigungen
Ob eine Leerkündigung missbräuchlich ist oder nicht, beurteilt die angerufene Behörde im Hinblick auf den Einzelfall, die Begründung und das Umbauprojekt. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt kein Verstoss gegen Treu und Glauben vor, wenn umfassende Sanierungsarbeiten, in deren Rahmen nicht nur Küchen und Bäder, sondern sämtliche Leitungsinstallationen ausgewechselt, Wand- und Bodenbeläge erneuert sowie Wohnungsgrundrisse verändert werden. Ohne schützenswerten Grund wäre eine Kündigung für Modernisierungsarbeiten hingegen dann, wenn beispielsweise nur die Wände gestrichen, blosse Aussenrenovationen oder Balkonanbauten vorgenommen würden.
Da eine Vermieterin dem Mieter zumutbare Erneuerungen und Änderungen während laufendem Mietverhältnis von Gesetzes wegen aufzwingen kann, empfiehlt sich, bereits frühzeitig die Interessenabwägung zwischen den Interessen der Vermieterin an der zügigen Renovation und den Interessen des Mieters am Fortbestand des Mietvertrages vorzunehmen. Zwar hat die Zumutbarkeit der geplanten Arbeiten für einen Mieter nicht automatisch die Ungültigkeit der von der Vermieterin ausgesprochenen Kündigung zur Folge. Führt eine solche Kündigung aber zu einem krassen Missverhältnis der Interessen oder scheint sie nur vorgeschoben, wäre sie missbräuchlich und aufzuheben.
Tatsächlich ist es an der Vermieterin nachzuweisen, dass der Verbleib der Mieterschaft zu einer erheblichen Erschwerung und Verzögerung der geplanten Arbeiten führt. Spätestens nach Aufforderung durch den Mieter soll die Vermieterin ihren Kündigungsgrund benennen. Tut sie dies nicht, verspätet oder gar erst während eines Verfahrens, spricht dies für die Missbräuchlichkeit der Kündigung.
Weiter muss die Vermieterin glaubhaft machen, dass ein aktuelles und schutzwürdiges Interesse am Umbau besteht. Das Zürcher Obergericht verneinte ein solches Interesse, als eine Vermieterin zum Nachweis ihres Vorhabens lediglich einen Baubeschrieb einreichte, der erst nach dem Aussprechen der Kündigung erstellt wurde.
Es müssen folglich klare Belege für die Ernsthaftigkeit und die Realisierbarkeit des Bauvorhabens vorhanden sein. Eine Baubewilligung ist für diesen Nachweis nützlich. Im Einzelfall können auch ausgereifte Vorprojekte genügen, um das aktuelle Interesse und die Durchführbarkeit des Vorhabens nachzuweisen. Vage Sanierungsprojekte, bei denen noch nicht klar ist, wie und in welcher Form sie umgesetzt werden, genügen in der Regel jedoch nicht. Es gilt, je konkreter das Sanierungsprojekt ist, desto grösser sind die Chancen, dass die Leerkündigungen geschützt und den anfechtenden Mietern keine langen Erstreckungen gewährt werden.
Zur Erstreckung
Selbst wenn aber die angerufene Behörde die Kündigung als wirksam beurteilt, prüft sie von Amtes wegen, ob das Mietverhältnis erstreckt werden kann. Ein Mieter, der durch eine gültige Kündigung mit Härten konfrontiert ist, kann eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen. Diese ist zu gewähren, sofern die Interessen der Vermieterschaft nicht überwiegen.
In der Praxis geschieht es häufig, dass bestehende Mieter eine Sanierungskündigung anfechten. Eine Vermieterin muss bei jeder solchen Kündigung damit rechnen, dass sich der Beginn der Arbeiten durch eine Erstreckung einzelner Mietverhältnisse verzögert. Zugleich führen allfällige Erstreckungen dazu, dass die Mieter das Mietobjekt zeitlich uneinheitlich verlassen. Dies führt zu (teilweisen) Leerständen vor dem Umbau. Die Leerstände können mit befristeten Mietverhältnissen ohne Erstreckungsmöglichkeit verhindert werden, was besonders in Gebieten mit Wohnungsnot problemlos möglich sein dürfte.
Zur vorgängigen Information der Mieter
Immer wieder stellt sich die Frage, ob die Vermieterin ihre Mieter frühzeitig über das Umbauprojekt benachrichtigen soll. Eine frühe Information der Mieter ermöglicht diesen, sich bereits nach einer Alternativlösung umzusehen. Finden sie Anschlusslösungen, ist eine Anfechtung und Erstreckung unwahrscheinlicher.
Es besteht bei der Vorinformation aber das Risiko, dass Mieter ein Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren anhängig machen, um vom Kündigungsschutz während hängiger Verfahren profitieren zu können. Im Vorfeld von Sanierungsprojekten ist somit darauf zu achten, dass es möglichst zu keinen Verfahren kommt, um nicht zusätzlich durch Kündigungssperrfristen in der Planung eingeschränkt zu werden.
Wenn eine vorzeitige Orientierung erfolgt, kann dies hinderlich für den Nachweis des aktuellen Interesses der Vermieterin am Umbau wirken. Zudem könnte sie die Mieter veranlassen, Optionen mit einem Verbleib in der Liegenschaft zu suchen. Zuletzt kann die Information den Eindruck erwecken, dass eine Erstreckung zumutbar ist, weil die Vermieterin den Zeitplan noch nicht finalisiert hat und über genügend Reserven verfügt. Es ist daher sehr sorgfältig abzuwägen, ob die Vermieterin tatsächlich vorgängig informieren will.
Fazit
Wenn die Vermieterin im Hinblick auf ein konkretes Sanierungsvorhaben sämtliche Mietverhältnisse in einem Gebäude kündigt, spricht man von einer Sanierungskündigung. Damit solche Kündigungen zulässig sind, empfiehlt es sich, die folgenden Regeln einzuhalten:
• Bei der Überprüfung, ob eine Sanierungskündigung erfolgen soll, ist eine Interessenabwägung zwischen vermieter- und mieterseitigen Interessen vorzunehmen, um einzuschätzen, ob die Kündigung als treuwidrig beurteilt werden könnte.
• Die Mietenden müssen gleich behandelt werden.
• Eine Kündigung wird nur ausgesprochen, wenn die geplanten Sanierungsarbeiten die Weiterbenutzung des Mietobjekts erheblich einschränken. Dies ist u.a. der Fall, wenn die Anwesenheit der Mieter die Arbeiten wesentlich erschwert oder verzögert.
• Zum Zeitpunkt der Kündigung liegt ein baureifes und durchführbares Sanierungsprojekt vor, das den Umfang der geplanten Arbeiten konkret belegt. Dass das Baugesuch bereits eingereicht wurde oder gar die Baubewilligung vorliegt, ist hingegen nicht vorausgesetzt.
Diese Regeln helfen zwar, Sanierungskündigungen entsprechend aufzugleisen. Letztendlich ist es jedoch bei dem angespannten Wohnungsmarkt nicht zu vermeiden, dass die Kündigungen angefochten und die Mietverhältnisse unter Umständen erstreckt werden. Da hilft nur eine möglichst flexible Projektplanung, wobei diese Flexibilität wiederum dem aktuellen und schutzwürdigen Interesse der Vermieterin am Umbau entgegensteht.
Isabelle Hanselmann ist als Rechtsanwältin bei Walder Wyss AG beratend und prozessierend tätig. Daneben berichtet sie in ihrem Blog bauimmorecht.ch regelmässig über aktuelle Themen aus dem Bau- und Immobilienrecht.