Am Samstag, dem 30. September, und Sonntag, dem 1. Oktober, öffnet Open House Zürich zum achten Mal sonst verschlossene Türen im Grossraum Zürich und zeigt herausragende Architektur aus den verschiedensten Zeitepochen. Neben den Führungen bietet ein breit gefächertes Rahmenprogramm zusätzliche Veranstaltungen an – unter anderem die Preisverleihung des diesjährigen Prix Lumière. Dr. Ralf Michel, Mitglied im Vorstand der Schweizer Licht Gesellschaft und Präsident des Prix Lumière, hat uns Rede und Antwort gestanden
Sie sind Präsident des Wettbewerbs Prix Lumière – welche Bedeutung hat Licht für Sie?
Ich bin überzeugt, dass die Wirkungen von Licht im sichtbaren und im nicht sichtbaren Bereich nur annähernd erforscht sind und in der architektonischen und gestalterischen Praxis zielführender angewandt werden könnten. Heute wissen wir: Licht macht nicht nur hell und verbraucht Energie, sondern die Lichtqualität beeinflusst unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Ein Sprichwort sagt: In der Nacht sind alle Katzen grau. Das bedeutet, dass wir ohne Licht keine Farben sehen. Licht, Schatten und die Farben erzeugen zusammen erst unsere Wahrnehmung von Räumen. Diese Aufzählung könnte ich weiterführen. Licht ist – kurz gesagt – eines der wichtigsten Gestaltungsmittel und gleichzeitig (mit der Akustik) ein Mittel, das in den architektonischen Entwürfen bisweilen sträflich vernachlässigt wird.
Der Prix Lumière zeichnet innovative Lichtlösungen aus – dieses Jahr bereits zum 7. Mal. Nach welchen Kriterien bewerten Sie die eingereichten Projekte?
Wir freuen uns, dass in diesem Jahr etwa 40 Projekte eingereicht wurden; so viele wie noch nie. Gestalterische Qualitäten in der Architektur entstehen aus der Resonanz vieler Faktoren. Beim Prix Lumière achten wir besonders auf das Zusammenwirken von Licht und Architektur. Neben den technischen Qualitäten, wie lichttechnische Umsetzung und Nachhaltigkeit, schenken wir der kalkulierten Koordination von Tages- und Kunstlicht besondere Beachtung. Wir suchen innovative lichtgestalterische Umsetzungen, die wir in den Steuerungen oder in den sorgsam ausgesuchten Optiken, die das LED-Licht im Raum verteilen, finden. Dabei sind es oft weniger Lichtspektakel: Häufig verstecken sich die Qualitäten in sehr sorgsam ausgearbeiteten Alltagsbeleuchtungen, weshalb wir alle Projekte mehrfach beurteilen. Und nicht zuletzt geht es um die Qualität des Lichtklimas – an der Beurteilung dieses Kriteriums entzünden sich bisweilen hitzige Debatten in der ausserordentlich kompetenten Jury.
Die preisgekrönten Projekte werden im Rahmenprogramm der Architekturveranstaltung Open House PLUS+ in Zürich prämiert. Zudem sind dieses Jahr auch einige (Tages-)Lichttouren bei Open House PLUS+ zu finden. Welches Objekt im Raum Zürich muss man Ihrer Meinung nach hinsichtlich Lichtlösung besucht haben? Warum?
Sie werden verstehen, dass ich keinen Spoiler bringe. (lacht) Daher nenne ich zwei ältere Projekte, den Bahnhof Oerlikon und die Durchmesserlinie des HB Zürich. Beiden haben wir vor Jahren einen Preis verliehen – obwohl ich ein wenig fürchtete, dass mich die markanten grünlich verglasten Baldachine über den Treppenaufgängen in Oerlikon irgendwann nerven würden. Die Zeit hat für den Entwurf gespielt: Sie entwickelten sich zum Wahrzeichen, und die funktionalen Elemente der Architektur in den Unterführungen sind von Vorgt&Partner wirklich hervorragend beleuchtet worden. Ein lichtgestalterisches Highlight, das die gute Zusammenarbeit von Architekten und Lichtgestaltern mit dem Bauherrn dokumentiert. Ebenso wie die Beleuchtung der Durchgänge, Ladenpassagen und der Gleisbeleuchtung des Bahnhofs Löwenstrasse am HB Zürich. Kürzlich habe ich mir die Schulanlage Freilager in Zürich-Albisrieden angesehen. Neben der Architektur von Thomas Fischer und dem integrierenden Konzept in das wachsende Stadtquartier, das auf eine inspirierende Art sehr modern ist, hat mich die Lichtgestaltung interessiert. Der Bau ist Teil eines städtebaulichen Wurfs mit hoher Lebensqualität. Das Zusammenwirken von Tages- und Kunstlicht scheint mir im Freilager hervorragend umgesetzt und die Lichtstimmung im Gebäude war an diesem sonnigen Sommertag wohltuend: Das einfallende Tageslicht wurde durch reduziertes Kunstlicht in den tiefer liegenden Gebäudeteilen hervorragend ergänzt und musste im Bereich der Oberlichter der Sheddächer gar nicht erst eingeschaltet werden. Hier kommen zur Beeinflussung des Lichts textile Beschattungen zum Einsatz, die immer noch genügend Tageslicht einlassen. Ein sehenswertes Projekt in einem sehenswerten Umfeld.
Am 24.8.2023 findet in Bern der Energylight Day statt. Was erwartet die Besucher dort?
Die SLG ist ein Fachverband, der eine seiner wichtigsten Aufgaben darin sieht, seine Mitglieder für die technischen Neuerungen fit zu machen – derzeit vor allem für die Auswirkungen der Digitalisierung und des Klimawandels. Eines der wichtigsten Themen ist die Beantwortung der Frage, wie wir zur Reduktion der CO2-Emissionen aktiv beitragen können. 12 Prozent der gesamten elektrischen Energie wird in der Schweiz für Beleuchtung verbraucht. Das wollen wir bis 2025 auf die Hälfte reduzieren – und ich denke, dass wir das alle zusammen erreichen werden. In Bern stellen wir unter dem Slogan „Less energy for a better light“ in komprimierter Form die wichtigsten Entwicklungen vor – da versammeln wir sozusagen das geballte Wissen zu den entscheidenden Aspekten des Energiesparens im Bereich der Beleuchtung. Gute Gründe, am 24. August zu uns nach Bern zu kommen.
Mehr Informationen dazu finden Sie hier.
Ralf Michel hat zur Wirkung von Licht und Farbe sowie zu Design und Innovation geforscht. Er berät Firmen bei der Integration von Design in die Entwicklung von innovativen Wertschöpfungen mit nachhaltigen Ambitionen. Michel lehrt an der Fachhochschule Nordwestschweiz und anderen Hochschulen im Kontext der Erreichung der UNO-Nachhaltigkeitsziele und zur Integration von Design. Er ist Mitglied im Vorstand der Schweizer Licht-Gesellschaft und Präsident des Prix Lumière.