Lugano

Dr. Urs Wiederkehr ist Bauingenieur und Verantwortlicher für Digitale Prozesse in der Geschäftsstelle des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA). Für diese achtteilige Kolumne aus Anlass der Eröffnung des Ceneri-Basistunnels besucht er 2020 diverse Orte im Städtedreieck Bellinzona-Lugano-Locarno.

Lugano, drei „Berge“ und ein „LAC“ am Lago
4 Standseilbahnsysteme auf dem Stadtgebiet – wobei heute eins ausser Betrieb ist – sind Indizien dafür, dass Lugano am Hang gebaut ist. Die Seilbahnen führen nicht nur auf die Hausberge, eine verbindet auch den Bahnhof mit dem Stadtzentrum mit den vielen sehenswerten Fassaden von Bürgerhäusern. Auch ihre Zwischenstation punktet mit einer Sehenswürdigkeit, denn dort befindet sich die Kathedrale San Lorenzo, der Sitz des Bischofs.

Den Mittelpunkt der Stadt bildet die Piazza della Riforma. Der Name geht auf die Revolution von 1830 zurück. Im imposanten Palazo Civico aus dem Jahr 1843 ist die Gemeindeverwaltung von Lugano beheimatet. Gleich dahinter befindet sich der Luganersee. Der Fluss Tresa entwässert den See des Sotto Ceneris in Richtung des 78 Meter tiefer gelegenen Lago Maggiores im Sopra Ceneri.

Dass der Monte Bré und Monte San Salvatore die Hausberge von Lugano sind, ist klassischer Schulstoff. Doch der dritte „Berg“ ist weniger bekannt: Piz Daint, benannt nach dem Berg im Münstertal, ist der zehntschnellste Supercomputer der Welt, installiert im Centro Svizzero di Calcolo Scientifico (CSCS) in Lugano-Cornaredo. Er hilft den unzähligen Wetterfröschen, die Prognosen zu erstellen, aber nicht nur. Und er ist 50’000-mal schneller als der Computer des Kolumnisten. Sozusagen die zweite eidgenössische Institution ist die Nationalphonothek, das Tonarchiv der Nationalbibliothek, die ihren Sitz in der Stadt hat.

In der Ebene des Flusses Cassarate Richtung Norden haben sich viele Banken angesiedelt, schliesslich ist Lugano – neben Zürich und Genf – der drittwichtigste Finanzplatz der Schweiz. Sie haben ihre Sitze von renommierten Tessiner Architekten bauen lassen. Luganos Geschäftigkeit fällt auf. Daneben sind Bellinzona die Beamten- und Locarno die Touristenstadt.

Im Park der Villa Ciani am See befindet sich die Kantonsbibliothek von Rino und Carlo Tami aus den 1940er-Jahren. Die Villa gilt als Zeichen, dass das neue Bauen damals im Tessin Eingang gefunden hat. Fasziniert hat mich beim letzten Besuch das 2013 renovierte Bootshaus (Darsena), dessen Stil von englischen Cottages und osmanischer Architektur inspiriert ist. Die Darsena dient heute als öffentliche Sommerlounge. Unterdessen sind dank Fusionen diverse Gemeinden Teil von Lugano geworden. Der romantische Seeuferweg nach Gandria und das zum Schweizer Landesmuseum zugehörige Zollmuseum in Cantine di Gandria liegen deshalb heute auf Stadtgebiet.

Lange Zeit bot am Ende der Hauptgasse Via Nassa die nach einem Brandfall 1993 eingepackte und abgestützte, imposante Fassade des Grand Hotels Palace einen unansehnlichen Anblick. 2015 eröffnete endlich das LAC – Lugano Arte e Cultura – ein Kunst- und Kulturzentrum, erstellt vom Tessiner Architekten Ivano Gianola. Der Kreuzgang des ehemaligen Franziskanerklosters und die Hotelfassade wurden in den Bau integriert. Die Klosterkirche mit dem für diesen Kirchentyp charakteristischen Fresko aus dem 16. Jahrhundert von Bernardino Luini hat endlich wieder eine würdige Umgebung gefunden. Andere Orte in der Schweiz liegen an einem See, einem Lac oder einem Lago. Wer aber schafft die Verdoppelung: ein „LAC“ am Lago? Natürlich Lugano!

Text: Urs Wiederkehr

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