Kommt Kommunikation nur zufällig zustande?

Dr. Urs Wiederkehr ist Bauingenieur und Leiter des Fachbereichs Digitale Prozesse auf der Geschäftsstelle des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA). Für diese 6-teilige Kolumne verlässt sich Dr. Urs Wiederkehr 2022 auf den Zufall – so wie er einst zum Schreiben kam.

Oft ist es eine Herausforderung, einen Termin mit verschiedenen Sitzungsteilnehmerinnen und -teilnehmern zu fixieren. Grenzt es gar an Zufall, wenn es zeitnah klappt? Neben der Verfügbarkeit ist die Art des Treffens, online oder physisch, nach zwei Jahren Pandemie eine wiederkehrende Frage und ein Unsicherheitsfaktor: Wir müssen jedes Mal individuell über die Sitzungsform entscheiden sowie möglicherweise wieder die Reisezeit zwischen zwei Meetings einplanen oder fähig sein, nahtlos zwischen verschiedenen Themen switchen zu können. Persönlich irritiert es mich noch immer, wenn ich beim schnellen Switchen von einem Meeting ins andere dreissig Sekunden vor dem offiziellen Beginn, noch vor den Organisatorinnen und Organisatoren, der Erste in der Sitzung bin.

Der deutsche Soziologe Niklas Luhmann (1927–1998) hat vor vierzig Jahren einen Beitrag über die „Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation“ verfasst. An seine Aussagen erinnere ich mich oft. Luhmann erachtet das „Verstehen, was der andere denkt“ als ersten Zufall und das „Erreichen des richtigen Empfängers“ als zweiten. Als dritten Zufall bezeichnet er den Erfolg, also dass die Empfängerin oder der Empfänger die erhaltene Information in das eigene Handeln einbindet und dadurch eine Anschlussmöglichkeit für die weitere Kommunikation eröffnet. 

Die vom Januar in den Mai verschobene Branchenmesse Swissbau in Basel war um das „Erreichen der Empfänger“ sehr bemüht und bot darum verschiedene Formate an. So wurden beispielsweise alle Veranstaltungen von Swissbau Focus hybrid, als Präsenz- und Onlineformat im Livestream, durchgeführt. Persönlich schätzte ich die Möglichkeit, Veranstaltungen über die Onlineplattform als zusammenfassende Eventreports nachträglich anschauen zu können. So konnte ich vor Ort Leute treffen und mich entweder spontan mit Gästen in der SIA-Lounge austauschen oder als Experte im Swissbau Innovation Lab Auskunft geben. 

„Herzlichen Dank fürs Vernetzen auf Linkedin und die tollen Inputs und Fragestellungen im Speaker Corner des Swissbau Innovation Lab“, las ich eines Nachmittags auf meinem Smartphone, nachdem ich soeben ein interessantes Gespräch beendet hatte. In der festen Überzeugung, dass mich eine Person eines Innovation-Lab-Stands angeschrieben hatte, schrieb ich 15 Minuten später zurück: „Gern geschehen. Komme morgen früh vorbei.“ Einige Minuten später: „Vielen Dank für Ihre spontane Entscheidung, uns in unserem Büro zu besuchen.“ Und erst nach meinem Hinweis „ich melde mich am Stand“ fanden wir heraus, dass Kommunikation – ganz nach Luhmann – in unserem Fall unwahrscheinlich war: „Da haben wir uns wohl missverstanden. Das kommt vor“, meinte daraufhin mein Kommunikationspartner.

Ich liess mich täuschen, weil die Messeumgebung meine Wahrnehmung in die Irre führte. Und so lieferte mir diese selbst erlebte „Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation“ eine weitere Kolumne: genau so, wie ich es mir wünsche, nämlich dass der Zufall ein Thema zum Zufall liefert.

Kein Zufall, dass der Autor in der virtuellen Welt von „Inspacion“ im „Swissbau Innovation Lab“ ein SIA-Schildchen gefunden hat. © Thomas Nescher, CEO Inspacion bzw. sein Avatar

Tipp

Swissbau Eventreports 2022

Luhmann Niklas: „Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation“, aus „Soziologische Aufklärung 3“, Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 1981

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