Den Garten auf dem Teller

Am Maggiadelta zwischen Locarno und Ascona findet man das blühende Leben: Nicht nur grosszügige Blumenwiesen, unzählige Obstbäume und zwei Esel gehören hier am nördlichen Ufer des Lago Maggiore zum üblichen Landschaftsbild. Seit je wird rund um das 5-Stern-Superior-Hotel Castello del Sole ökologische Landwirtschaft mit viel Respekt vor der Natur betrieben und sogar der eigene Reis angebaut. Eines der Produkte, die der Sternekoch Mattias Roock für sein Menü „Sapori del nostro orto“ verwendet, das ganz im Sinne des Farm-to-Table-Konzepts steht und den Geschmack seines Gemüse- und Obstgartens auf den Teller holt.

Die rhythmische Wellenbewegung des Lago Maggiore, das sanfte Rauschen des türkisblauen Wassers und die auf der Oberfläche tanzenden Sonnenstrahlen und in der Hand ein erfrischender Basilikum-Cocktail in leuchtendem Grün – was sich nach einem Aufenthalt an der Strada del Sole anhört, beschreibt das Entspannen am Seezugang des Castello del Sole. Inmitten sattgrüner Wiesen und alter Bäume und im Bann der bewaldeten Berge des Tessins schweift der Blick von diesem idyllischen Panorama hin zu den angrenzenden Agrarfeldern. Die Zufahrtsstrasse zum 11  ha grossen Areal des Castello del Sole durch das Maggiadelta sind gesäumt von den weitläufigen Feldern des landwirtschaftlichen Partnerbetriebs Terreni alla Maggia. Dass der vornehme Hotelbetrieb dabei neben den höchsten Ansprüchen an die Dienstleistungen auch den Geschmack auf dem Teller als Luxusgut zelebriert, lässt sich somit zu Beginn schon erahnen. Denn ein Aufenthalt hier am Ufer des Lago Maggiore soll nicht nur einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen, sondern insbesondere gelebte Nachhaltigkeit vermitteln – so kann man den verwendeten Produkten direkt vor der Zimmertür beim Wachsen zusehen und sich am Duft der unzähligen Obstbäume und -sträucher erfreuen. Scheint diese „Zero Kilometer“-Philosophie ein neuer Trend zu sein, wird diese hier jedoch bereits seit den ersten Niederlassungen auf dem Gelände des Castello 1532 gelebt – wohl wahr von der Not zur Tugend.

Aller Anfang
Um allerdings nicht nur von den Ursprüngen des Betriebs zu sprechen, springen wir kurz in die Vergangenheit zurück und werfen einen Blick auf die landwirtschaftlichen Anfänge am Maggiadelta. „Während heute Weinreben, Obstbäume oder auch Getreidefelder die rund 150  ha rund um das Ufer der Maggia bespielen und diesen Landschaftsstrich prägen, bestand dieses Gebiet ursprünglich aus scheinbar unbrauchbarem Sumpf“, erklärt Andrea Wildi, Verkäufer Enoteca Alimentare der Terreni alla Maggia, mit einer ausladenden Geste über die Felder. Unglaublich, aber wahr – vor allem, wenn man die heutige Agrartätigkeit und das wortwörtlich blühende Anwesen betrachtet. Doch gerade dank dieser ungünstigen Gegebenheiten konnte Emil Bührle den Grund und Boden 1942 kaufen und den neu etablierten Landwirtschaftsbetrieb zur zentralen Aufgabe seiner Familie machen. Hierfür liess er das gesamte Sumpfgebiet um 1  m mit fruchtbarer Erde aufschütten und startete neben der anfänglichen Tierhaltung auch den Anbau von diversem Gemüse, Obst und Nussbäumen sowie 1948 die Weinproduktion. Schon nach weiteren drei Jahren des Wachstums und der Lagerung in französischen Eichenfässern konnte der Betrieb auf seine erste Weinproduktion zurückblicken. „Mittlerweile produzieren wir 105  000 Flaschen Wein pro Jahr mit insgesamt 15 Etiketten – der 24 Monate gelagerte Ascona Reserva ist unter diesen unser Aushängeschild. Auf über 11  ha bauen wir Trauben an, wobei 75 Prozent davon Merlot sind, um dieser Vielfalt in unserer Weinproduktion nachzukommen“, fügt der gebürtige Asconese beim Gang durch die Reben hinzu. 

Grosses Angebot
Doch damit ist nicht genug: Jährlich werden auf dem Areal zudem 2500 kg Äpfel geerntet und mehrheitlich zu Saft verarbeitet, Nussschnaps gebrannt sowie 1800 Flaschen Whiskey – aus den ausrangierten Weinfässern – und je 2500 Flaschen Gin und Grappa in der Terreni alla Maggia produziert und darüber hinaus noch das erste Tessiner Rapsöl hergestellt. Apropos Einzigartigkeit: Der Landwirtschaftsbetrieb zwischen Ascona und Locarno ist obendrein der einzige Schweizer Betrieb, der einen hundertprozentigen Schweizer Risottoreis kultiviert. Assoziiert man jedoch gerade mit diesem Getreide wohl eher wieder sumpfiges Land und würde für den Reisanbau nassen, immer wieder gefluteten Boden als überaus passend empfinden, zeigt sich hier das komplette Gegenteil. Die Terreni alla Maggia setzt auf einen Trockenanbau, wobei mit lediglich 25 mm Wasser pro Woche bereits das perfekte Pflanzenwachstum gewährleistet wird. „Ende April, sobald das Grundwasser konstant über 12 Grad hat, wird unser Loto-Reis gesät, der sich optimal für Risotto eignet. Nach 155 Tagen können wir unseren Reis dann Anfang Oktober ernten, der in Gordola entspelzt wird und in der Reismühle in Brunnen weiterverarbeitet sowie abgepackt wird. Der Vorteil des Reisanbaus ist zudem, dass wir hier dieselben Maschinen wie für den Mais benutzen können und nicht zusätzlich aufrüsten mussten“, erläutert Andrea Wildi den Reisanbau und die Produktion kurz.

Tief verwurzelt
Danach benötigt es lediglich 20 Minuten Kochzeit, um einen bissfesten Risotto zu zaubern – oder vielmehr al dente, wie es auf Italienisch heisst. Stichwort Kochen – hier kommt Mattias Roock ins Spiel, der mich am Ende meines Rundgangs durch die Felder am Eingang des Castello del Sole begrüsst. Seit sieben Jahren führt der gebürtige Norddeutsche die Küche des 5-Stern-Hotels, das sich über die Grenze zwischen den Gemeinden Ascona und Locarno erstreckt. Die Leidenschaft fürs Kochen und die Gastronomie wurde ihm dabei schon in die Wiege gelegt: In zweiter Generation führten auch seine Eltern einen eigenen Gastronomiebetrieb im hohen Norden Deutschlands, für welchen sie selber von Bohnen über Kartoffeln bis hin zu Kräutern alles aus dem eigenen Garten holten. Sein Weg führte ihn jedoch nicht auf direktem Weg in den Süden, sondern über diverse Stationen in London, den USA, Shanghai oder St. Moritz landete er letztlich im Tessin, wo er sich nun durch und durch angekommen fühlt. „Die Einzigartigkeit der Umgebung und des Hotelareals, die Nähe zum Wasser sowie die Präsenz der Sonne lassen Ascona zum perfekten Ort für mich werden. Ein Zusammenspiel von Faktoren, das mir zudem meine Küchenphilosophie „Farm to Table“ ermöglicht“, bringt Roock seine Verbundenheit mit diesem Ort auf den Punkt. Denn für ihn ist der Wunsch nach Perfektion unzertrennlich mit dem Wunsch nach dem eigenen Produkt verbunden, sodass er hierfür seinen eigenen Garten neben der Küche betreibt, wofür sechs Gärtner im Einsatz sind.

Supermarkt Garten
Mehr als 25 Sorten Tomaten – von Feuerwerks- über Himmelstürmer- bis hin zu diversen Ochsenherztomaten –, die pro Jahr 500 kg Ertrag abwerfen, ca. 15 verschiedene Zitruspflanzen, 6 verschiedene Erdbeeren oder Exoten wie japanischer Bergpfeffer wachsen hier im ökologischen Anbau auf dem eigenen Gelände – sogar die Blumendeko des Hotels stammt aus dem angrenzenden Garten. Aus der Not eine Tugend machen wird auch bei der eigenen Pflanzenaufzucht wieder zum Thema: Da die Schweiz nicht zur EU gehört und der Pflanzenimport nicht erlaubt ist und nur die Samen eingeführt werden können, müssen nicht heimische Pflanzenarten sowieso selbst gezogen werden. Doch bei ein paar Kräutern aus dem eigenen Garten oder ein paar einzelnen selbst gezogenen Tomaten als Dekoration auf dem Teller belässt es der Sternekoch nicht: „Im neuen Gourmetrestaurant Locanda Barbarossa des Hotels servieren wir unter anderem das Menü ‚Sapori del nostro orto’, was so viel heisst wie ‚der Geschmack aus dem eigenen Garten. Gemäss diesem Motto tischen wir hier Gerichte auf, die mehrheitlich Zutaten aus unserem Garten sowie der Terreni alla Maggia beinhalten – und mit Produkten lokaler Lieferanten ergänzt werden“, erklärt Mattias Roock das besondere Konzept des Lokals, das mit 18 Gault Millau-Punkten und 1 Michelin-Stern ausgezeichnet ist. Dieser Philosophie folgend werden so pro Saison rund 3000 dieses besonderen Menüs in dem knapp 30 Plätze fassenden Lokal serviert und Gäste mit dem Geschmack des Gartens verwöhnt.

Geheimzutat: Persönlichkeit
Regionalität und Saisonalität stehen im Locanda Barbarossa also auf der Tagesordnung, sodass das 7-Gang-Menü ständig wechselt. Angesichts der Qualitätsansprüche überrascht es auch kaum, dass man in der Küche vom Müesli-Martin, vom Ziegen-Pascal oder vom Fischer-Joe spricht – denn alle Lieferanten kennt der Küchenchef persönlich. So kann er dank kleiner, lokaler Produzenten neben hoher Produktqualität auch Fleisch aus tiergerechter Haltung garantieren. „Abgesehen von der Qualität ist das Schöne an diesen natürlichen Produkten deren Einzigartigkeit, die wiederum das Kochhandwerk fordert. Denn egal ob dick, dünn, krumm oder einfach nicht der Norm entsprechend, wird jedes Produkt aus unserem Garten mit dem nötigen handwerklichen Können zum kulinarischen Gesamterlebnis auf dem Teller verwandelt. Diese Herausforderung bringt Abwechslung und macht Spass“, merkt Mattias Roock an.

Gesamterlebnis
Spricht man in der Weinsprache vom „Terroir“, das die gesamte, natürliche Umgebung für einen optimalen Weinanbau bezeichnet und ihm seinen ganz individuellen Charakter verleiht, lässt sich dieses auch auf das Gesamterlebnis für die Gäste des Castello del Sole ummünzen. Klima, Landschaft und Co. sind hier nicht nur Balsam für die Seele, sondern lassen sich dank Mattias Roock und seinem 26-köpfigen Team auch auf dem Teller erfahren – so kommt man wahrlich mit allen Sinnen in den Genuss der Region am Maggiadelta und kann zugleich das Wunder Natur von Beginn an miterleben. Und so lasse ich mir nun guten Gewissens mit dem Signature-Dish des Gourmetrestaurants Locanda Barbarossa den Geschmack des Gartens vom Castello del Sole auf der Zunge zergehen: einen Risotto, der vom Reis über den Wein bis hin zu den Safranfäden komplett auf dem Boden des Maggiadeltas entstanden ist. Buon appetito!

Castello del sole: Erleben Sie das einmalige Ambiente und buchen Sie Ihren Aufenthalt hier.

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