DAS VERSPRECHEN: (K)eine Option

Das Bundesgericht hat sich mit einer Vereinbarung bezüglich des Versprechens, einen Werkvertrag abzuschliessen, auseinandergesetzt. Es kam zum Schluss, dass der zurücktretende Versprechende schadenersatzpflichtig ist, und zwar mit voller Schadloshaltung.

Pacta sunt servanda bedeutet, dass Verträge einzuhalten sind, oder anders ausgedrückt: Es handelt sich um das Grundgebot der Vertragstreue. Im schweizerischen Recht braucht es grundsätzlich nicht mal ein Wort, damit ein Vertrag zustande kommt. Verträge können auch bereits durch konkludente Handlungen zustande kommen. Als schweizerisches Paradebeispiel eines solchen konkludent abgeschlossenen Vertrags ist der Biss in das auf dem Gasthaustisch im Körbchen präsentierte Gipfeli. Eine Offerte liegt vor, sie wird angenommen, der Vertrag kommt zustande. Dies selbst dann, wenn (in den meisten Fällen) der Preis für den Gast nicht ersichtlich war oder vom Wirt nicht darüber informiert wurde. In der Regel kommen Verträge aber mündlich oder schriftlich zustande: Die Wahl der Form ist, bis auf wenige Ausnahmen, Sache der Parteien. So beispielsweise beim Kauf von Immobilien. Hier schreibt der Gesetzgeber die Form der öffentlichen Beurkundung vor. Sowohl für den Vertrag als auch für den Vorvertrag, wie zum Beispiel für die Reservation bzw. das Versprechen, das Grundstück an den interessierten Käufer zu verkaufen.

Formvorschriften des Vertrags
Verträge mit Unternehmern oder Handwerkern, beispielsweise mit Bauunternehmen oder mit Plattenlegern, unterstehen keiner Einhaltung bestimmter Formvorschriften. Sie können konkludent, mündlich oder schriftlich abgeschlossen werden. Dies gilt weiter auch für die damit im Zusammenhang stehenden Vorverträge. Mit einer derartigen Konstellation war das Bundesgericht vor etwas mehr als einem Jahr konfrontiert.

Werkvertrag vor Bundesgericht
Eine Firma, die Bauherrenberatungs-, Bauleitungs- und Totalunternehmensdienstleistungen anbietet, schloss als Darlehensgeber eine Darlehensvereinbarung ab, in welcher sich der Darlehensnehmer verpflichtete, ein bestimmtes Grundstück (zum Projekt gehören vier Villen) an den Darlehensgeber zu verkaufen. In der Darlehensvereinbarung wurde daraufhin festgehalten, dass sich der Darlehensnehmer dazu verpflichtet, den Darlehensgeber als Generalunternehmer zu bezeichnen, und zwar zu einem dem regionalen Markt entsprechenden Pauschalpreis. Falls die Bank des Darlehensnehmers die Genehmigung nicht erteilt oder der Darlehensgeber nicht in der Lage ist, einen der Konkurrenz entsprechenden Preis anzubieten, dann besteht gemäss Wortlaut des Vertrags für den Darlehensnehmer kein Problem, auf die Beauftragung als Generalunternehmer zu verzichten, und zwar ohne jegliche Forderung seitens Darlehensgeber gegenüber dem Darlehensnehmer.

Der Austausch zwischen den Parteien startete im Frühling 2017 mit verschiedenen Plänen und Vorbereitungen von Quantifizierungen für verschiedene Arbeitskategorien wie zum Beispiel Kanalisationen und Fassadenisolationen. Der Generalunternehmer wurde vom Darlehensnehmer beauftragt, Offerten bei im Voraus bestimmten Unternehmen einzuholen, die dann zu einer Tabelle mit Zuschlagsvorschlägen zusammengefasst wurden.

Ebenfalls geplant war, dass der Käufer der jeweiligen Villa ab Plan einen Werkvertrag mit dem Darlehensgeber abschliesst. Folglich mussten vier Kaufverträge mit Unternehmensklauseln abgeschlossen werden. Der jeweilige Käufer trat an die Stelle des Darlehensgebers. Das Verkaufsversprechen galt dann dem jeweiligen Käufer gegenüber. Im Gegenzug mussten die Käufer einen Werkvertrag (Generalunternehmensvertrag) mit dem Darlehensgeber abschliessen.

Im Sommer 2017 wurde ein entsprechender Kostenvoranschlag für den Bau der vier Villen vorbereitet, es folgten einige Änderungen, die zu Baukosten in der Höhe von über CHF 3’000’000 führten. Der Darlehensgeber war ferienhalber abwesend, worüber der Darlehensnehmer vorgängig informiert wurde. Während dieser Zeit folgten Korrespondenzen, und dem Darlehensnehmer wurde ein Generalunternehmervertrag vorgelegt. Die Summe entsprach derjenigen des Kostenvoranschlags. Der Darlehensnehmer lehnte den Generalunternehmervertrag ab, mit der Begründung, dass er zu spät vorgelegt worden sei. Der Generalunternehmer bat, unter Vorbehalt von Schadenersatz, um Abschluss des Werkvertrages.

Ende Sommer 2017 wurde der Darlehensbetrag zuzüglich Zinsen zurückbezahlt und die Kaufverträge für die vier Villen unterzeichnet. Die vier Käufer schlossen entsprechende Werkverträge mit einem anderen Generalunternehmen ab. Dieses Vorgehen entsprach dem zuvor Vereinbarten.

Der Darlehensgeber machte schliesslich Forderungen für den entgangenen Gewinn geltend. Das Bundesgericht war wie die Vorinstanzen zum Schluss gekommen, dass der Darlehensnehmer einen gültigen Vorvertrag abgeschlossen hatte (Versprechen zu einem Werkvertrag), dessen Gegenstand hinreichend bestimmt war. Der Darlehensnehmer hatte die Pflichten dieses Vorvertrags nicht erfüllt, sodass er dafür haftbar ist. Der Darlehensnehmer hat den Darlehensgeber so zu entschädigen, dass er sich danach in der gleichen Situation befindet, wie wenn der Vertrag ordnungsgemäss erfüllt worden wäre (positiver Schadenersatz).

Die Lehren
Die vorliegende Konstellation wurde wie ein Rücktritt des Bauherrn gegen Schadloshaltung des Unternehmers im Sinne von Art. 377 OR behandelt. Demnach gilt, dass, solange ein Werk unvollendet ist, der Besteller gegen Vergütung der bereits geleisteten Arbeit und gegen volle Schadloshaltung des Unternehmers jederzeit vom Vertrag zurücktreten kann.

Das Schlussfazit dieses Entscheids ist sehr simpel: Ein Vorvertrag kann genauso verbindlich wie ein Vertrag sein. Insbesondere dann, wenn keine Formvorschriften dafür gelten. Es ist deshalb empfehlenswert, sich von Anfang an juristischen Rat einzuholen. Das dafür anfallende Anwaltshonorar dürfte in der Regel kleiner sein als das Lehrgeld beziehungsweise als die Bezahlung von zwei Generalunternehmern.

 

Walter Maffioletti, Mitglied der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) mit Spezialisierung im Bau- und Immobilienrecht an der Universität Freiburg, ist Leiter der Rechtsabteilung des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) und als Rechtsanwalt bei Vialex Rechtsanwälten beratend und prozessierend tätig. Er unterrichtet und referiert an verschiedenen Ausbildungsstätten und Organisationen.

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