Klare vertragliche Regelungen helfen, Streitigkeiten zu vermeiden oder – wenn Differenzen entstehen – solche sachgerecht zu entscheiden. Im Bau-Umfeld finden sich häufig sehr ungeschickt aufgesetzte Werkverträge. Dieser Beitrag geht den Ursachen dieses Missstandes nach und versucht, ein paar Grundsätze aufzeigen, die bei der Vertragsgestaltung beachtet werden sollten.
Wer baut, geht mit den engagierten Unternehmern eine vertragliche Beziehung ein. Das geschieht automatisch, ohne dass eine schriftliche Vertragsurkunde erstellt und unterzeichnet wird. Wird ein Unternehmer mit der Herstellung eines baulichen Werkes betraut, so liegt typischerweise ein „Werkvertrag“ im Sinne von Art. 363 ff OR vor. Dieser ist nicht formbedürftig, kann also auch mündlich oder gar stillschweigend abgeschlossen werden.
Kleinere Bauarbeiten werden nicht selten ohne schriftlichen Vertrag vergeben. Wer etwa vom Gärtner eine Rabatte neu anlegen lässt, fertigt kaum einen schriftlichen Werkvertrag aus, sondern erteilt vor Ort mündlich den Auftrag, nachdem er vielleicht noch gefragt hat, was das denn kosten werde. Im Regelfall entstehen dabei auch kaum je Probleme. Wenn es gleichwohl Diskussionen gibt, dann drehen sich diese allenfalls um den Preis oder darum, ob die Arbeit fachlich richtig ausgeführt worden ist. Hier helfen dann die gesetzlichen Regeln, die automatisch zur Anwendung kommen. Der Richter muss einen Fachmann einsetzen, der nach Art. 374 OR die Vergütung „nach Massgabe des Wertes der Arbeit und der Aufwendungen des Unternehmers“ festsetzt. Falls der Besteller der Ansicht ist, die Arbeit sei mangelhaft ausgeführt, so setzt im Streitfall der Richter auch hier einen Fachmann ein, der beurteilt, ob ein Mangel vorliegt, d.h. insbesondere, ob die Arbeit nach den anerkannten Regeln der Baukunde ausgeführt worden und zum vorausgesetzten Gebrauch tauglich ist. Diese Grundsätze zeigen, dass die Beurteilung von aufkommenden Differenzen durch den Richter bzw. den durch diesen eingesetzten Fachmann mit Unsicherheiten verbunden ist. Was ist die Arbeit wert, die ausgeführt wurde? Welches sind die anerkannten Regeln der Baukunde, von welchem Gebrauch durfte / musste der Unterneh-mer ausgehen, als er sich an die Herstellung des Werkes machte? Bei kleinen Bauaufträgen können die Parteien mit solchen Unsicherheiten wohl noch leben. Doch bei grösseren Bauvorhaben können sie die eine oder andere Partei in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Damit wird klar, dass im Voraus getroffene Abreden helfen, nachträgliche Diskussionen und Überraschungen zu vermeiden. Doch gänzlich vermeiden lassen sich Streitigkeiten auch mit einem noch so klug ausgestalteten Vertrag nicht: Jeder Vertrag ist so viel wert, wie der Vertragspartner.
Fragt man Laien nach dem Sinn oder der Bedeutung eines schriftlichen Vertragsschlusses, so kommt als Antwort meist die Aussage, dass ein „guter“ Vertrag im Streitfall hilfreich sei. Das trifft zu. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Der Abschluss eines schriftlichen Vertrages zwingt die Parteien dazu, sich im Voraus zu überlegen, was denn die wesentlichen Inhalte des Austauschverhältnisses sein sollen: Wie soll das zu erstellende Werk genau aussehen – wie soll die Vergütung für die Herstellung des Werkes bemessen werden – bis wann soll das Werk vollendet sein – etc.? Solche Diskussionen im Vorfeld des Vertragsschlusses schaffen Klarheit und helfen, unterschiedliche Wahrnehmungen, die die Parteien haben mögen, aufzudecken und zu klären. Der Prozess der Vertragsverhandlungen hat daher eine streitverhütende Wirkung. Wer auf den Abschluss eines schriftlichen Vertrages drängt, hat daher nicht bereits den Streit vor Augen, sondern will ihn verhindern.
Bei grösseren Bauvorhaben werden daher im Regelfall schriftliche Werkverträge abgeschlossen. Allerdings zeigt die Erfahrung (zumindest des Autors, der aber natürlich meist erst im Streitfall involviert wird), dass bei der Vertragsredaktion – sagen wir einmal – noch Luft nach oben vorhanden ist. Die suboptimale Ausgestaltung der Bau-Werkverträge mag zum einen damit zusammenhängen, dass die Ausfertigung der Werkverträge gemäss den meist eingesetzten SIA-Honorarordnungen 102 / 103 zu den Aufgaben des Planers (Architekt, Bauleiter, Ingenieur) gehört und dass diese Arbeit nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen eines Planers gehört. Zum anderen liegt ein Grundproblem darin, dass die Offerten von den Unternehmern regelmässig in einem frühen Stadium der Planung eingeholt werden, wo das Projekt, d.h., die zu erbringende Bauleistung noch gar nicht definitiv fixiert ist. Das Leistungsverzeichnis (Devis) und die Ausschreibungspläne, die dem Unternehmer zum Erstellen eines Angebotes unterbreitet werden, geben einen provisorischen Stand der Planung wider. Bis es dann zur Ausführung der Arbeiten kommt, hat sich das Projekt weiterentwickelt. Gleichwohl wird dann aber der Werkvertrag regelmässig auf der Basis der Unternehmerofferte geschlossen. Womöglich werden dann aber aktualisierte Pläne in den Vertrag eingeheftet. Damit ist natürlich der Grundstein für Streitigkeiten fast notgedrungenerweise gelegt.
Streitpotenzial liegt aber auch in anderen Beilagen, die der Vertragsurkunde regelmässig beigelegt werden. Der SIA hat zahlreiche Dokumente erarbeitet, welche im Bau-Umfeld eine grosse Bedeutung haben. So wird die sehr rudimentäre gesetzliche Regelung des Werkvertragsrechts (mit gerade einmal 17 Artikeln) durch die SIA-Norm 118 mit 190 Artikeln ergänzt / abgeändert, welche viel differenziertere Regelungen aufstellt, die auf den Bau zugeschnitten sind. Diese Norm, die ursprünglich auf Baumeisterarbeiten zugeschnitten wurde, ist in der jüngeren Vergangenheit durch Allgemeine Bedingungen Bau (ABB) für verschiedene andere Gewerke ergänzt worden. Diese ABB definieren die Schnittstelle zwischen Bauherrn, Planer und Unternehmer für bestimmte Bauarbeiten näher und teilweise in Abweichung von der SIA-Norm 118. Daneben gibt es zahlreiche technische Normen, die vermutungsweise die anerkannten Regeln der Baukunde dokumentieren. Auf diese SIA-Normen (rechtliche und technische) wird regelmässig verwiesen. Da es der SIA unterlassen hat, die von ihm erstellten Normen aufeinander abzustimmen, ergeben sich nur schon daraus Probleme. Zudem enthält etwa die SIA Norm 118 teilweise Bestimmungen, die in Fachkreisen als unklar oder unpassend beurteilt werden. Deshalb hat sich die Mode eingebürgert, dass jedes Architektur- oder Bauleitungsbüro noch eigene Allgemeine Regeln aufstellt, mit denen von den SIA-Normen abgewichen werden soll. Dies teilweise aus dem berechtigten Anliegen, Widersprüche in den SIA-Normen zu beseitigen oder Lücken zu füllen. Teilweise wird man aber den Verdacht nicht los, dass es den Planern auch darum geht, Verantwortung auf den Unternehmer abzuschieben. Bauherren, die häufig bauen, erstellen ebenfalls regelmässig eigene Allgemeine Bedingungen, die beigefügt werden und schliesslich tun das häufig auch noch die Fachplaner für ihren Bereich.
So findet man in der Praxis häufig ein Potpourri von Dokumenten, die dem Mantel des Vertrages beigefügt werden, die sich widersprechen und in denen jeder etwas findet, das ihm im Einzelfall helfen könnte. Der Autor nennt solche Verträge „Bostich-Verträge“, weil eben mit dem grossen Bostich ein ganzes Sammelsurium von Dokumenten zusammengeheftet wird, das gelten soll. Dass dies eine unbefriedigende Situation ist, braucht wohl nicht näher begründet zu werden.
Soviel zur Beschreibung des Problems, aber wie könnte die Lösung aussehen? Es gibt verschiedene Ansätze:
Planungsstand nachtragen: Es wird nicht zu vermeiden sein, dass sich ein Projekt nach der Ausschreibungsphase weiterentwickelt und dass demnach die Offerten, die eingeholt wurden, ein Stück weit überholt werden. Aber die Vertragsersteller sollten sich vornehmen, im Zuge des Vertragsschlusses das Leistungsverzeichnis und die Pläne auf den aktuellen (gleichen!) Stand zu bringen und dem Unternehmer zur allfälligen Bereinigung der Offerte vorzulegen. Diese – auf das gleiche Datum / den gleichen Planungsstand – aktualisierten Dokumente (Devis, Offerte, Pläne) sollen Grundlage für den Werkvertrag bilden. Änderungen, die danach kommen, sollen mit Nachträgen erfasst werden.
Möglichst wenige Beilagen: Die Unsitte, dass dem Werkvertrag zahlreiche Dokumente beigefügt werden (verschiedene AGB, Korrespondenz, Mails, Vergabeprotokolle etc.), sollte überwunden werden. Abmachungen, die nach der Offertstellung getroffen wurden, sollten in eine revidierte Offerte einfliessen. Allenfalls kann eine Offerte auch handschriftlich abgeändert werden, wenn nur kleine Korrekturen nötig sind. Schliesslich sollte bei den AGB Zurückhaltung geübt werden. Es wäre wohl vermessen, zu postulieren, man möge gänzlich darauf verzichten. Schliesslich gibt es durchaus sinnvolle Anpassungen der SIA-Normen. Aber müssen wirklich die AGB des Architekten und jene des Bauherrn und jene des Fachplaners gelten? Auch wenn man eine Reihenfolge bei Widersprüchen definiert (womöglich in jeden AGB anders!), entstehen unübersichtliche Verhältnisse, weil sich die Frage stellt, welche Bestimmungen den gleichen Inhalt beschlagen (womit dann die Widerspruchsregeln zum Tragen kommen) und inwiefern sich die verschiedenen Bestimmungen ergänzen. Im Einzelfall wird es oft sehr schwierig, herauszudestillieren, was nun für einen konkreten Streitpunkt gilt.
Aufgepasst bei Pauschalierung der Vergütung: Oft wird die Ausschreibung auf der Basis einer Vergütung nach Ausmass erstellt. Im Leistungsverzeichnis finden sich Vorausmasse, die der Planer ermittelt hat. Im Zuge der Vergabe einigen sich die Parteien dann auf eine pauschale Vergütung. Damit gehen die Mengenchance und das Mengenrisiko auf den Unternehmer über. Es wird nicht ausgemessen, d.h., wenn tatsächlich weniger Einheiten verbaut werden, hat der Unternehmer Glück gehabt, er bekommt gleichwohl die ganze Pauschalvergütung. Wird aber mehr verbaut, dann hat er Pech gehabt, er bekommt gleichwohl nur die Pauschalvergütung. Aber die Pauschalvergütung bezieht sich nur auf das Werk, das dem Unternehmer bei der Offertstellung vorgelegt wurde, d.h. auf das dort vorgelegte Devis und die Pläne. Wird das Projekt danach geändert, muss auch die Pauschalvergütung geändert werden. Pauschaliert ist nur die Vergütung mit Bezug ein konkretes Werk, nicht das Werk selber. Geschuldet ist nicht „1 Stück Elektroarbeiten nach Gusto des Bauherrn“ zum Pauschalpreis von X. Geschuldet ist als Gegenleistung für die Pauschalvergütung genau das, was sich aus dem Leistungsverzeichnis und den Ausschreibungsplänen ergibt. Nicht ohne Grund empfiehlt daher die SIA-Norm 118, eine Pauschalpreis-Abrede nur aufgrund von vollständigen und klaren Unterlagen (Pläne, Leistungsverzeichnis etc.) zu treffen.
All jenen juristischen Laien, die häufig Verträge erstellen müssen, sei ans Herz gelegt, doch ab und zu eine Weiterbildung im Bereich der Vertragsgestaltung zu besuchen. Wer unbelastet von Rechtskenntnissen an die Arbeit geht, macht typischerweise mehr Fehler. Das dient niemandem.
Christoph Locher, Fachanwalt Bau- und Immobilienrecht SAV, St. Gallen.