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Vom Raster zum Cluster

Grüne Hügel und einladende Holzbauten sowie Handwerk und Traditionen sind prägende Attribute des Appenzellerlandes. Inmitten dieser weitläufigen Idylle in Teufen stellt die neue Sekundarschule von Raumfindung Architekten eine prägnante Landmarke dar – passt sich dennoch äussert selbstverständlich in die Landschaft und die bestehende Ortsstruktur ein. Dabei überzeugt der farbkräftige Holzelementbau nicht nur architektonisch und städtebaulich, sondern begeistert zudem mit seiner optimal umgesetzten Lernlandschaft. Gleichzeitig verknüpft der Neubau geschickt die unterschiedlichen Nutzungen am Lindenhügel, verbindet dabei Generationen und macht sich die vorhandenen Synergien zum Vorteil.

Die gewachsene Topografie des Lindenhügels wird am Dorfrand Teufens von der Landhaus- und der Zeughausstrasse eingespannt. Diese eingeschlossene Freifläche auf der leicht ansteigenden Parzelle östlich des Sportplatzes wurde bis anhin für eine mögliche Erweiterung des dortigen Alterszentrums frei behalten. Jedoch stand in der Gemeinde neben zusätzlichen Betreuungsplätzen für die ältere Generation die Dringlichkeit einer neuen Sekundarschule im Raum, wofür sich dieses freie Grundstück in Zentrumsnähe als Standort anbot. Die Eröffnung eines zweiten Seniorenwohnheims spielte der Standortwahl dabei massgeblich in die Karten, da sich damit die eventuelle Erweiterung am Lindenhügel erübrigte.
Folglich wurde ein anonymer Projektwettbewerb im offenen Verfahren mit Präqualifikation ausgeschrieben, auf den insgesamt 31 Teilnehmende mit einer Einreichung für den notwendigen Schulbau reagierten. Angelehnt an die traditionellen Bauten des Appenzellerlandes und optimal in die Landschaft und den ortsbaulichen Kontext eingepasst sowie nicht zuletzt durch die bestmöglich geschaffenen Voraussetzungen fürs pädagogische Konzept, konnte das Projekt „Schuelhöckli“ von Raumfindung Architekten überzeugen. Mit seiner schlichten Gestaltung und dem Fokus auf den Rohstoff Holz stellt ihr Neubau nun eine prägnante, aber dennoch selbstverständlich wirkende Landmarke an der Schnittstelle zur Teufender Landwirtschaftszone dar.

Position beziehen
Seit November 2023 positioniert sich nun das neue Sekundarschulhaus als länglicher Baukörper auf dem Lindenhügel, schliesst traufseitig zur Landhausstrasse an und seitens dieser mit einem Vorplatz samt wettergeschütztem Vorbereich. In Richtung der Zeughausstrasse springt die Stirnfassade des Baus zurück, sodass sich zum Dorf hin ein ortstypisches Gebäude mit einer schlanken Giebelfassade und einem eingeschossigen Seitenbau zeigt. Ebenso greifen die Architekten mit dem Schrägdach formal die Silhouetten und gestalterischen Traditionen des Dorfes auf und spiegeln mit der gelungenen Detaillierung in der Fassade gleichzeitig die Präsenz des Handwerks wider.
Gleichermassen eröffnen die Aussenbereiche durch ihre Ausrichtung nach Südwesten einen Dialog mit dem angrenzenden Sportplatz und gewährleisten zudem eine optimale Ausnutzung der Sonneneinstrahlung. Der sonnenseitige, halböffentliche Vorplatz zur Zeughausstrasse hin garantiert zugleich eine Wegverbindung und stellt ein wesentliches Bindeglied zur Parkanlage des Altersheims dar – die durchdachte Landschaftsgestaltung des Pausenhofs lässt hier einen sanften Übergang entstehen. Dabei bieten die Pausenbereiche mit Baumhain und diversen Sitzgelegenheiten sowohl sonnige als auch schattige Aufenthaltsorte sowie vielfältige Zonen für den Austausch und Begegnungen.
Etwas anders wurde der Aussenraum seitens des Sportplatzes ausformuliert, wobei auch hier der Fokus auf eine optimale Anknüpfung wahrzunehmen ist: Mit Treppen in Rorschacher Sandstein schliesst das Schulgelände stirnseitig zum Allwetterplatz an, die Sitzgelegenheiten bieten, als Tribüne genutzt werden können, zugleich Coachingzonen aufnehmen, sehr subtil eine gewisse Abgrenzung zwischen beider Nutzungen schaffen und die Synergie mit dem Retentionsbecken einbeziehen.

Klare Struktur
Die Adjektive subtil und einfach beschreiben dabei das Projekt auch selbst: Der Neubau basiert auf einer simplen Grundstruktur, die Langlebigkeit und Nutzungsneutralität verspricht. Dem rund 70 m langen und in etwa 28 m breiten, dreigeschossigen Bauwerk liegt ein konsequent durchgezogenes Raster zugrunde: Je drei Achsen bilden einen Gebäudeteil aus und folgen dabei einem Achsmeter von ca. 8,60 m, der die Dimensionen der quadratischen Nutzungseinheiten definiert. Die Lastabtragung wird über die tragenden Querwände garantiert und spielt dadurch alle Längswände frei, sodass der Innenraum freier gestaltet werden konnte. Zudem ist die primäre Stabilisierung des Gebäudes über die beiden massiven Treppenkerne gegeben und wird durch weitere quer laufende Wandscheiben zusätzlich ausgesteift. Um das doch enorme Volumen des kompakten Baus optisch zu minimieren, wurden die Obergeschosse übers Eck kubisch ausgeklinkt und die Ansichtsflächen somit wirkungsvoll verkürzt. Gleichzeitig wurden durch dieses Konstruktionsdetail die stirnseitigen Giebelfassaden betont, die dadurch nicht als Nebenseiten des Schulbaus abgeschrieben werden.
Die ehrliche Gebäudegliederung erlaubt zudem das Erahnen der inneren Raumaufteilung: Der Giebel fasst die seitlich angegliederte Aula und die hervortretende Eingangshalle zusammen, und die klare, repetitive Befensterung spiegelt die Anordnung der gerasterten Innenräume wider. Dieses Raster zeichnet sich auch in der Verschränkung des Daches ab, die die einfache Anordnung der inneren, tragenden Querwände geschickt genutzt. Die längsgespannten Dach- und Deckenelemente sind additiv aneinandergereiht und wurden in einem Hohlkastensystem realisiert. Als innere Beplankung dient eine sichtbare, optisch naturbelassene Dreischichtplatte, während die äussere Erscheinung von einer gestrichenen Holzschalung geprägt ist – Holz ist, wie von der Bauherrschaft in der Wettbewerbsauschreibung vorgegeben, innen sowie aussen der prägende Rohstoff. Grund dafür sind die vielen Vorteile des Holzelementbaus, die vom positiven Einfluss auf das Innenraumklima über die angenehme Raumakustik bis hin zu den ökologischen Aspekten für den Schulbau reichen.

In Rot gekleidet
Das vermutlich auffälligste und prägendste Merkmal der Schule ist ihr Aussenkleid, womit sie schon von weitem die Blicke auf sich zieht: Als identitätsstiftende Massnahme sowie zur Stärkung des gemeindeeigenen Forstbetriebs wurde die Fassadenschalung aus Fichtenholz der umliegenden Wälder umgesetzt. Die hierfür benötigten Bäume wurden im Februar 2022 aus dem Teufner Waldgebiet geerntet, zu einer Schalung mit sägeroher Oberfläche verarbeitet, sägeroh belassen und mit einer farbstabilen Schlammfarbe versehen. Das bekannte Schwedenrot wurde dabei bewusst gewählt, um als Komplementärfarbe zum Grün der Umgebung einen Kontrast zu schaffen und den öffentlichen Bau von den mehrheitlich weissen sowie hellgrauen Teufner Wohnhäusern abzuheben. Gleichzeitig reduziert der Farbton optisch die Dimension des Baukörpers, statt diesem mit einer hellen Fassade zusätzliche Grösse zu verleihen. Doch die Fassade steht nicht nur im Kontrast zu deren Umgebung: Mit ihrer Gliederung der Brüstungs- und Fensterbänder lehnt sie sich bewusst an die lokale Bautradition an und nimmt die traditionelle Bauelemente des Appenzellerlandes auf.

Raumwunder
Dieser Gleichförmigkeit der praktisch angeordneten Fenster der Obergeschosse sowie durch die auf den ersten Blick simple Gebäudegeometrie wirkt das plastische, räumlich verschachtelte Raumprogramm im Innenleben entgegen. Dank dem Splitlevel und der Einpassung an die gewachsene Topografie konnte nicht nur eine lichte Raumhöhe von über 3,80 m in der Aula ermöglicht und Tageslicht trotz der namhaften Raumtiefe im Gebäude gewährleistet, sondern vor allem auch ein spannendes Raumgefüge geschaffen werden. Als zentraler Raum im Erdgeschoss kann die grosszügige Aula aufgrund flexibler Raumabtrennungen auf eine Gesamtfläche von über 220 m2 erweitert, ebenso vielseitig zoniert sowie für unterschiedliche Veranstaltungen genutzt werden. Bei abendlichen Veranstaltungen kann der Mehrzwecksaal dabei unabhängig von den Schulgeschossen betrieben werden. Für Schulfeste und grössere Anlässe ist die Längsseite des Saals zudem vollständig zum Aussenraum hin öffenbar und die Mensa samt Kiosk nach Wunsch für Veranstaltungen am Sportplatz verfügbar. Angrenzend an die Aula, zentral und gut auffindbar sind ebenfalls das Lehrerzimmer sowie die Schulleitung neben dem Haupteingang im Erdgeschoss positioniert, die einen direkten Blick auf den Vorplatz seitens der Landhausstrasse haben und die Nähe zum Lehrpersonal gewährleisten.
Von grosser Bedeutung für die Gestaltung des Raumprogramms war an erster Stelle das pädagogische Konzept der Sekundarschule, das auf dem System der kooperativen Schule basiert. Demnach gibt es Stammklassen und zusätzlich verschiedene Niveaugruppen, die in sogenannten Jahrgangsclustern im Grundriss eingefügt sind. Jeder Cluster ist einem Jahrgang gewidmet und nimmt stets zwei Gruppierungen bestehend aus jeweils zwei Klassenzimmern mit einem Gruppenraum sowie einem grosszügigen Begegnungsraum auf. So finden insgesamt zwölf Klassenräume im Neubau Platz und bieten Kapazität für die maximal 300 Schüler.
Durch die versetzte Anordnung dieser Raumgruppen haben die Architekten eine angenehme Lernlandschaft für die Jugendlichen geschaffen, die zum angestrebten pädagogischen Konzept passt und langfristig eine flexible Nutzung zulässt. Die raummittigen Cluster- und Begegnungsräume werden über Dachfenster belichtet und durch einen mehrgeschossigen Lichtraum verbunden, wodurch gleichzeitig spannende Blickwinkel zwischen den Geschossen entstehen. Damit erscheint der gesamte Innenraum relativ offen und vermeintlich zusammenhängend, wobei dank der schallabsorbierenden Platten, die direkt in die Hohlkastenelemente der Decken integriert wurden, selbst bei regem Schulbetrieb eine angenehme Lautstärke gewährleistet ist. Diese wurden roh belassen und unterstreichen mit ihrer Materialehrlichkeit den einfachen Gestaltungswillen sowie den gewünschten Werkstattcharakter des Schulbaus. Unterstrichen wird die einfache Materialwahl vom Patinaschliff des Hartbetonbodens, der dem Holz Lebendigkeit verleiht und die Funktion des Zweckbaus betont.

Frei möbliert
Abseits des Lernkonzepts war ebenso das Thema des Brandschutzes in gewisser Weise formgebend, dessen Konzept auf jeweils zwei Nutzeinheiten im Regelgrundriss basiert. Zwei vertikale Treppenhäuser mit einer Anbindung zum Aussenraum gewährleisten die Fluchtwege, sodass sämtliche Nutzräume und Vorzonen ohne Auflagen möbliert und vielseitig bespielt werden können. Die geschaffenen Lern- und Begegnungslandschaften wurden mit modularen Möbeln in Blaugrautönen ausgestattet, schaffen eine Wohlfühlatmosphäre und lassen vielfältige Nutzung zu. 

Energiegeladen
Architektonisch und gestalterisch verspricht der Neubau eine optimale Lernumgebung: Abgesehen von der Bodenplatte, dem Fundament sowie dem Gebäudesockel und den beiden Treppenkernen wurde das restliche Bauwerk in zeitsparender und vorfabrizierter Holzbauweise erstellt. Die Gebäudehülle wurde aus hochgedämmten Holzelementen konstruiert und die Holzfenster mit einer Isolierverglasung versehen. Der Holzelementbau wurde ortsgerecht mit einer langlebigen, hinterlüfteten Holzfassade eingehüllt und mit einem aussen liegenden Sonnenschutz versehen, der die Innenräume vor sommerlicher Überhitzung und allfälliger Blendung in den Unterrichtsräumen schützt. Die Kombination der Holzelement- mit einer Trockenbauweise konnte letztlich eine kurze Bauzeit garantieren, wodurch der benachbarte Schulbetrieb nur minimal mit Lärmemissionen konfrontiert wurde.
Dank der PV-Anlage am Dach produziert das Gebäude zudem mehr als den benötigten Eigenstromverbrauch. Um diese Anlage ermöglichen zu können, wurde die kammartige Gaubenlandschaft klar in verblechte sowie Zonen mit Solarpaneelen geteilt – Letztere wurde als Indach-Anlage realisiert, die trotz der geringen Dachneigung als Dachhaut zählt. Zudem wurden die Dachaufbauten bewusst mit wechselnden Belichtungsseiten ausgeführt, sodass abwechslungsreiche Belichtungssituationen in den Innenräumen, besonders in den Lichthöfen, entstehen und ausreichend Licht in den tiefen Grundriss gebracht werden konnte.

Von Traditionen und Clustern
Eine Standardlösung sucht man in der neuen Sekundarschule vergebens: Von der optimalen Setzung, den klaren Strukturen, der ausgeklügelten Raumfügung bis hin zu der überlegten Materialwahl wurde ein einmaliges Raumerlebnis geschaffen, das zur unverwechselbaren Identität des Neubaus beiträgt. Traditionen sind in dem massgeschneiderten Ansatz dabei ein zentrales Thema, das nicht nur im Grossen und Ganzen zu erkennen ist, sondern sich ebenso im Detail wiederfindet. So wurden beispielsweise die Türgriffe der Haupttüren als gedrechselte Holzstäbe realisiert und setzen beim Eintreten bereits ein tief verwurzeltes Statement. Letztlich lässt der neue Schulbau trotz allen Normen, Standards und dem vorgegebenen Rahmen des Schulablaufs genügend Raum zur individuellen Entfaltung. Dies garantiert letztlich eine angenehme Lernumgebung und schafft vor allem einen Ort des Austausches – vor, nach und während der Schulstunden. Gleichzeitig markiert der Bau in seiner Gestaltung, die angelehnt an die traditionellen Gebäude des Appenzellerlandes ist, die Schnittstelle zur Landwirtschaftszone in Teufen, agiert dort als ortsbaulicher Vermittler und schafft als Funktionsbau dennoch einen atmosphärischen Ort des Lernens.

©Ladina Bischof

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