„Wohnen ohne Nebenkosten“ – dies ist kein vielversprechender Werbeslogan, sondern in Urdorf die Realität. Das neuste Projekt der Umwelt Arena Schweiz zeigt dort auf, wie viel Komfort sowie Innovation nachhaltiges Bauen bieten und dabei gleichzeitig ein essenzieller Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden kann. Denn dank aktuellster Technologien, einer intelligenten Ressourcennutzung sowie einer smarten Haustechnik müssen die Mietenden dieses Leuchtturmprojekts „Bauen 2050 Urdorf“ hier weder an Wohnqualität noch an Design sparen – sondern erfahren dies lediglich bei den Nebenkosten.
Keine Themen sind momentan aktueller als der sorgsame Umgang mit Energie sowie dessen maximales Einsparungspotenzial – Herausforderungen, denen die Mieter:innen der neuen Wohnüberbauung „Bauen 2050 Urdorf“ gelassen entgegenschauen können. Denn das neuste Leuchtturmprojekt der Stiftung Umwelt Arena Schweiz, welches sie gemeinsam mit Ausstellungspartnern realisiert hat, basiert auf einem CO2-neutralen Gesamtenergiekonzept, das den Bewohnenden unteranderem ein Energieverbrauchsbudget vorgibt, in dessen Rahmen sie Wärme und Haushaltsstrom zum Nulltarif beziehen können.
Grüne Aussicht
Nachhaltiges und zukunftsorientiertes Bauen wird meist leider viel zu schnell der Öko-Schiene zugeschrieben, mit Strohdämmungen, traditionellem Handwerk sowie reduzierter (Haus-)Technik assoziiert und mit dem Holzbau verknüpft. Wie modern, komfortabel und vor allem auch smart eine „grüne“ Architektur in der Massivbauweise sein kann, zeigt die zukunftsweisende Wohnüberbauung Im Kessler in Urdorf auf. Während sich auf den ersten Blick die drei fünfgeschossigen Baukörper als scheinbare Standardgebäude tarnen und von weitem als übliche, moderne Wohnblöcke erscheinen, lassen sich hingegen bereits beim Ankommen die energetischen Besonderheiten des Projekts erahnen. So befinden sich zwischen den Parkbuchten der Besucherparkplätze befahrbare, sehr robuste Fotovoltaikpaneele, die an diesen vermeintlichen Unorten bzw. unbeachteten Flächen wertvolle erneuerbare Energie erzeugen. Zusätzlich zu diesen Paneelen erzeugt die farblich angepasste Fassade des Gebäudes noch mehr grüne Power: Hierfür verstecken sich sowohl hinter der hellgrünen Gebäudehülle, deren Raster sich aus zwei verschiedenen Paneelgrössen zusammensetzt, als auch hinter den weissen Balkonverkleidungen gut getarnt Solarzellen. Mit dieser rundum verlaufenden Fotovoltaikanlage kann selbst auf der Nordseite sowie bei einem flachen Einfallswinkel der Sonnenstrahlen die Kraft der Sonne in Strom gewandelt werden. Die Wirtschaftlichkeit bzw. Effizienz wurde dabei bereits schon bei der Umsetzung der speziellen Gebäudehülle mitgedacht. Anstatt geklebt wird geschraubt; die Architekten entwickelten ein masstolerantes, modulares Montagesystem mit Deckleisten, dieses patentierte System klemmt die Fotovoltaikmodule an die Fassade. Massdifferenzen müssen nicht mit vor Ort eingemessenen Spezial-Fotovoltaikmodulen aufgenommen werden, sondern können vom Montagesystem überbrückt werden. Das ermöglicht eine frühzeitige Bestellung der Fotovoltaikmodule und bildet die Grundlage für einen optimalen Bauablauf und eine preiswerte Realisation. Um letztlich die komplette Aussenfläche der Baukörper sinnvoll zu nutzen, wurde natürlich auch die Dachfläche jedes der drei Häuser ins Energiekonzept mit einbezogen: Ebenfalls erzeugt hier wie auch auf den Dächern der Veloabstellplätze eine Fotovoltaikanlage nachhaltige Energie, sodass schlussendlich beinahe jeder Quadratzentimeter sowie jedmögliche denkbare Fläche des Projekts bestmöglich ins Energiekonzept integriert wurde.
Vier Säulen
Kurz und vereinfacht gesagt, lässt sich das Energiekonzept dieser nachhaltigen Wohnüberbauung auf vier „S“ zusammenfassen, die die energetischen Intentionen und die technischen Rahmenbedingungen des Projekts damit klar abstecken. Demnach stellen das Sammeln, das Sparen und das Speichern von Energie sowie letztlich das sorgsame Verhältnis seitens der Bewohnenden mit den Ressourcen das energetische Grundgerüst der drei Wohnhäuser dar. Dabei spiegelt sich der sorgfältige Umgang mit der Umwelt jedoch nicht nur im CO2-neutralen Gesamtenergiekonzept sowie in der kombinierten Integration der verschiedenen Naturkräfte wider, sondern wird zudem in der Gestaltung des Aussenraums aufgenommen. Die Übergänge sowie Grenzen zu den anderen Grundstücken werden für Kleintiere durchgängig ausgebildet. Unterschiedlichste Kleintiere erhalten ein Zuhause. Die Umgebungsgestaltung schafft dabei mit ihrer natürlichen und unwillkürlichen Optik noch einen schönen Kontrast zu den modernen Baukörpern. Noch mehr Biodiversität auf dem Grundstück gewährleistem eine grosszügige Holzbeige, die als überdimensionales Insektenhotel das grosse Krabbeln, Fliegen, Summen und Brummen fördert, sowie eine Naturwiese in Kombination mit Kiesflächen – ein Landschaftskonzept für Flora und Fauna, das in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Wädenswil umgesetzt wurde.
Starke Kombination
Die Mischung machts – das zeigt sich nicht nur im Aussenraum, sondern auch in der Energiegewinnung. Demnach wurden nicht nur die bekannten Wege zur Erzeugung erneuerbarer Energie genutzt, sondern auch weitere Möglichkeiten ins Gebäude von René Schmid Architekten integriert, um in effizienter Kombination das beabsichtigte CO2-neutrale Energiekonzept garantieren zu können. So wird einerseits die überschüssige Solarenergie der Sommermonate mithilfe einer Power-to-Gas-Anlage in erneuerbares, nicht fossiles Gas umgewandelt und kann während der kalten, sonnenarmen Jahreszeit wieder ins Energienetz der Überbauung eingespeist werden. Andererseits erzeugen bei tiefem Sonnenstand, im Winter, bei Nacht, Schnee sowie auch an regnerischen Tagen, drei windrichtungsunabhängige hybride Wind-Solar-Kleinkraftwerke zusätzliche „grüne“ Energie. Doch damit ist das Energiekonzept noch nicht abgetan: Darüber hinaus wird den Wohnungen im Hochsommer überschüssige Wärme entzogen und im Erdreich für den Winter eingespeichert, womit sie dem internen System und Energiekreislauf erhalten bleibt. „Free Cooling“ heisst dieses einfache Prinzip der Gebäudekühlung, das selbst bei Hitzewellen ein angenehmes Raumklima in den Wohnungen ermöglicht. So wird ungenutzte Wärme aus den Wohnungen für den späteren Gebrauch in fünf Erdsonden in verschiedenen Tiefen eingelagert und steht bei Bedarf jederzeit wieder zur Verfügung. Die Besonderheit dieses Prinzips liegt dabei weniger in der Verwendung von Erdsonden als vielmehr in deren Konstruktion: Verwendet wird hierfür eine spezielle Kombination aus kürzeren Sommer- und längeren Wintersonden, wodurch im Winter eine höhere Effizienz bei der Energiebereitstellung erzielt werden kann. Denn beim Durchdringen der oberen, vorgewärmten Erdschichten weist die Wärme aus den tieferen Wintererdsonden deutlich weniger Verluste auf. Zusätzlich dienen die Baukörper, die als Massivbau umgesetzt wurden, selbst noch als Speichermasse, speichern daher die Wärme besonders gut und geben diese letztlich langsam wieder ab – und erfüllen obendrein auf einfachste Weise die vorgegebenen Brand- und Feuerschutznormen. Um der vermeintlichen Kälte des Sichtbetons entgegenzuwirken, sorgen in den Treppenhäusern zudem Teppichböden für mehr Wohnlichkeit, die zwar ungewöhnlich für Erschliessungsflächen erscheinen, jedoch eine gute Raumakustik gewährleisten, zugleich als Gestaltungselement dienen und einen angenehmen Materialmix schaffen.
Eigenverantwortung
Doch nicht nur im grossen, ganzheitlichen Massstab haben die Planenden ein durchdachtes Energiesystem geschaffen und eine perfekt aufeinander abgestimmte Haustechnik umgesetzt, sondern zugleich auch in den einzelnen Wohneinheiten die Technik ganz auf die Nachhaltigkeit ausgerichtet. Mit der Unterstützung optimaler Hausautomation, des Smart-Home-Systems von ABB sowie diverser Gadgets in der Inneneinrichtung wird somit auch im privaten Rahmen die Nachhaltigkeit als roter Faden im Projekt fortgeführt. Demnach können die Bewohner:innen per App ihren täglichen Energieverbrauchsstand verfolgen, haben somit ihr persönliches Betriebskostenbudget unter Kontrolle und können sich zugleich etwaiges Einsparungspotenzial als Herausforderung nehmen. Im Vordergrund steht jedoch nicht das Aufzeigen von Fehlverhalten, sondern vielmehr die Sensibilisieren der Mietenden hinsichtlich der Energieeffienz, wofür die digitalen Spielereien als Informationstool dienen und durch ihren Spiele-Charakter den Ehrgeiz zum Unterbieten der individuellen Limiten wecken sollen. Wetterbedingt steuerbare Sonnenstoren, energieeffiziente, vernetzte Haushaltsgeräte der höchsten Effizienzklasse sowie eine Dusche mit Wärmerückgewinnung zur Reduzierung des Energieverbrauchs sind dabei ein paar der Stellschrauben im eigenen Energieverbrauch. Eingespart wird zudem in der Raumklimatisierung: In den einzelnen Wohnungen sorgt eine CO2-gesteuerte Komfortlüftung für ein ausgewogenes Klima, die sich bei Bedarf automatisch aktiviert und somit nie unnötig Strom frisst. Obendrein können die Bewohner zusätzlich noch zur Stromproduktion beisteuern, indem sie die energieeffiziente Liftanlage nutzen. Denn die bei den Bremsvorgängen per Rekuperation entstehende Energie wird ins Gebäudenetz zurückgespeist und nicht als verlorene Wärme „verheizt“.
Wohnqualität
Doch nicht nur mit einem guten Raumklima, einer smarten Haustechnik, einer effizienten Energieversorgung sowie einer harmonischen Materialkombination punkten die grosszügigen Wohneinheiten, sondern bieten unter Beachtung all der nachhaltigen Aspekte einen optimalen Wohnkomfort. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistet die stringent durchgezogene Grundrissform der Wohnungen, die jeweils durch die Baukörper der neuen Überbauung gesteckt angeordnet sind. Dank dieser Anordnung profitieren die meisten der insgesamt 39 Wohnungen von zwei gegenüberliegenden Balkonen – jeweils mit einer Süd- sowie einer Nordausrichtung. Dadurch erhalten die 3,5- bis 4,5-Zimmer-Wohnungen nicht nur grosszügig geplante, private Aussenflächen, sondern werden gleichzeitig von einem erhöhten Tageslichtanteil im Inneren aufgewertet. Unterstützt wird die natürliche Ausleuchtung vom hellen Mobiliar – von dem weissen Küchenblock bis hin zum hellen Eichenparkett – sowie von den raumhohen Terrassentüren und -fenstern, die den Übergang zwischen dem Innen- und dem Aussenraum fliessend wirken lassen. Darüber hinaus verfügen alle Wohnungen über eine integrierte Smart-Home-Technologie, mit welcher sämtliche Geräte, Sonnenstoren und -lamellen etc. auch von auswärts gesteuert werden können, was den modernen Charakter der schlichten Wohneinheiten unterstreicht sowie eine zeitgemässe Wohnumgebung garantiert. Eine nette und überaus sinnvolle Spielerei ist hier die sogenannte Goodbye-Taste, mit welcher per Knopfdruck beim Verlassen der Wohnung sämtliche Lichter ausgeschaltet und unnötige Stromkreisläufe unterbrochen werden können. Als Gegenstück zu dieser Funktion gibt es selbstverständlich auch eine Willkommensfunktion, mit der beim Betreten der Wohnung die inaktiven Stromverbraucher wieder eingeschaltet werden können.
Mehr als ein Gewinner
Letztlich profitieren jedoch nicht nur die Mieter:innen von den unzähligen technischen Features und der innovativen Architektur: Während die Bewohner dank der smarten Ausstattung in den Genuss höchster Komfortstandards kommen und dabei zugleich ihr Portemonnaie schonen können, gehen gleichermassen die Investoren sowie insbesondere die Umwelt als Gewinner mit hervor. So können die Anleger bzw. die Vermietenden dank des Zertifikats „Minergie + 3 Gewinner“ deutlich geringere Unterhaltskosten verbuchen und auch die Umwelt aufgrund des nicht vorhanden CO2-Ausstosses „durchatmen“.
Ein Ende als Neuanfang
Unter diesem solidarischen Aspekt soll das smarte Energiebündel „Bauen 2050 Urdorf“ nicht nur Hausbesitzer inspirieren, sondern auch Investoren ökologisches und zukunftsorientiertes Bauen schmackhafter machen sowie Mieter:innen zu einem nachhaltigeren Leben anspornen. Denn bereits mit vermeintlich kleinen alltäglichen Handlungen kann ein jeder einen Beitrag zum verantwortungsbewussten Umgang mit unseren Ressourcen leisten. Einen vertieften Einblick in die ausgereifte Haustechnik und das innovative Gesamtenergiekonzept ermöglicht die begleitende, gleichnamige Ausstellung in der Umwelt-Arena in Spreitenbach, die mit einem Baudokumentarfilm das komplexe Projekt aufarbeitet sowie mit interaktiven Elementen diverse Innovationen rund ums moderne Bauen aufzeigt.
©Beat Bühler
Weitere Informationen zum Bau und der dazugehörigen Ausstellung finden Sie hier.