Natürlich überzeugt

Idylle, Bodenständigkeit sowie Natürlichkeit strahlt der rund 440-Seelen-Ort Münster im Kanton Wallis aus. Im Einklang mit der Natur steht hier ein Ensemble traditioneller und für die Region charakteristischer Blockbauten. Genau in dieses historische Gefüge gliedert sich die neue Berglodge Goms – in scheinbar alter Manier – völlig selbstverständlich ein. Denn Roman Hutter Architektur hat das kompakte Gästehaus ganz nach dem Vorbild der regionalen Bauweise umgesetzt und ein überzeugend natürliches Ambiente geschaffen.

Vom Galenstock im Osten sowie optisch durch das Weisshorn im Westen begrenzt, ziert der kleine Ort Münster die Geleise der Matterhorn-Gotthard-Bahn. Ein immer noch gut erhaltenes Dorfbild heisst Reisende hier willkommen. In unmittelbarer Nähe zum Bahnhof erstrahlt – verraten von der noch hellen Holzfassade – die neu errichtete Berglodge Goms: ein kompaktes, schlichtes Gebäude mit insgesamt dreizehn Gästezimmern, das die friedliche Umgebung in seinem Inneren fortführt und vor allem Sport- und Naturverbundenen eine überzeugend natürliche Atmosphäre bietet. Mit diesem Neubau hat Roman Hutter Architektur es geschafft, einen behutsamen Eingriff im Dorfgefüge zu realisieren und gleichzeitig eine baukulturelle Weiterentwicklung des historischen Bestands umzusetzen.

Tief verwurzelt
Tradition, Natur und vor allem auch Herzblut bilden die zentralen Themen des Bauprojekts: Überzeugt von ihrem Konzept, einen gemeinschaftlichen, harmonischen und authentischen Rückzugsort zu schaffen, wagte die Bauherrschaft als Quereinsteigerin den Schritt in die Hotellerie. Als begeisterte Langläufer und Naturliebhaber hatte das Paar dabei von Beginn an konkrete Vorstellungen und Anforderungen an das Projekt, in dem sich deren Naturverbundenheit und Lebensstil widerspiegeln sollte. Als Direktauftrag wurde der Bau des Berghotels dann in die Hände des einheimischen Architekten Roman Hutter gegeben, der so aktiv zum Erscheinungsbild seines Heimatortes beitragen konnte. Nebst dem Gesamtpaket aus Engagement und Überzeugung kam dabei der Aspekt der Tradition nicht zu kurz: Denn entsprechend der bestehenden Architekturlandschaft setzten die Architekten mit dem neuerrichteten Blockbau in dessen ursprünglicher Form die über Jahrhunderte gewachsene Gommer Holzbaukultur fort. Und wahrten somit eine Architektursprache, die in dieser Region unter dem Schutz des Bundesinventars der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung der Schweiz (ISOS) liegt.

Heute für morgen
Das Konzept der Berglodge wurde bewusst reduziert gestaltet, sodass in weiterer Folge vermehrt ein sanfter Tourismus in die Bergregion einziehen kann. Mit der überschaubaren Zimmeranzahl will man künftig grossem Touristenandrang entgegenwirken und mit der natürlichen Ausstattung sowie der nachhaltigen Ausführung der Herberge naturverbundene Gäste ansprechen. Die Grundlage für die hohen ökologischen Ansprüche wurde dafür bereits in der Planung gelegt: Um eine möglichst lange Lebensdauer des Gebäudes zu garantieren, wurden einheimische Hölzer wie Lärche und Fichte aus dem alpinen Gebirge verwendet, die zugleich dem vorherrschenden rauen Witterungsklima trotzen können. Weiter wurde der Radius des Verarbeitungskreislaufs möglichst klein gehalten – die regionalen Hölzer, die gewählte Sägerei wie auch die beauftragte Holzbaufirma aus dem Ort oder der nächsten Umgebung sorgten für kurze Transportwege und letztendlich ein klimaneutrales Bauprojekt. In diesem Zusammenhang wurde vor allem auch die Materialisierung der einzelnen Bauteile gut überlegt: Somit sind die Blockwände in Fichte ausgeführt, während die den Witterungseinflüssen stärker ausgesetzten Elemente in Lärchenholz umgesetzt wurden. Dadurch konnten nicht nur die Materialkosten optimiert, sondern in weiterer Folge die wertvollen Lärchen-Waldbestände geschont werden. 

Altbewährt
Der Neubau unterscheidet sich dabei nur in wenigen formalen Aspekten von den historischen Blockbauten: Im Gegensatz zu den traditionellen Bestandsbauten ist das Berghotel mit zwei Lauben – anstelle der üblichen einen – versehen, die zu beiden Traufseiten den Zimmern einen eigenen, zusätzlichen Aussenraum bieten und gleichzeitig die Fassade vor dem Wetter schützen. Darüber hinaus setzte Holzbau Weger die Innenwände zweischalig um und entkoppelte somit deren beide Schichten, wodurch die nötigen Standards bezüglich Schallschutz garantiert werden konnten. Weitere Auflager trennen zudem die Holzstösse geschossweise voneinander, um auch in diesen Bereichen unerwünschte Geräuschübertragungen ausschliessen zu können. Ausgeklügelte und heutzutage notwendige Details, denen in den ursprünglichen Wohnhäusern im Blockbau keine Aufmerksamkeit geschenkt werden musste. Wie schon in früheren Zeiten setzte man bei dem Neubau auf Vorfabrikation, die eine rasche Errichtung des Rohbaus ermöglichte. Man blieb der Verarbeitung des Holzes treu, das analog zu den alten Vorbildern unbehandelt verbaut wurde. Somit wird der Ausdruck des Neubaus im Laufe der Zeit ebenfalls vom natürlichen Alterungsprozess des Materials und den Witterungseinflüssen geprägt. Ebenso wurden unverleimte Stützen und Balken verwendet, sodass der natürliche Setzungsvorgang dieser Konstruktionsweise mit Materialzugaben und ausreichenden Toleranzen bereits vorab mitgedacht werden musste.

Klare Struktur
Das Satteldach mit grosszügigem Vordach sowie die Lauben zu beiden Seiten des Holzbaus schirmen diesen vor Witterungseinflüssen ab, während der Neubau von unten her durch einen massiven Betonsockel vor Feuchtigkeit geschützt wird. Die tragende Struktur sowie die Lastabtragung des Gebäudes lassen sich dabei bereits von aussen ablesen und sind von der Massivität der einzelnen Holzträger geprägt. Unterstrichen wird die Kompaktheit der Lodge durch das zentrale Treppenhaus in deren Grundrissmitte, das vom Erdgeschoss bis ins dritte Obergeschoss führt. Sechs in sich geschlossene Raumkammern ordnen sich in den beiden ersten Etagen um die mittige Erschliessung an, die im Dachgeschoss in einem offenen Multifunktionsraum endet. Ein dreizehntes Gästezimmer befindet sich im Erdgeschoss, sodass das Hotel eine barrierefreie Übernachtungsmöglichkeit anbieten kann.

Gute Stube
Eingebettet ist das Gebäude in einen Permakulturgarten, der dank alter Baum- und Pflanzenarten zur Erhaltung der Biodiversität beiträgt. Durch diesen schlängelt sich ein schmaler Weg, der die Besucher von der Oberfeldstrasse hinab zum westseitigen Eingang des Hotels führt. Beim Betreten der Lodge steigt dem Besucher nicht nur der intensive Duft des Holzes entgegen, sondern eröffnet sich vielmehr auch die harmonische Innenraumgestaltung des klassischen Blockbaus. Zur linken Seite begrenzt eine unauffällige Rezeption den Eingangsbereich, während auf der anderen Seite eine helle Lobby samt Sitzgruppe einlädt. Ein historischer Holzofen unterstreicht hier das heimelige Stuben-Feeling: Vom Hafner Christof Roth eingesammelt und restauriert, erstrahlt das alte Schmuckstück nun in neuem Glanz und spendet insbesondere in den kalten Monaten durchgefrorenen Wintersportlern Wärme. Tageslicht, das die warme Atmosphäre des hölzernen Innenausbaus unterstreicht, fällt durch die raumhohen Verglasungen in den kompakten Bau ein und lockert die massiv wirkenden Innenwände aus Fichtenholz auf.

Nette Gesellschaft
Im südlichen Teil des Baus – in Richtung Geleise – führt der Frühstücks- und Aufenthaltsraum die Lobby fort. Dem Wunsch nach einer familiären sowie gemeinschaftlichen Atmosphäre kommt hier der offene Grundriss im Erdgeschoss zugute und lässt den Raum zugleich grosszügiger wirken. Das reduzierte Mobiliar und die zurückhaltende Ausstattung der Räumlichkeiten lenken den Blick auf das Wesentliche – die Materialität und die Natur –, wodurch das heimelige Ambiente zur vollen Geltung kommt. Am Morgen dient hier ein kleiner Tresen samt Kaffeemaschine als Frühstücksbuffet, der über eine Durchreiche mit der Küche verbunden ist. Auch hier sticht der Bezug zum Aussenraum förmlich ins Auge: Eine grosse Glasfront im Gemeinschaftsraum erlaubt Ausblicke über die unverbaute Landschaft des Tals und bietet zugleich einen Zugang auf die vorgelagerte, bekieste Terrasse. Selbst in der Küche gewährleisten raumhohe, verglaste Terrassentüren – eine Seltenheit in solchen Räumen – einen hohen Tageslichtanteil und ermöglichen gleichzeitig eine direkte Verbindung ins Freie.

Guter Ton
Doch nicht nur durch Blickbezüge ist die umgebende Natur in der Berglodge präsent: Das Farbkonzept, ein Zusammenspiel aus dezenten Naturtönen, ist inspiriert von Wald und Wiese und schafft gemeinsam mit den verschiedenen Nuancen der Hölzer ein harmonisches Gesamtbild. Als Farbtupfer überrascht die Gästetoilette mit Fliesen in einem kräftigen Dunkelblau, die sich unter der Treppe im Erdgeschoss versteckt. Der Duft sowie die vom Holz ausgestrahlte Wärme intensivieren dabei die Raumwirkung und lassen den Bau wortwörtlich mit allen Sinnen erleben. Die Wände sind mit Sumpfkalk verputzt, sorgen für ein angenehmes Raumklima und reflektieren sanft das Licht der unauffälligen Lampen. Unter der textilen Bespannung der Decke verbergen sich Akustikpaneele, die eine angenehme Raumakustik gewährleisten. Im Kontrast zu den einfarbigen Flächen steht das kleinteilige, sehr robuste Stirnholzparkett aus Lärche im Essbereich: Als Pendant zu den Pflastersteinen rund um das Gasthaus bildet er mit seinen sichtbaren Jahresringen ein einzigartiges Muster ab.

Rückzugsort
In den Zimmern wird das Spiel mit verschiedenen Farbtönen erneut aufgegriffen. Die jeweils sechs Gästekammern – vier Eck- und zwei eingeschobene Zimmer pro Geschoss – erstrahlen jeweils in unterschiedlichen Farben. Dies spiegelt sich vor allem in den Fliesen des Badezimmers wider, das schwellenlos im Raum eingegliedert ist und durch eine Schiebetür abgetrennt wird. In weiteren Accessoires wie Polstern und Decken wird das Farbthema des Zimmers – ob Altrosa, Lindengrün oder Zitronengelb – ebenso aufgenommen. Ansonsten führt sich das reduzierte Gestaltungskonzept des Berghotels selbst in den Zimmern fort: Ein scheinbar schwebendes Bett, ein hölzerner Spiegel sowie eine versteckte Garderobe und ein kleiner Schreibtisch fassen die gesamte Inneneinrichtung zusammen. Das Konzept der Einfachheit wird dabei bis ins kleinste Detail durchgezogen, sodass auch für die Armaturen des Waschbeckens klassische Zweigriff-Wandarmaturen verwendet wurden. Darüber hinaus hat jedes der Zimmer einen direkten Zugang auf die Laube und bietet somit einen eigenen Aufenthaltsort an der frischen Luft. Noch mehr Komfort erlaubt zudem ein Tageslichtbad, das in manchen Zimmern sogar mit einer Terrassentür auf den Balkon ausgestattet ist. 

Mehr Raum
Hinter zwei Schranktüren im zweiten Obergeschoss versteckt führt die Treppe weiter ins Dachgeschoss. Hier nimmt ein Vielzweckraum die Fläche des gesamten Grundrisses ein, der unter anderem für Yogalektionen oder Seminare Verwendung finden soll. Durch zwei grosse Fenster in der Nord-Süd-Achse des Neubaus gelangt Tageslicht in den multifunktionalen Raum, der von den geneigten Dachflächen und dem sichtbaren Dachstuhl begrenzt wird. Die vier Hauptstützen des Gebäudes teilen dabei die offene Fläche in verschiedene Segmente und schaffen somit einzeln nutzbare Nischen in der obersten Etage. Weitere Nutzungen haben die Architekten im Nebengebäude des Hotels untergebracht: Eine hauseigene Sauna, ein abschliessbarer Veloraum sowie ein Technikraum finden sich in dem kleinen Holzbau, auf dessen Dach zusätzlich eine Fotovoltaikanlage angebracht ist.

Im Ganzen gedacht
Durch das gesamte Konzept der Berglodge Goms ist ein roter Faden bis ins kleinste Detail wahrzunehmen: Angetrieben von der eigenen Leidenschaft und dem baukulturellen Vermächtnis der Region, verschreibt sich dieses Projekt ganz dem Leitsatz „von der Natur zur Natur“. Dieses Motto lässt sich auch im regionalen Handwerk, dem Material und dem Motiv eines ökologischen Betriebs wiederfinden. Zudem bleibt nicht nur das Ortsbild des Walliser Orts Münster mit diesem Neubau in sich stimmig. Denn vielmehr wird auch der Wunsch der Bauherrschaft und des Architekten, die Tradition sowie die Atmosphäre des Bergdorfs aufzunehmen, sanft zu adaptieren und natur- sowie sportbegeisterten Gästen zu vermitteln, in einem gut durchdachten Bauwerk überzeugend natürlich umgesetzt.

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