Entlang der Rheinpromenade ist der repräsentative Hauptbau der Basler Kaserne aus den frühen 1870er-Jahren längst nicht mehr wegzudenken, hat jedoch nach dem Auszug der Hochschule für Gestaltung und Kunst seinen Nutzen verloren. Hingegen eröffnet das restliche Kasernenareal inmitten Kleinbasels einen zentralen, urbanen Treffpunkt und kulturellen Thinktank für verschiedenste Szenen sowie die breite Bevölkerung. Nach achtjähriger Projektierung zieht nun wieder Leben in das Hauptgebäude ein: Hans Focketyn und Miquel del Rio haben das „kHaus“ zum neuen Kultur- und Kreativzentrum mit einer neuen direkten Fussgängerverbindung zwischen dem Kasernenhof und der Rheinpromenade transformiert – hier wird Geschichte zu etwas Neuem gewandelt, zu einer kulturellen Maschine.
Anstelle der ehemaligen Klosteranlage Klingental wurde die rote Basler Kaserne in den Jahren 1860–1863 vom lokalen Architekten Johann Jakob Stehlin erbaut, die diverses Publikum und Programm beherbergte – vom Militär über zahlreiche freie kulturelle und zivilgesellschaftliche Initiativen bis hin zu Schülern. Während sich nach dem Auszug der Armee 1966 das weitläufige Gelände zum beliebten Treffpunkt für kulturelle, religiöse sowie kollektive Institutionen wandelte und nun multifunktionale Musik- und Veranstaltungsräume sowie mehrere Restaurants und Bars beherbergt, blieb der Hauptbau des Geländes vermeintlich in der Zeit stehen. Angesichts seiner Prominenz und des brachliegenden Potenzials in Basel lancierte die Stadt 2013 einen internationalen Wettbewerb für die Wiederbelebung des 9000 m2 grossen Gebäudes. Ohne ein vorher fest vordefiniertes Raumprogramm, aber mit dem Wunsch nach öffentlichem Raum und Pluralität wurde für das nun als „kHaus“ bezeichnete Gebäude eine Neuinterpretation gesucht. Der Siegerentwurf für die umfangreiche Revitalisierung stammte dabei aus der Feder von Hans Focketyn und Miquel del Río von Focketyn del Rio Studio, die dieses Bauvorhaben nutzten, um ein konzeptuelles Projekt im grossen Massstab umzusetzen. Künftig ermöglicht ihre programmatische, vielschichtige Idee die Ansiedlung von diversen kulturellen Nutzungen: Neben Proberäumen, einer Aula für Veranstaltungen, mietbaren Co-Working-Spaces und Projekträumen ergänzen ein Restaurant, eine Skybar im Turm, Büros sowie eine Moschee das Raumprogramm.
Neu vernetzt
Im Rahmen der Sanierungsarbeiten wurde zugleich das Klingentalweglein offener und mit direkter Blickachse zum Rhein gestaltet sowie der flussseitige Vorplatz des Kasernenbaus aufgewertet. Dabei wurde gleichzeitig die von der Bevölkerung geforderte direkte Verbindung zwischen der Rheinpromenade und dem Kasernenhof umgesetzt und die Durchlässigkeit des über 100 m langen Erdgeschosses erhöht. Für Letzteres wurden alle Bestandsfenster im Parterre des Hauptgebäudes gegen Türen ersetzt sowie ein Restaurant angesiedelt, um die Zugänglichkeit und den öffentlichen Faktor des Gebäudes enorm zu steigern. Doch vielmehr als ein öffentliches Erdgeschoss soll der gesamte Hauptbau zum öffentlichen Ort gewandelt und mit das horizontale Bauwerk zum vertikal erlebbaren Ort transformiert werden. Angetrieben werden soll dieser Bewegungsfluss durch das gesamte Bauwerk – von unten nach oben sowie umgekehrt – durch das Café zuoberst im Turm, das mit einer einladenden Dachterrasse sowie einem freien Blick über den Rhein lockt. Stellte das militärische Gebäude früher noch eine Barriere dar, repräsentiert es nun einen offenen und zugänglichen Treffpunkt – eine Schnittstelle zwischen dem Rheinufer und dem belebten Areal der ehemaligen Kaserne.
Verbindung schaffen
Zudem rückt mit der Neudefinierung des Raumprogramms die offene Zirkulation des Hauptgebäudes in den Vordergrund, wofür die Erschliessung allgemein vielmehr als Treffpunkt und Gemeinschaftsfläche Bedeutung gewinnt. Demnach wurden die zwei vertikalen Treppenhäuser rot – analog der Farbgebung der Basler Repräsentationsbauten – gestaltet und zu architektonisch spannenden Räumen ausgebildet. Zudem wurden die jeweiligen Geschosstüren mit Glaselementen versehen, sodass das Gefühl der Offenheit verstärkt und die Öffentlichkeit nicht wortwörtlich vor geschlossenen Türen stehen gelassen wird. Doch nebst der vertikalen Erschliessung nehmen die gespiegelten Treppenhäuser zu beiden Gebäudeenden auch die sicherheits- sowie gebäudetechnischen Funktionen auf. So garantieren deren massive Wände die geforderte Erdbebensicherheit für das historische Gebäude und beherbergen zugleich die notwendige Gebäudetechnik und sichern die Verteilung dieser auf den Stockwerken.
Tiefer liegend
Um die gewünschte Durchlässigkeit und den Bewegungsfluss im Erdgeschoss gewährleisten zu können und den öffentlichen Charakter zu erhöhen, musste eine Lösung für die bis dahin im Parterre untergebrachte Gebäudetechnik gefunden werden. Im Zuge der Sanierung wurde diese nun in das Untergeschoss verlegt, wo die zentrale Energieversorgung des gesamten Areals bereitgestellt und verteilt wird. Daneben findet der komplett in Schwarz gestaltete Tanzraum Platz, der von aussen separat zugänglich ist und dadurch separiert von den Technikräumen bleibt. Um die für Proben und Aufnahmen geforderte Raumhöhe von 4 m umsetzen zu können, musste der Boden um 90 cm abgegraben werden und wird auf drei Seiten von einer Tribüne umrahmt. Ausgekleidet ist der Tanzraum mit einer dunklen, polierten sowie geölten Mehrschichtplatte und zeigt erneut, wie durch die durchdachte Kombination relativ günstiger und einfacher Materialien ein hochwertiges Interieur geschaffen werden kann.
Offen für alle
Den Mittelpunkt des neuen „kHauses“, eines Gebäude verschiedenster Möglichkeiten, präsentiert – architektonisch sowie gesellschaftlich – neuerdings die dreistöckige Plaza: Sie gewährleistet einerseits den von der Bevölkerung geforderten Durchgang zwischen Rheinpromenade und Kasernenplatz und bietet anderseits einen Ort zum Verweilen, Diskutieren und Zuhören. Mit einer Höhe von über 13 m bietet diese öffentliche Vielzweckfläche das ganze Jahr über diversen Aktivitäten Platz. Die einzige Konstante stellt hier die skulpturale Treppe dar, die zugleich als Erschliessung und Mobiliar fungiert. Analog zur unveränderten Aussenhülle zeigt sich die Plaza nach spanischem Vorbild in einem gedeckten Rotton, der durch pigmentierten und geschliffenen Sichtbeton realisiert wurde. Dabei fliessen im Innenraum der Boden und die Wände auf Niveau des Flusses sowie die Treppe wie aus einem Guss ineinander über und erzeugen eine schier endlose Kontinuität. Im oberen Bereich wird die rote Fläche unterbrochen, und der dezente Farbton wechselt in einen naturweissen Waschputz, der den Wandflächen ein leichtes Schimmern verleiht. Von oben her leuchten drei grosse, selbst designte Leuchter aus schlichten Metallstäben den öffentlichen Raum aus und runden die beeindruckende Atmosphäre des grosszügigen, luftigen Innenraums aus. Dieser „Airballon“ verkörpert dabei voll und ganz die Definition der Architekten „Function follows form“, wonach bewusst ein überdimensionaler Luftraum gestaltet wurde, um einen qualitativeren, öffentlichen Raum zu schaffen und diesem wortwörtlich genug Luft zum Atmen zu geben.
Mehr ist mehr
Rund um das Herz des „kHauses“ prägen Pluralität und Vielseitigkeit das Innere: Somit findet auf den insgesamt fünf Stockwerken des 109 m langen Baus ein bunt gemischtes Programm Platz, das von Kunst- und Probestudios, einer Abfolge multifunktionaler Räume über gastronomische Betriebe bis hin zu einer Moschee reicht. Durch diese Ansammlung von unterschiedlichen Nutzungen entsteht eine programmatische Komplexität, wobei jeder Bereich seinen eigenen Charakter, seine eigenen Farben und Klänge sowie letztlich sein eigenes Potenzial entfalten kann – und das alles unter einem Dach. Hierfür haben die Architekten teilweise das Standardverständnis von begrenzten Räumen aufgehoben, sodass diese unter anderem zu Korridoren und umgekehrt werden konnten und sich demnach die Skalierbarkeit und Flexibilität des Innenraums enorm erhöhte. Während diese Polytypologie der Räume diese noch anpassungsfähiger und zukunftsfähiger werden lässt sowie die Funktionalität enorm steigert, wurden die strukturellen Elemente des Hauptgebäudes zum grössten Teil beibehalten. Besonders zeigt sich dieser Prozess im obersten Stock, der für freie Arbeitsplätze reserviert ist und als Co-Working-Space geplant wurde. Die Möblierung dieser Fläche stammt aus der Feder des Studios Banana, das sich vielmehr für die Kuration als das Design des Inventars verantwortlich fühlte und hierfür auf ein Konzept des Austausches und der Interaktion baute. So wird keine der eingemieteten Organisationen einen abgetrennten Raum haben, denn die rund 130 Arbeitsplätze werden gemeinsam genutzt. Dabei stehen den Mietenden drei verschiedene Modelle zur Verfügung: Eine bestimmte Anzahl an Arbeitsplätzen können sie fix mieten, andere Plätze kann man gemischt nutzten, und dann gibt es noch Angebote für selten anwesende Personen.
Starke Performance
Eigenständiger und kompakter als die freien Multifunktionszonen in den oberen Stockwerken zeigt sich hingegen der zweistöckige Veranstaltungs- und Performanceraum, der direkt über der Plaza die restliche Gebäudehöhe ausfüllt. Auch farblich hebt sich der Saal klar vom restlichen Gestaltungskonzept ab: Schwarzbraune Holzpaneele, deren Lamellenstruktur für eine optimale Akustik sorgen, zieren hier die Wände und werden von einem ebenso dunklen Parkettboden ergänzt. Wie auch im restlichen Gebäude bekommt hier die Multifunktionalität und Flexibilität eine zentrale Bedeutung, was sich beispielsweise in den mobilen Akustikpaneelen zeigt, die zugleich zur Abdunklung des Saals genutzt werden können und den Raum somit für unterschiedlichste Nutzungen anpassen lassen. Dabei trifft hier im Saal neuste Technik auf den historischen Bestand: Auf das Wesentlichste reduziert, fügt sich die Licht- und Tontechnik in die sichtbare Deckenstruktur ein, die zugleich die statisch erforderlichen Massnahmen offenlegt. Um die beiden überhöhten Räume – die Plaza und den Veranstaltungssaal – umsetzen zu können, mussten vorgespannte Unterzüge eingezogen und die Türrahmen betoniert werden.
Gut getarnt
Der Umgang mit alten und neuen Elementen wird dabei im gesamten Haus gleichermassen ersichtlich: Hierfür dient der Bestand stets als Inspirationsquelle, wird somit als Vorbild für die neuen additiven Elemente genutzt, sodass diese den historischen Vorgängern ähneln, aber bewusst und sublim eine Transformation in die Gegenwart erhalten. Als bestes Beispiel zeigen die ersetzten Fenster dieses Vorgehen, die durch bedachte Kombination einzelner Details von den historischen Fensterelementen kaum zu unterscheiden sind – und dennoch aus aktuellen, serienmässigen Konfigurationen bestehen. Hinsichtlich der Decke wurde der Bestand vollständig unberührt belassen und durch eine neue Verkleidung verdeckt, die dank angefügter, vertikaler Paneele für optimale Raumakustik und eine angenehme Lichtverteilung in den schier endlos langen Multifunktionsflächen dient. Durch diese respektvollen Sanierungsmassnahmen kann der Originalzustand jederzeit wiederhergestellt und der historische Bestand nun gleichzeitig geschützt werden. Doch auch am Boden wurde der originalen Erscheinung Wert gezollt: Der bestehende dunkle Bodenbelag wurde ebenso wieder als schwarzer Gussasphalt umgesetzt, der in geschliffener Bearbeitung den Innenräumen des ersten Geschosses seine bisherige Optik wiedergibt. Sein wahres Gesicht darf künftig auch der Boden im zweiten Stock zeigen, wofür direkt im Bereich der offenen Treppe ein Stück des roten originalen Sandsteinfussbodens belassen wurde, und der sich vom erneuerten Belag abhebt. Doch auch weitere Zeitzeugen wurden beibehalten: So zeugt die alte Schuluhr im Flur von der vorherigen Nutzung und bildet als Teil der Historie einen Anker in der weiterführenden Geschichte des „kHauses“.
Wandel der Zeit
Die Umwandlung des bestehenden Gebäudes in ein neues Kulturzentrum ist gleichzeitig zu einem beispielhaften Projekt für zirkuläre Architektur und Nachnutzung geworden: Das vor 150 Jahren als Kaserne errichtete Gebäude wurde nun zu einem neuen öffentlichen Knotenpunkt im Herzen von Basel gewandelt, das die Türen für die Öffentlichkeit öffnet, statt diese zu versperren. Mit der Umgestaltung des Basler Kasernenhauptbaus haben Focketyn del Río Studio einen kulturellen Leuchtturm inmitten von Kleinbasel geschaffen, der Vielfalt und Flexibilität verspricht. Gemäss der Rolle eines Filmregisseurs, der die flüssige Aneinanderreihung einzelner Sequenzen hin zum durchlaufenden Film koordiniert, haben die beiden Basler Architekten es geschafft, unterschiedliche Programme gekonnt und reibungslos unter einem Dach zusammenzufassen. Dabei wird das Potenzial des umfangreichen Projekts gezeigt, den historischen Geist sowie die Identität des Gebäudes aufzunehmen, beizubehalten und künftig weiterzuerzählen – mit dem Ergebnis einer facettenreichen Kultur- und Zeitmaschine.
©Adrià Goula