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Im Wald baden

Neuen Badespass und entspannte Momente garantiert das neue Hallenbad mit Sauna- und Wellnessangebot im Zentrum von Appenzell. Vor rund 50 Jahren in Betrieb genommen, musste das ehemalige Bad aus sicherheitstechnischen Gründen eingestellt werden und erstrahlt nach seiner Neuerrichtung seit Juni 2022 in schlichter Eleganz. Der Ersatzneubau aus der Feder von Peter Moor Architekten begeistert dabei nicht nur mit seinen hohen ortsbaulichen, architektonischen sowie betrieblichen Qualitäten, sondern erfreut die Badegäste mit einem ausgeglichenen Erlebnis von Licht, Luft und Landschaft.

Fröhliches Lachen, spritzendes Wasser und der typisch dominante Duft von Chlor – bis 2014 gehörte buntes Treiben, Spiel, Spass und sportliche Aktivität zum täglichen Programm des Hallenbads an der Appenzeller Sitterstrasse. Bis letztlich aus sicherheitstechnischen Gründen der Betrieb der in die Jahre gekommenen Badestätte vor acht Jahren eingestellt werden musste und somit der Freizeitspass aus dem öffentlichen Gebäude verschwand. Doch anstelle einer aufwendigen, kostenintensiven Sanierung sprach sich die Hallenbad Appenzell AG für einen Ersatzneubau aus, für welchen sie bereits vor zehn Jahren einen Studienauftrag durchführen liess. Um gleichzeitig nicht mit den Planungskosten über die Stränge zu schlagen und die Bevölkerung miteinzubeziehen, durften die Stimmberechtigten über das bauliche Ausmass mitbestimmen und entschieden sich letztlich für Hallenbad mit zusätzlichem Saunaangebot. Im anonymen, selektiven Verfahren konnte schliesslich das Projekt „Equilibre“ des Zürcher Büros Peter Moor im Projektwettbewerb überzeugen und sich gegen die weiteren elf eingereichten Projekte durchsetzen. Sie formulierten ein, im Volumen ähnlich zum Vorgängerbau, überaus schlichtes und elegantes Gebäude aus, das vor allem mit dem gewählten Rohstoff Holz ein Erlebnis von der Optik über die Haptik bis hin zur Olfaktorik bietet. Somit schliesst der Neubau nach rund zweijähriger Bauzeit die entstandene (Bau-)Lücke an der Sitterstrasse als auch der örtlichen Infrastruktur und stellt dabei das Gleichgewicht zwischen Natur und Siedlung, Zurückhaltung und Präsenz sowie Tradition und Moderne her.

Erster Eindruck
Neben dem ansprechenden und natürlichen Design überzeugte der Gewinnerentwurf insbesondere mit seinen hohen ortsbaulichen, architektonischen Qualitäten, die sich den Hallenbadbesuchern vor allem durch einmalige Blickbezüge in die umliegende Landschaft offenbaren. Zugleich wird das innovative und nachhaltige Konzept des Projekts durch den Einbezug des Aussenraums gestärkt. Letzteres umfasst die Offenlegung des durch das Grundstück fliessenden Küechlimoosbaches, der überdies mit einer Kneippstation aufgewertet wurde, sowie die Gestaltung einer kleinen Grünfläche rund um den Hotpot im Aussenbereich. Im Rahmen der Aussenraumgestaltung wurden selbst die Veloabstellplätze dem Design des Hallenbades angepasst und demnach ebenfalls in ein holzverkleidetes Volumen ostseitig vor dem Eingang integriert. Dieser rechteckige Bau kündigt künftig in schlichtem, aber dennoch einmaligem Design schon von weitem das neue Hallenbad an. Inspiriert von Bretterbeigen, trägt hier die Fassadenlattung ihren Teil dazu bei: Abwechselnd stapeln sich sägerohe Zwischenbretter und gehobelte, leicht hervorstehende Bretter, die im Gesamten betrachtet die Beschriftung „Hallenbad Appenzell“ darstellen. Neu präsentiert sich auch der Parkplatz, der im Rahmen der Bauarbeiten terrassiert angelegt wurde, sich nun besser in die leicht abfallende Landschaft einpasst und zudem mit neu gepflanzten Bäumen und eingefügten Grünflächen aufgewertet wurde.

Rundum gedacht
Doch im Zentrum dieses neu gestalteten Aussenraums steht eindeutig das hölzerne Hallenbad, dessen niedriges Volumen sich überaus subtil und selbstverständlich in die bestehende Siedlung einpasst. Ausgehend vom zentralen Gebäudekern aus Beton, spannen die Holzträger eine an ein Windrad erinnernde Form auf, die ebenjene schon erwähnten differenzierten Aussenräume entstehen lässt und eine klare Struktur gemäss den vier Himmelsrichtungen vorgibt. Im Norden findet sich die kompakt organisierte Parkierung wieder, im Osten ist der zentrale Haupteingang angesiedelt und im Süden das Schwimmbecken samt Aussenterrasse verortet, wo sich der Neubau durch Fensterfronten zum Landschaftsraum hin öffnet und eine Blickachse zum gegenüberliegenden Kindergarten schafft. Doch nicht nur formal geht das Projekt auf den umliegenden Bestand ein, sondern greift insbesondere durch die Umsetzung als Holzbau die baukulturellen Traditionen des Appenzell auf, dabei hat Letzterer mit viel Feingefühl eine moderne Note erhalten. So hüllt ein schlichtes Kleid aus Fichtenholz den kubischen Bau ein, wobei gehobelte Friese die sägerohen Täfer umrahmen. Durch die unterschiedliche Bearbeitung strukturieren die heller wirkenden vertikalen Friese gleichzeitig die Gebäudehülle und betonen deren Höhe. Als Gegenpol dazu gliedern der durchgehende Betonsockel als Fundament sowie ein waagrecht dazu verlaufender Fries in etwa 2,5 m über dem Erdboden die Fassade horizontal und machen die innen liegende Geschossteilung somit auch von aussen ablesbar. Während dieser geschosshohe Teil auf der Ostseite – bis auf zwei Sitzfenster neben dem Eingang – komplett geschlossen ist, ist dieser nordseitig mit raumhohen Sonnenschutzgläsern bei den Föhnstationen versehen sowie gegenüberliegend, in Richtung Süden, erneut mit Sitznischen in den Fensterelementen ausgestattet und erlaubt westseitig einen Blick in Richtung Dorf. Gerade vom Hauptbecken aus ermöglichen die südseitigen Verglasungen einen einmaligen Blick auf die umliegenden Bergketten, stellen Blickbezüge zu den Nachbarbauten her und lassen dabei einen enormen Tageslichtanteil in die Schwimmhalle fallen. Bewusst hervorgehoben wird der Materialunterschied zwischen Holz und Glas zugleich durch die anthrazitfarbenen Fensterrahmen, die einen dezenten Farbkontrast innerhalb der grossflächigen, hellen Fassade setzen.

Gut getragen
Die Gebäudehülle – eine hinterlüftete Holzlattung – präsentiert sich als ausserordentlich und genaue Handwerksleistung und bleibt dabei nicht die einzige: Die ebenfalls in Holz ausgeführte Tragwerkskonstruktion bildet sich aus schlanken Zwillingsträgern, die auf Paarstützen ruhen. Im Aussenraum werden sie zum fassadenprägenden Element, während sie als sichtbare Elemente im Innenraum die dezente Beleuchtung in ihrer Geometrie integriert haben. Zusätzlich zu den Leuchtröhren werden in dem Tragwerk sämtliche weitere wichtige (Elektro-)Installationen auf einfache Weise geführt sowie notwendige schallabsorbierende Elemente untergebracht. Im Werk vorab hergestellt, mussten Träger und Stützen auf der Baustelle lediglich auf statisch einfache Weise unsichtbar zu einem Rahmen zusammengefügt werden. Die darauf ruhenden 12–14 cm starken Holzplatten wurden entlang der Längsfugen biege- und schubfest zu einer Deckenscheibe verbunden und die Rahmen sowie die Deckenscheibe an den massiven Betonkern angeschlossen und sorgen so gemeinsam für ein stabiles Gebäude. Gleichzeitig ermöglichen die überkragenden Träger das rundum ausladende Vordach, das sowohl die Fassade vor Witterungseinflüssen als gleichzeitig auch als Beschattungselement den Bau vor Überhitzung im Sommer schützt. Den Schnittpunkt der Träger bildet im Zentrum des Gebäudes der massive Betonkern aus, der neben den vertikalen Haupterschliessungswegen und Liftanlagen das schwere Kaltwasserbecken und die Erlebnisduschen des Wellnessbereichs im Obergeschoss beherbergt. Und auch hier, in der starken Mitte des Gebäudes, wird erneut das handwerkliche Geschick der jeweiligen Gewerke sichtbar, das sich einerseits in der überaus sauber ausgeführten Sichtbetonschalung zeigt und andererseits an der exakten Einhaltung der Toleranzen der unterschiedlichen Bauweisen an der dortigen Stosskante.

Gut organisiert
Neben dem durchdachten Tragwerkssystem und der geschickten handwerklichen Ausführung punktet das Projekt „Equilibre“ mit seiner guten betrieblichen Organisation. Dank der ans Windrad angelehnten Grundrissform, ausgehend vom massiven Kern in der Mitte, entstehen separierte und klar definierte Nutzungsgruppen, die klug aneinandergereiht wurden und somit möglichst kurze Wege sowie eine übersichtliche Raumabfolge gewährleisten. Demzufolge reihen sich ausgehend vom zweigeschossigen Eingangsbereich mit edler Holztheke die aufeinanderfolgenden unterschiedlichen Zonen sinngemäss gegen den Uhrzeigersinn an: Vom beinahe gebäudehohen Entrée aus führt ein gedrungener, schmal geschnittener Korridor in den Föhnbereich, der den Garderobenbereich zur nordseitigen Aussenwand abschliesst. Über die innen liegenden, vierzeiligen Garderoben werden die Badegäste zuerst an den Duschen, deren hellbeiger Spachtelbelag den Holzfarbton imitiert, und Toiletten vorbei zum Westflügel des Nassbereichs mit dem Hub- sowie Mehrzweckbecken und dem Kinderplanschbecken geführt. Von dort aus ist auch der Zugang zum Aussenbereich und zu der kleinen Gartenanlage mit Kneippbereich möglich. Daneben eröffnet sich das 25 m lange Schwimmbecken, das sich beinahe entlang der gesamten Gebäudesüdseite zieht und zum Bahnenziehen einlädt.

Zur Ruhe kommen
Separiert vom öffentlichen Bad, befindet sich der Wellnessbereich im Obergeschoss des West- und Nordflügels des Neubaus, wodurch mehr Ruhe und Privatsphäre gewährleistet wird. Ausblicke ohne Einblicke erlaubt in der ersten Etage eine versetzte Ausführung der innen liegenden Holzverkleidung: Durch die entstandenen schmalen Lücken können die Wellnessgäste einen Blick zum Schwimmbecken erhaschen, wobei deren Intimsphäre gleichzeitig weiterhin gewährt werden kann. Der Aufgang in den Erwachsenenbereich befindet sich sowohl im innen liegenden Treppenhaus, das gleich neben der Kasse nach oben führt, als auch etwas versteckt zwischen dem 25-m-Becken und dem Mehrzweckbecken. Ausgestattet ist der Rückzugsort des neuen Bads mit zwei Massageräumen für externe Dienstleister, einem abgeschotteten Kalt- und Warmwasserbereich mit Erlebnisduschen, zwei Saunen verschiedener Temperatur, einem Dampfbad sowie mit zwei Ruheräumen und einer grosszügigen, strassenabgewandten Aussenterrasse. Hier ist dank der gläsernen Brüstungen eine freie Sicht auf die Umgebung garantiert und lässt dadurch den Aussenbereich förmlich mit der Landschaft ineinanderfliessen. Um den Aufenthalt im Aussenbereich auch während starker Sonneneinstrahlung angenehm zu gestalten, wurden automatische Sonnenstoren zwischen den Zwillingsträgern ins Vordach integriert.

Starkes Konzept
Bei all dieser Reduzierung im Mobiliar und der schlichten, zurückhaltenden Gestaltung des gesamten Gebäudes rückt das umfassend ausgearbeitete Haustechnikkonzept (leider) viel zu sehr in den Hintergrund. Klar getrennt ist dieses im Untergeschoss des Hallenbads untergebracht und über einen Hintereingang vom Parkplatz her direkt erschlossen. In enger Zusammenarbeit mit den Fachplanern wurde dessen Organisation möglichst kompakt gehalten und zweckmässig ausgeführt. Neben der Technikzentrale finden im unterirdischen Geschoss zudem die Personalräume und die Werkstatt ihren Platz und sind darüber hinaus so angeordnet, dass eine natürliche Belichtung gewährleistet werden kann. Auch im Erdgeschoss ist die Technik kaum wahrzunehmen: Die effiziente, kontrollierte Lüftung wurde unauffällig in die innen liegende Holzverkleidung integriert und schützt den Holzbau vor der Feuchtigkeit.

Materialmix
Denn unausweichlich steht das Holz im Zentrum des Projekts und zieht sich als roter Faden vom Exterieur bis hin zum Interieur durch. Um das einheitliche Bild des Holzbaus bis ins Detail zu wahren, wurden selbst die Garderobenkästen im Erdgeschoss mit Holzfurnieren versehen sowie eigens für das Projekt die hölzernen Sitzmöbel entworfen. Das Design der Liegen, Hocker und Garderobenbänke spielt dabei auf die Konstruktion des Gebäudes an, wurde in Ahorn umgesetzt und rundet das individuelle Gesamtbild des Neubaus ab. Weiters spielt das Holz selbst  im ausgewählten Kunst-am-Bau-Projekt das zentrale Thema: So schraubt sich ein silberner Holzstamm vermeintlich durch die Westwand des Treppenhauses und wird an bestimmten Stellen teilweise sichtbar – neben dem Bademeisterbüro oder auch im Treppenaufgang. Die beiden Kunstwerke „Es gibt keinen Baum“ von Christian Meier sowie die an der Natur inspirierten Klangvisualisierungen von Roswitha Gobbo holen somit wortwörtlich die Landschaft ins Gebäude. Einen Gegenpol zum hellen Naturmaterial stellt hingegen der dunkle Gussasphalt dar, der fast im gesamten Gebäude den Boden ausbildet und wiederum farblich eine Verbindung zum Sichtbetonkern schafft. Die Inspiration für diesen Boden, der einerseits die geforderte Rutschfestigkeit erlaubt, andererseits auch den Ansprüchen hinsichtlich der Reinigung gerecht wird, holten sich die Architekten vom Hallenbad in Dornbirn. Um die Individualität des Holzbaus weiters zu betonen, haben die Architekten mit viel Liebe zum Detail noch eigens für das Schwimmbad die Uhren entworfen, die in unterschiedlichen Grössen im gesamten Gebäude zu finden sind.

In Balance
Das Feingefühl und die Liebe zum Detail gepaart mit Authentizität und hohen Qualitätsansprüchen machen die Stärken des Hallenbads der etwas anderen Art aus: Von der ortsbaulichen Eingliederung bis hin zur Materialisierung fällt „Equilibre“ ins Auge und besticht mit seinen architektonischen sowie atmosphärischen Besonderheiten. Während die friedliche Umgebung des Appenzell durch die bedacht gesetzten Fensteröffnungen ins Innere geholt wird, verstärkt die dominante Präsenz des Holzes das Gefühl, im Wald zu baden. Vom dezenten Holzduft bis hin zur Haptik strahlt der moderne Bau eine enorme Wärme aus und gewährleistet bereits beim Betreten des öffentlichen Gebäudes eine ausgesprochene Behaglichkeit – eine Sinnlichkeit, die dem feinen Zusammenspiel von Licht, Luft, Landschaft und Materialität zuzuschreiben ist. Somit vereint das einmalige Hallenbad den Trend des Holzbaus und des Waldbadens im übertragenen Sinn.

© Roger Frei

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