„Unsere Bauten und der gestaltete Raum werden uns überleben.“ (Pascal Marx) – In unserem Format Vis-à-Vis sprechen Schweizer Architektinnen und Architekten über die verschiedenen Gesichtspunkte ihres Berufs und beantworten Fragen zu ihrer Idee von Schönheit und der Rolle, die sie in der Gesellschaft einnehmen.
Welche Aufgaben beschäftigen Sie gerade?
Wir arbeiten hauptsächlich in zwei unterschiedlichen massstäblichen Ebenen: an ortsbaulichen Planungen sowie an kleinmassstäblichen Um- und Neubauten. Einer davon ist ein Projekt frei stehender Hotelsuiten in Süddeutschland, das wir zusammen mit MMXVI aus Biel bei einem eingeladenen Wettbewerb für uns entscheiden konnten. Bereits dieses Jahr sollen zwei dieser Suiten umgesetzt werden.
Welches architektonische Werk hat Sie kürzlich begeistert?
Ich bewundere die Arbeiten der Denkstatt Sàrl. Die Begeisterung für diese richtet sich dabei vielmehr auf deren prozesshaften und gesellschaftspolitischen Aspekt als ausschliesslich auf deren Architektonik. Sie stossen Prozesse an, welche die Teilnehmenden befähigen, räumliche und soziale Entwicklungen im weiteren Sinne zu beeinflussen. Ihre gelungenen Projekte, die vor allem die Inwertsetzung von Gebieten, Objekten, Räumen und Ressourcen zum Thema haben, imponieren mir.
Inwiefern unterstützen oder behindern neuartige Materialien die Architektursprache?
Sie stehen für das Neue – vielleicht Technologische – und erschaffen einen anderen, bisher noch unbekannten Ausdruck. Dass diese Tatsache irritieren kann, verstehe ich, führe die Irritation aber auf die fehlende Erfahrung der Betrachtenden zurück. Demnach behindern meiner Meinung nach neuartige Materialien die Architektursprache nicht, sofern sie richtig eingesetzt werden. Zudem können neuartige Materialien und Verarbeitungsprozesse auch für historische Objekte dienlich sein. Zum Beispiel können mittels 3D-Druckverfahren Fensterbeschläge für Altbauten, die es auf dem Markt nicht mehr zu kaufen gibt, serienmässig nachgebaut werden.
Haben Sie eine Idee von Schönheit?
Schönheit ist ein subjektives Empfinden, weshalb sie nicht, oder nur schwierig, verhandelbar ist. Sie ist ein Zustand, der sich einstellt, meist unbewusst. Sobald man sie zu ergründen versucht, verliert sie ihre Naivität und ihren Charme.
Wann wird ein Gebäude zu Architektur?
Reine Kapitalanlagen, zu welchen Gebäude in den letzten Jahren allzu oft verkommen sind, haben nichts mit Architektur zu tun. Ein Objekt wird zu Architektur, wenn es sich auf den umliegenden Raum bezieht, ihn begrenzt, sich daran beteiligt und eine gestalterische Absicht ausdrückt. Die Gesellschaft besitzt ein allgemeingültiges Verständnis von Gestaltung, an dem sich die Architektur bedienen kann. Jedes Gebäude sollte mit dem Anspruch gebaut werden, Architektur zu sein.
Welche Tugenden sollte ein Architekt erfüllen?
ArchitektInnen benötigen ein Bewusstsein über die Verantwortung, welche die Gestaltung des Raumes mit sich bringt. Nicht nur im Jetzt, sondern – und vor allem – in der Zukunft. Wir müssen nicht den Anspruch haben, für die Ewigkeit zu bauen, aber allemal für die Lebensdauer der verwendeten Materialien. Denn unsere Bauten und der von uns gestaltete Raum werden uns überleben.
Welche Rolle spielt der Architekt in der Gesellschaft?
Wir sind vom Lebensraum, in dem wir uns aufhalten, beeinflusst. Unser Verhalten, unsere Stimmung, unsere Emotionen passen wir ständig der Umgebung an. Kirchenräume sind gute Beispiele dafür, tollt man vor der Kirche vielleicht noch rum, ist die Stimmung beim Betreten sofort ruhig. Im besten Fall schaffen auch banale Räume, wie z.B. Bushaltestellen, ähnlich klare Atmosphären. ArchitektInnen haben die schöne Aufgabe, aber auch die gesellschaftliche Verpflichtung, den Lebensraum angemessen und qualitätsvoll mitzugestalten. Klar sind sie nicht allein dafür verantwortlich, aber ArchitektInnen verfügen über ein Verständnis der vielseitigen Zusammenhänge. Diese Fähigkeit macht sie neben dem Gestalter auch zum Vermittler und Verwalter.
Welche Rolle sollte heute die Politik gegenüber der Architektur spielen?
Die Politik bestimmt die Wertediskussion. Sie hat die Möglichkeit, die Prioritäten der Werte zu verschieben. Heute dominieren der monetäre Wert sowie die Diskussionen in der Politik wie auch in der Gesellschaft. Baukulturelle Werte haben mit der Erklärung von Davos an Präsenz gewonnen. Mit dem daraus folgenden Bewertungssystem wurde ein Werkzeug erstellt, um Architektur in baukulturellen Aspekten zu vergleichen. Mit diesem Instrument erhalten Politiker zugleich schlagkräftige Argumente, um sich für eine hohe Baukultur einzusetzen.
Kann Architektur die Welt verbessern?
Architektur gestaltet die Kulturlandschaft, in der wir leben. Sie hilft der Gesellschaft, sich mit der Umwelt und der Geschichte auseinanderzusetzen. Zumindest in ideologischer Sicht sollte sie die Welt stets verbessern. Und wenn durch Architektur qualitätsvolle Lebensräume und Identität erschaffen werden, kann sie auch lokal und direkt die Welt verbessern.
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