“Als Architekt kann man viele Rollen spielen.” (Malte Kloes) – In unserem Format Vis-à-Vis sprechen Schweizer Architektinnen und Architekten über die verschiedenen Gesichtspunkte ihres Berufs und beantworten Fragen zu ihrer Idee von Schönheit und der Rolle, die sie in der Gesellschaft einnehmen.
Welche Aufgaben beschäftigen Sie gerade?
Aktuell arbeiten wir an einer Reihe sehr unterschiedlicher Projekte. Wir planen einen Werkhof für das Tiefbauamt des Kantons Zürich, ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung, sowie ein grosses Werkstattgebäude für die Genossenschaft Borna in Rothrist und in Kürze einen Schulneubau in Basel Binningen. Parallel arbeiten wir an verschiedenen Studien und Wettbewerben.Die Vielfalt der Aufgaben, mit denen wir uns beschäftigen können, empfinde ich als grosses Privileg. Sie eröffnet uns Einblicke in unterschiedlichste Alltagsrealitäten und stellt uns ständig vor neue, kreative Herausforderungen.
Welches architektonische Werk hat Sie kürzlich begeistert?
Ich hatte im vergangenen Jahr die Gelegenheit, eine ganze Reihe eindrücklicher und inspirierender Gebäude zu besuchen. In Mexiko konnte ich mich mit dem Werk von Luis Barragán vertraut machen. In Rom stand ich zum ersten Mal im touristenleeren Petersdom. In der Schweiz bin ich zu Zumthors Kapelle in Sumvitgd gewandert und habe spannende Führungen durch gerade fertig gestellte Neubauten in Basel und Zürich bekommen. Ich beschäftige mich viel mit den Werken anderer Architekten und freue mich täglich über die Vielfältigkeit in dieser Disziplin.
Inwiefern unterstützen oder behindern neuartige Materialien die Architektursprache?
Aktuell scheint mir vielmehr die Besinnung auf traditionelle und einfache Baustoffe Einfluss auf die Architektursprache zu nehmen. Neben Lehm oder Einsteinmauerwerk denke ich da vor allem an Holz: Die Entwicklung neuer Produkte macht den nachwachsenden Baustoff heute für viele Aufgaben interessant, die vorher ausschliesslich Stahl oder Beton vorbehalten waren. Auch begünstigt durch die allgegenwärtige Nachhaltigkeitsdebatte ist Holzbau in den letzten Jahren zu einem präsenten Thema im Architekturdiskurs geworden. Der Einsatz traditioneller Materialien im Rahmen aktueller Aufgabenstellungen führt automatisch auch zur Suche nach neuen Ausdrucksformen und formalen Potenzialen.
Haben Sie eine Idee von Schönheit?
Meine Beurteilung von dem, was ich schön finde, ist dynamisch und äusserst relativ. Ich kann Dinge in bestimmten Zusammenhängen als ausserordentlich schön empfinden, die in einem anderen Kontext, an einem anderen Ort oder zu einem anderen Zeitpunkt überhaupt keine Wirkung auf mich gehabt hätten. Entsprechend hat Schönheit für mich etwas zutiefst situatives und ephemeres. Zugleich glaube ich aber auch an fundamentale Grundprinzipien der Schönheit – an Proportionen und Verhältnisse, die universell und kontextungebunden existieren, sich beschreiben, herleiten und anwenden lassen.
Wann wird ein Gebäude zu Architektur?
Architektur beginnt nicht ab einem gewissen Budget und hört nicht am Rande der Stadt auf. Deshalb finde ich diese Kategorisierung wenig zielführend.
Die Materie, mit der wir Architekten arbeiten, ist immer die physische Umwelt in ihrer Ganzheit. Wenn man, wie wir, viel
in der Agglomeration baut, kann man es sich nicht erlauben, scheinbar zufällig entstandenen Situationen mit pikiertem Blick zu begegnen. Nur wenn wir uns der Umwelt gesamthaft, in ihrer Unvollkommenheit und mit all ihren Zwischentönen annehmen, können wir ihr wertvolle Beiträge hin-
zufügen.
Welche Tugenden sollte ein Architekt erfüllen?
Neugier und Unvoreingenommenheit. Neugier ist ein kraftvoller Motor, der es einem ermöglicht, jeder Aufgabe aufgeschlossen und lustvoll entgegenzutreten. Unvoreingenommenheit bewahrt vor schnellen Schlüssen und ist eine gute Voraussetzung für das Entwickeln spezifischer Lösungen.
Welche Rolle spielt der Architekt in der Gesellschaft?
Es gibt nicht die eine Rolle des Architekten. Dafür sind die Möglichkeiten in diesem Berufsfeld heute zu facettenreich. Architekten sind vielseitig einsetzbare Generalisten. Man findet sie in den unterschiedlichsten Bereichen und Funktionen. Das ist ein schöner Aspekt dieses Berufs: Als Architekt kann man viele Rollen spielen.
Welche Rolle sollte heute die Politik gegenüber der Architektur spielen?
Sie sollte lenken, ohne zu diktieren – Rahmen abstecken, ohne zu beengen und ermöglichen ohne zu erzwingen.
Kann Architektur die Welt verbessern?
Davon bin ich fest überzeugt. Die Verantwortung dafür, dass solche Architektur entsteht, liegt allerdings nicht allein bei den Architekten. Gute Architektur benötigt den kollektiven Effort einer Vielzahl versierter und weitsichtiger Akteure.
Weitere Informationen zu dem Zürcher Architekturbüro finden Sie hier.
