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Im Gespräch mit MACH Architekten

“Architektur ist nichts Elitäres, sondern ein Lebensraum für alle Menschen” (MACH Architekten) – In unserem Format Vis-à-Vis sprechen Schweizer Architektinnen und Architekten über die verschiedenen Gesichtspunkte ihres Berufs und beantworten Fragen zu ihrer Idee von Schönheit und der Rolle, die sie in der Gesellschaft einnehmen.

Welche Aufgaben beschäftigen Sie gerade?
Wie ein Virus eine Gesellschaft verändert. Unsere Arbeitsprozesse sind sehr auf persönlichen Kontakt, Workshops, Modelle und Muster ausgelegt. Die auferlegten Einschränkungen konnten wir nutzen, um diese Prozesse zu hinterfragen, neu aufzugleisen und sogar effizienter zu strukturieren. Wie wir intern mit dieser Situation umgegangen sind, so gehen natürlich auch unsere Kunden und deren Kundschaft mit der Situation um. Es sind räumlich neue Modelle gefragt, und wir glauben, dies wird in Retail, Büro und Hospitality sowie auch bei jeder Person zu Hause kurz- und langfristig zu Veränderungen führen. Beschäftigen tut uns jedoch nicht nur, wie wir räumlich mit der momentanen Situation umgehen, gefordert sind wir auch im sozialen Bereich; wie stellen wir sicher, dass wir unsere Mitarbeiter unterstützen, und wo können wir das tun, damit wir alle gut durch diese fordernde Zeit kommen.

Welches architektonische Werk hat Sie kürzlich begeistert?
Architektur begeistert uns in erster Linie, wenn wir sie betreten und 1:1 erleben. Das letzte Mal geschah dies in Kalifornien im Haus von Ray und Charles Eames: Eine sauber in die Landschaft integrierte, schlichte Komposition aus zwei Körpern, welche Aussenräume schaffen und diese auch gleich integrieren. Entstanden in einer Zeit des Aufbruchs, nach dem Krieg auf der Suche nach neuen, erschwinglichen Wohnformen und Produkten. Jener Zeitgeist ist in diesem Haus spürbar, auch wenn es schon knapp über siebzig Jahre alt ist. Ein anderes architektonisches Werk, welches immer wieder begeistert, ist das Freibad Letzi von Max Frisch. Ein städtebaulich, landschaftsarchitektonisch und architektonisches Gesamtwerk, ein Ort der Ruhe und Entschleunigung. Heute ist dieser Ort noch relevanter als bisher. 

 

Inwiefern unterstützen oder behindern neuartige Materialien die Architektursprache?

Neuartige Materialien sind immer eine Chance, die Architektursprache zu erweitern, besonders wenn sie neue Eigenschaften mitbringen. Heute ist es nebst den Materialien auch die Art und Weise, wie alte Materialien bearbeitet werden können, also neue Technologien für alte Materialien. Jedenfalls sollte man als Architekt konstant die Augen und Ohren offen behalten für solche Innovationen. Neue Materialien eröffnen neue gestalterische und funktionale Möglichkeiten. Wir hinterfragen deren Nutzen jedoch stetig, um uns nicht dazu verleiten zu lassen, etwas zu machen, nur weil es technisch möglich ist. 

Haben Sie eine Idee von Schönheit?
Ja, wir glauben an die klassische Schönheit. Diese besteht aus einer guten Proportion, einer authentischen Materialität und aus einer harmonischen Komposition von Farbe, Oberflächen und Licht. Wir sind konstant auf der Suche nach der Schönheit und wissen, dass man sie erst dann sieht, wenn sie erschaffen wurde und nicht schon, wenn man sie erdacht hat. Der Begriff Schönheit ist etwas Subjektives, aber Schönheit existiert in ganz unterschiedlichen Erscheinungen und Objekten. Oftmals, wenn wir Architektur oder Objekte besonders schön finden, können wir dies nicht rational erklären, aber wenn man sich sehr davon angesprochen fühlt, dann weiss man, dass dafür die Schönheit verantwortlich ist.

Wann wird ein Gebäude zu Architektur?
Architektur ist nichts Elitäres, sondern ein Lebensraum für alle Menschen. Darum sind alle Gebäude Architektur, einige besser, andere schlechter. Gute Architektur ist ein Gesamtkunstwerk, ein Zusammenspiel zwischen Raum, Licht, Material, Farbe und Funktion. Sie kann das Leben inszenieren. Architektur ist wertfrei. Wie schon beim Thema Schönheit erwähnt, ist deren Empfinden sehr unterschiedlich. Gerade die Vielfalt und die Polarität von Architektur kann bereichernd sein. Architektur in ihrem Kontext kann die eigene Wahrnehmung und das Empfinden eines Gebäudes beeinflussen – „schlechte“ Architektur ist dann unter Umständen gar nicht so schlecht und umgekehrt.

Welche Tugenden sollte ein Architekt erfüllen?
Er soll stets den Wunsch verspüren, etwas Kleines zu verbessern und den Drang haben, etwas Grosses zu schaffen. Er soll sich für die Baukultur einsetzen und die Ressourcen überlegt sowie nachhaltig einsetzen. Zudem soll er immer den Nutzer im Hinterkopf haben und stets einen Massstab in der Hand. Architekten sind massgebend. Ein Architekt baut fast nie oder höchst selten für sich, sondern für Bauherren und im erweiterten Sinne für die Gesellschaft. Unsere Tätigkeit hat einen Einfluss auf den Alltag vieler Menschen. Ein Architekt sollte seine Überzeugungen durchaus stark vertreten, aber nie aus Eigennutz oder gar Narzissmus, sondern immer für die Gemeinschaft.

Welche Rolle spielt der Architekt in der Gesellschaft?
Er gestaltet das Zusammenleben der Menschen, indem er Begegnungsräume schafft und diese in eine Vielfalt von Stimmungen hüllt. Vom Kindergarten über Mittel- zu  Hochschulen, von Büros, Sportanlagen und Spitälern bis zu Pflegeheimen begleitet uns die Architektur ein Leben lang und prägt damit unsere Kultur täglich und strukturell.

Welche Rolle sollte heute die Politik gegenüber der Architektur spielen?
Die Politik sollte die gesellschaftlichen Ziele definieren und die Rahmenbedingungen für die Architekten schaffen, um diese Ziele zu erreichen. Dies sollte weniger durch Vorschriften und Normen geschehen als vielmehr durch Visionen und Träume. In der Politik sollten sich auch Architekten für grosse Ziele einsetzen.

Kann Architektur die Welt verbessern?
Architektur ist die erweiterte Hülle der Menschen. Ob Menschen die Welt damit verbessern, sei aus umwelttechnischen Überlegungen einmal in Frage gestellt. Die Architektur kann sicherlich das Umfeld einzelner Personen oder Gesellschaften verbessern, und solange dies nachhaltig geschieht, sicherlich auch die Welt. Es sollte zumindest ein Anspruch sein, mit Architektur einen positiven Beitrag für eine bessere Welt zu leisten. Oft gelingt dies auch, einige Projekte hinterfragt man später jedoch auch kritisch und ist vielleicht nicht mehr sicher, ob diese die Welt verbessert haben. Diese kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Wirken ist jedoch wichtig, um die Weichen in der Architektur jeweils etwas neu zu stellen.

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