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Im Gespräch mit HHF Architekten

„Man kann keine Architektur machen, wenn man in den entscheidenden Momenten nicht am Tisch sitzt.“ (HHF Architekten) – In unserem Format Vis-à-Vis sprechen Schweizer Architektinnen und Architekten über die verschiedenen Gesichtspunkte ihres Berufs und beantworten Fragen zu ihrer Idee von Schönheit und der Rolle, die sie in der Gesellschaft einnehmen.

Welche Aufgaben beschäftigen Sie gerade?
Sehr viele: von ganz klein bis ganz gross und an verschiedensten Orten auf dem Globus. Zum Beispiel das Schweizer Konsulat in Chicago, eine Wohnüberbauung mit Schule in Liestal, eine Testplanung in Bern und eine Siedlung in Renens – oder ein ganzes Quartier im Hafen von Strasburg. Am längsten beschäftigt uns aber ein Wohnhaus in einem Innenhof in Basel. Seit sieben Jahren suchen wir einen Weg, um die Einsprachen auszuräumen. Alle sind für Dichte, bloss nicht vor der eigenen Tür.

Welches architektonische Werk hat Sie kürzlich begeistert?
Die Villa von Otto Kolb in Wermatswil. Das kreisförmige Gebäude hat uns total begeistert. Der Besuch bei seiner Witwe war sehr anregend, und das Gebäude hat mit vielem zu tun, woran wir im Moment arbeiten. Das inspiriert uns sehr für das Schweizer Generalkonsulat, das wir im 37. Stock im Hancock Tower in Chicago umsetzen dürfen. Zudem sind wir drei viel unterwegs, und auf unseren Reisen treffen wir immer wieder auf spannende Gebäude. Das ist einer der Vorteile, wenn man an internationalen Instituten unterrichtet.

Inwiefern unterstützen oder behindern neuartige Materialien die Architektursprache?
Wir sind nicht auf das Material fixiert. Wir arbeiten mit dem, was gerade opportun ist. Da sind wir pragmatisch und schauen, was der Ort und die Tradition hergeben. Natürlich hätten wir Lust, mit Material zu experimentieren, wie zum Beispiel mit einem durchsichtigen Dämmstoff. Aber wir haben nur wenige Fetische. Die Qualität eines Hauses darf nicht vom Material abhängen, und es war bei uns bisher noch bei keinem Projekt das wichtigste Entwurfselement.

Haben Sie eine Idee von Schönheit?
Wir drei sind ziemlich unterschiedliche Charaktere. Wir versuchen immer neu zu verhandeln, was wir schön finden. Doch der Begriff der Schönheit spielt in unseren Entwürfen meist keine wesentliche Rolle. Ganz im Gegenteil: Wir finden, er verkürzt die komplexe Diskussion um Architektur. Es gibt für uns keine absoluten Schönheitsbilder, und oft scheint banal, was uns gefällt: Ordnungen, die eine Ruhe ausstrahlen oder eine Grundsymmetrie. Es gibt gewiss Dinge, die der Mensch als schön wahrnimmt. Aber uns interessiert mehr das jeweilige Bild, an dem wir gerade arbeiten, unddas ist immer abhängig vom Kontext.

Wann wird ein Gebäude zu Architektur?
Uns gefällt der Architekturbegriff, wie wir ihn bei Bernard Rudofsky in seinem Buch „Architecture Without Architects“ verstehen: Architektur liegt dann vor, wenn man die Kultur einer Gesellschaft anhand von etwas Gebautem ablesen kann.

Welche Tugenden sollte ein Architekt erfüllen?
Mit dem Begriff der Tugend tun wir uns schwer. Das tönt nach zugeschriebenen Charaktereigenschaften, Offiziersschule und gesellschaftlichem Schliff. Wenn Hochschulen diese Idee des Architekten befördern, dann besteht die Gefahr, dass zuvorderst eine erfolgreiche Eingliederung in die Strukturen der Bauwirtschaft steht. Doch so einfach ist es nicht. Ein Architekt muss fähig sein, die Komplexität des Bauens zu verstehen, auf den Kontext einzugehen, Entwicklungen vorwegzunehmen. Zudem muss man ebenso eine Vision entwickeln können, wie man auch fähig sein muss, diese umzusetzen. Es ist ein Gleichgewicht gefragt zwischen visionärem Geist und Pragmatismus.

Welche Rolle spielt der Architekt in der Gesellschaft?
Im besten Fall ist der Beruf des Architekten frei – wie der des Anwalts und des Arztes. Der Beruf ist nicht geschützt, und er hat eine hohe Kompetenzgewalt. Damit geht ein ganz wichtiges Rollenverständnis einher: Der Architekt setzt sich frei von Mikro-Anweisungen für die Anliegen seines Mandanten ein. Die Schweiz war bisher sehr gut damit gefahren, denn in diesem Verständnis passen der Grad an Freiheit und Verantwortung zueinander. Das müssen wir verteidigen. Zudem ist Architektur immer politisch, da sie im öffentlichen Raum entsteht. Man kann sich in der Diskussion um sie nicht zurückziehen wie einst in den bürgerlichen Salons. Ganz im Gegenteil: Man muss sie immer wieder neu verhandeln, kommunizieren und dafür sensibilisieren. Wir drei nehmen das wahr, indem wir uns ausserhalb des Büros in Fachverbänden, Jurys und in der Lehre engagieren.

Welche Rolle sollte heute die Politik gegenüber der Architektur spielen?
Wir haben die Erwartung, dass die Rahmenbedingungen der besonderen Rolle der Architekten gerecht werden. Man kann keine Architektur machen, wenn man in den entscheidenden Momenten nicht am Tisch sitzt. Die Politik versucht, vieles über Regelungen und Weisungen zu organisieren, doch das führt nur zu Checklisten und abstrakten Automatismen. Wir machen die Erfahrung, dass die Architektur besser wird, wenn die Organisationsform auf das Projekt zugeschnitten ist und wenn man dann auch auf diese Projektorganisation vertraut. Je niedriger die Stufe ist, auf der die Kompetenzen zugesprochen werden, desto besser wird das Resultat. Das wünschen wir uns von der Politik.

Kann Architektur die Welt verbessern?
Absolut, und das muss sie auch. Aber die Frage scheint uns ein wenig plakativ zu sein. So wie sich ein Biologe hoffentlich als Schützer für die Artenvielfalt sieht, so sehen wir auch den Architekten als Bewahrer der typologischen Vielfalt.

HHF Architekten wurde 2003 in Basel gegründet. Eine globale Orientierung zeichnet die drei Gründer aus: bezüglich persönlichen Interessen ebenso wie hinsichtlich ihrer akademischen und beruflichen Erfahrungen.

hhf.ch

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