Im Gespräch mit Daniel Miesch

„Was brauchen wir, um glücklich zu sein, und auf was können wir verzichten?“ (Daniel Miesch) – In unserem Format Vis-à-Vis sprechen Schweizer Architektinnen und Architekten über die verschiedenen Gesichtspunkte ihres Berufs und beantworten Fragen zu ihrer Idee von Schönheit und der Rolle, die sie in der Gesellschaft einnehmen.

Welche Aufgaben beschäftigen Sie gerade?
Zurzeit bin ich daran, eine Umnutzung eines Gebäudes zu prüfen. Dabei geht es um einen möglichst ökologischen und schonenden Umbau. Da dies im laufenden Betrieb stattfinden wird, ist der Eingriff möglichst klein zu halten. Daher planen wir, Abbruchteile entweder selbst wieder zu verwerten oder diese einer Wiederverwendung zuzuführen. Ebenfalls stellt sich mir die Aufgabe einer Objektplanung, in welcher die  Bauherrschaft eine Konstruktion mit Vollholz und Mondholz wünscht. Dass ich ein solches Bauvorhaben begleiten darf, freut mich als Baubiologe insbesondere sehr – zudem hat sich unser Büro auf die Fahne geschrieben, auf nachhaltige Architektur zu setzen. Ausserdem leite ich seit geraumer Zeit eine Arbeitsgruppe, die dazu dient, die Mitarbeiter für Nachhaltigkeitsthemen zu sensibilisieren. Wir versuchen mit entsprechenden Arbeitshilfen den Arbeitskollegen den Einstieg in dieses vielschichtige und komplexe Thema zu erleichtern. 

Welches architektonische Werk hat Sie kürzlich begeistert?
Das Bürogebäude der Küng Holzbau AG in Alpnach hat meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da dieses komplett aus Holz ist und ganz ohne Leim auskommt. Oder auch der Alnatura-Hauptsitz in Darmstadt, wo mutige Lösungen umgesetzt und damit gezeigt wurde, dass es einen Willen und Weg gibt, Klimaneutralität im Bauwesen zu erreichen. 

Inwiefern unterstützen oder behindern neuartige Materialien die Architektursprache?
Wenn ich neuartige Materialien sehe, welche mit viel Aufwand produziert wurden, frage ich mich oft, ob es nicht einfacher gehen könnte. Wir bauen heute wegen vieler Ansprüche und Vorschriften mittlerweile sehr komplizierte Gebäude. Doch braucht es immer noch mehr „neuartige“ Materialien und weitere Schichten? Ich denke, dass wir uns mit dieser Entwicklung irgendwann selber im Weg stehen. Daher bin ich davon überzeugt, dass die „alten“ Materialien wie Lehm, Stroh und Holz weiterhin bewährte und gesunde Baustoffe sind. Wenn wir diese Materialien mit der heutigen Bautechnik neu interpretieren, dann unterstützen sie die Architektursprache in einer Weise, wodurch die Gebäude eine positive Botschaft vermitteln.  

Haben Sie eine Idee von Schönheit?
Schönheit wurde bereits mehrfach zu definieren versucht – beispielsweise durch proportionale Teilung, Symmetrie und Regelmässgkeit. Mich sprechen Gebäude an, welche eine Fassade mit fraktaler Regelmässigkeit aufweisen. Ein gutes Beispiel ist für mich der Tamedia-Bau in Zürich, welcher auch im Innern mit einer schönen, sprichwörtlich runden Holzkonstruktion aufwartet.  

Wann wird ein Gebäude zu Architektur?
Für mich als Baubiologe ist es nicht nur die Gestaltung von Raum, sondern die Erfüllung von folgenden drei Dingen: die Anpassung der gebauten Struktur an die Bedürfnisse der Nutzung – insbesondere durch gesunde Bauweisen –, die Gestaltung einer schönen Form und nicht zuletzt auch der Einbezug der Nachhaltigkeitsthematik. 

Welche Tugenden sollte ein Architekt erfüllen?
Da kann ich nur für mich sprechen, denn jeder sollte dies für sich selbst entscheiden. Meine Architekturstärken liegen sicherlich darin, eine positive Zukunftsvision zu haben, und in der Liebe zum Detail. Ich strebe nach einfachen Lösungen, die ehrlich und nachvollziehbar sind. Dafür brauche ich die nötige Bescheidenheit und Ausdauer. 

Welche Rolle spielt der Architekt in der Gesellschaft?
Ich finde, dass er eine entscheidende Rolle als Gestalter unseres Lebensraumes übernimmt.  Alles, was nicht naturbelassen ist, wurde ja schliesslich durch den Menschen verändert – dabei hat unter anderem der Architekt einen grossen Anteil daran. Er ist also ein Schöpfer der gestalteten Welt, und damit trägt er eine grosse Verantwortung. Wenn er etwas Schönes oder Grosses kreiert (oder auch etwas Negatives), dann beeinflusst er damit auch die Gesellschaft. Diese ist unmittelbar davon beeinflusst, sei das nun im Positiven wie auch im Negativen.   

Welche Rolle sollte heute die Politik gegenüber der Architektur spielen?
Ich wünsche mir von der Politik, dass die Vorschriften der Baugesetzgebung wieder unkomplizierter werden und somit wieder einfacher gebaut werden kann. Wir müssen meiner Meinung nach wieder zurück zu einfacheren Bauweisen. Hier ist allerdings nicht nur die Politik gefordert, sondern jeder Einzelne von uns. Wir sollten uns vermehrt die Frage stellen: Was brauchen wir, um glücklich zu sein, und auf was können wir verzichten?   

Kann Architektur die Welt verbessern?
Ich bin überzeugt davon, dass gute, nachhaltige und ehrliche Architektur die Nutzer:innen der Gebäude und somit die Welt positiv beeinflussen kann.

Weitere Informationen zu dem Büro finden Sie hier.

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