Im Gespräch mit Alma Maki

“Architektur ist mehr als reine Zweckmässigkeit und ein Renditeversprechen.” (Alma Maki) – In unserem Format Vis-à-Vis sprechen Schweizer Architektinnen und Architekten über die verschiedenen Gesichtspunkte ihres Berufs und beantworten Fragen zu ihrer Idee von Schönheit und der Rolle, die sie in der Gesellschaft einnehmen.

Welche Aufgaben beschäftigen Sie gerade?
Wir planen eine Grundschule für eine Stiftung im Park und bauen ausserdem ein Provisorium für diese Grundschule, welches ab dem Sommer die erste Schulklasse beherbergen soll. Anders als es sein Name vorgibt, wird es anschliessend weiterverwendet werden. Weiterhin arbeiten wir an einem Wohnhaus in Basel sowie mehreren Umbauten. Zudem beschäftigen wir uns an der Hochschule Konstanz in diesem Semester zum einen mit Lückenfüllern, d. h. mit der Nachverdichtung der Stadt. Ein anderes Semester beschäftigt sich hingegen mit dem Umbau von Hochbunkern in Mannheim – leer stehende Gebäude inmitten der Stadt. Ausserdem haben wir gerade einen Workshop geleitet, der die Campusmitte der Hochschule in einem partizipativen Prozess umgestalten soll. Der Ort soll biodiverser wie sozialer werden und die Fakultäten nach aussen repräsentieren. 

Welches architektonische Werk hat Sie kürzlich begeistert?
Begeistert hat uns letztens ein Haus aus den 1960er-Jahren, welches wir gerade umbauen. Es steht in einer Siedlung aus kleinen, sorgsam gestalteten und gut funktionierenden Reihenhäusern im Baurecht. Der private Raum ist minimiert, dafür gibt es sehr qualitätsvolle, gemeinschaftliche Aussenanlagen. Da die Leitungen des Hauses gut zugänglich und somit anpassbar sind, gestaltet sich der Umbau sehr einfach. Einbauten wurden so ausgeführt, dass sie, ohne Schaden an der angrenzenden Bausubstanz anzurichten, rückbaubar sind. Anscheinend hat man in den 1960er-Jahren den möglichen Umbau bereits mitgedacht. Hier konnten wir einiges von der Vergangenheit lernen.

Inwiefern unterstützen oder behindern neuartige Materialien die Architektursprache?
Wirklich neuartige Materialien sind im Bauwesen ja eher eine Seltenheit. In der Regel sehen wir Produktanpassungen, Weiterentwicklungen oder auch Wiederentdeckungen uralter Baustoffe und Techniken. Darin liegen sicherlich noch viele Potenziale, die positive Effekte auf das Bauwesen haben können. Unserer Meinung nach kann man hier aber nicht von Unterstützung oder Behinderung einer Architektursprache reden, da das Material diese Sprache im besten Fall kreiert, wenn man es entsprechend einsetzt. 

Haben Sie eine Idee  von Schönheit?
Für uns liegt die Schönheit in einer aufrichtigen Erscheinung. Sie ist tiefgründig, hat eine Ruhe und Dichte. Letztendlich gibt es aber keine allgemeine Definition, Schönheit ist ein komplexer Begriff und dabei äusserst individuell. Deshalb versuchen wir, zumindest in der Lehre, den Begriff der Schönheit zu vermeiden und positive und überzeugende Eigenschaften eines Entwurfs präziser und wertneutraler auszudrücken. Dann wird auch deutlich, dass Schönheit nur eines von vielen Kriterien ist, welches ein Gebäude erfüllen kann. 

Wann wird ein Gebäude zu Architektur?
Wenn es ein übergeordnetes Konzept gibt, eine Intention. Das kann z. B. eine gestalterische, eine funktionale oder auch soziale Idee sein, die umgesetzt wird, im besten Fall eine stimmige Kombination mehrerer solcher Aspekte. Architektur ist sorgfältig geplant, spricht unsere Sinne an und leistet mehr als reine Zweckmässigkeit und ein Renditeversprechen.

Welche Tugenden sollte ein Architekt erfüllen?
Wir erachten als hilfreich, wenn Architekten und Architektinnen Details, aber auch die grossen Zusammenhänge sehen können. Wenn sie den Menschen wertschätzen, da sie für diesen Häuser bauen. Wenn sie über Hartnäckigkeit, Optimismus und Gestaltungswillen verfügen, aber auch gut zuhören und kommunizieren können und sich ergebnisoffen auf Bauaufgaben einlassen. Ausserdem sollten sie teamfähig sein, denn Architektur kann Identifikation schaffen, wenn sie als Gemeinschaftsprojekt vieler Beteiligter mit unterschiedlichen Aufgaben und Stärken begriffen wird.

Welche Rolle spielt der Architekt in der Gesellschaft?
Leider fast keine. Die Architektin übrigens auch nicht. Nein, Spass beiseite. Tatsächlich scheinen sich die Architekturschaffenden immer weiter aus der Gesellschaft zurückgezogen zu haben. War der Beruf früher sehr anerkannt und von zentraler Bedeutung, scheint der Einfluss trotz der immer komplexer werdenden Aufgaben stetig geringer geworden zu sein. Immer wieder wird die Architekturleistung als zu teuer oder verzichtbar verhandelt. Auch treten Architekten ausserhalb ihrer Profession leider recht wenig in Erscheinung. Dennoch geht es bei der Architektur um eine grundlegende Aufgabe, die alle betrifft. Architektur bestimmt indirekt die Gesellschaft mit. In der Pädagogik spricht man vom Raum als dritter Erzieher. D. h. wir haben keine direkte einflussnehmende Rolle, aber dennoch Einfluss, da wir mit jedem unserer Gebäude Gesellschaft mitgestalten. 

Welche Rolle sollte heute die Politik gegenüber der Architektur spielen?
Grundsätzlich kann man das nicht voneinander trennen, denn „die Politik“ sind in der Demokratie grundsätzlich wir alle. So werden die Rahmenbedingungen geregelt, die gleichzeitig Freiräume enthalten sollten. Uns drängt sich immer mehr die Frage auf, ob die Architekturschaffenden nicht eine wichtigere Rolle in der Politik spielen sollten, um die Rahmenbedingungen aktiv mitzugestalten. Max Bill z. B. war nicht nur herausragender Architekt und Hochschullehrer, er engagierte sich auch politisch, dabei sogar vier Jahre im Nationalrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Wir haben uns entpolitisiert und müssen wieder lernen, uns als Architekten mehr in gesellschaftliche und politische Belange einzumischen. 

Kann Architektur die Welt verbessern?
Zugespitzt formuliert: Neuerdings ja, wenn man sie weglässt! Tatsächlich kommt uns Architekturschaffenden im Moment eine Schlüsselaufgabe zu, da die von uns errichteten Gebäude einen erheblichen Anteil am C02-Ausstoss, am Ressourcenverbrauch sowie am Abfallaufkommen haben. Wir tragen eine grosse Verantwortung dabei, vor allem die Klima-, aber auch die Biodiversitätskrise in den Griff zu bekommen. Ein wichtiger Faktor wird sein, dass wir in Zukunft weniger, dafür qualitätsvoller bauen, d. h. Abriss vermeiden und das, was wir hinzufügen, muss umso präziser werden. Es geht um möglichst minimale Eingriffe, kleine Geniestreiche – eine sehr schwierige Disziplin, die viel Geschick, Präzision, Zeit und Erfahrung verlangt. Wenn Architektur diese Verantwortung ernst nimmt, kann sie derzeit durchaus konkret einen relevanten Teil beitragen, um die Lebensbedingungen weltweit zu verbessern oder zumindest zu sichern.

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