Eine mittelalterliche Altstadtwohnung

Das Haus „Zum Hinteren Dornhahn“ liegt mitten in der Altstadt am Münsterplatz, gegenüber dem Kloster Allerheiligen, dem ehemaligen religiösen, kulturellen und herrschaftlichen Zentrum der Stadt Schaffhausen. Das Haus ist eines der typischen mittelalterlichen Bürgerhäuser mit einer Werkstatt oder einem Laden im Erdgeschoss und Wohnungen in den oberen Stockwerken.

In Schaffhausen fühlt man sich um Jahrhunderte zurückversetzt. Tatsächlich zählt Schaffhausen zu den am besten erhaltenen mittelalterlichen Städten der Schweiz. Sie entstand nach dem Jahr 1000 an der Stelle, wo die Waren auf dem Handelsweg Rhein auf- und abwärts von Schiffen auf Fuhrwerke umgeladen werden mussten, um die Stromschnellen des Rheinfalls zu umgehen. Dies brachte der Stadt im Mittelalter Wohlstand, wovon die Altstadthäuser noch heute zeugen.

Das Haus „Zum Hinteren Dornhahn“ liegt in der Hintergasse am Münsterplatz gegenüber dem Kloster Allerheiligen, dem ehemaligen religiösen, kulturellen und herrschaftlichen Zentrum der Stadt. Als Bürgerhaus mit Werkstatt und Laden im Erdgeschoss und Wohnungen in den Obergeschossen weist es typische mittelalterliche Elemente wie Fassaden- und Giebelmalereien, Erker und Lukarne auf. Sein Pendant ist das etwas pompösere Haus „Zum Vorderen Dornhahn” an der Hauptgasse, in dessen Hauswand die Jahreszahl 1565 eingemeisselt ist, wobei unklar ist, ob es damals neu erbaut oder nur umgebaut wurde. Auf jeden Fall wurden beide Häuser nach ihrem damaligen Besitzer, einem Kaufmann namens Jacob Dornhan, benannt. Die Häuser blieben bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts im Besitz seiner Familie. Anfangs wurden die Grundstücke des Vorderen und des Hinteren Dornhahn nicht unterschieden. Die Handels- und Handwerkerhäuser wurden zuerst an der Vordergasse gebaut. Das Grundstück bis zum Klostergelände an der „Hintergasse“ gehörte jeweils zum Haus dazu und wurde als Gemüsegarten genutzt oder mit Werkstätten überbaut. Noch heute werden die Häuser von der Gebäudeversicherung als Wohn- und Geschäftshaus bezeichnet.

Mit der wachsenden Zahl der Bewohner wurde mehr Wohnraum benötigt. Die Familien umfassten meist eine grössere Anzahl von Kindern und auch erwachsene Kinder und Grosseltern dürften eine längere Zeit in denselben Häusern zusammengelebt haben. Die Bewohner teilten sich auf das Vorder- und das Hinterhaus auf. Erst viel später geht aus den Verträgen und Versicherungsbüchern der Stadt hervor, dass die beiden Hausteile unterschiedliche Eigentümer hatten. Während zwei- bis dreihundert Jahren wurde das Haus „Zum Hinteren Dornhahn“ in den oberen Stockwerken als Wohnhaus genutzt. Das Erdgeschoss und der Keller wurden dem jeweiligen gewerblichen Zweck angepasst. Die Familie Seiler, deren Mitglieder das Haus von ca. 1660 bis 1780 bewohnten, beschäftigte sich mit Buchdruck, Buchbinderei und Buchhandel, was darauf schliessen lässt, dass sich im Erdgeschoss eine entsprechende Werkstatt befand.

Als „Haustechnik“ gab es einen Kamin, an den vermutlich in den Werkräumen im Erdgeschoss, im ersten und zweiten Obergeschoss ein Kachel- oder Kanonenofen und in den Küchen ein Holzherd angeschlossen waren. Das Wasser wurde aus dem Stadtbrunnen geholt, eine Kanalisation gab es nicht, lediglich eine Sickergrube an der Rückseite des Hauses. Das Licht kam von Kerzen oder Öllampen. Gewaschen wurde auswärts: Es ist bekannt, dass im Bereich der Rhy-Badi ein „Waschschiff“ im Rhein vertäut war, wo die Wäsche gewaschen werden konnte. Dieses Waschschiff ging erst 1956 bei einer Kollision mit einem Motorschiff auf Grund und wurde nicht mehr ersetzt, ein zweites blieb noch einige Jahre in Betrieb.

1762 wurde der Hintere Dornhahn vermutlich umgebaut und erhielt eine neue Fassade mit dem Hahnwappen und der Jahreszahl. Dies ist noch auf der Zeichnung von Hans Wilhelm Harder aus dem Jahr 1864 zu sehen. Harder, der viele der alten Häuser gezeichnet hat, war eine Art Stadtgeschichtsschreiber und wohnte im Nachbarhaus „Hardereck“. Im Kaufvertrag von 1860, als J. J. Beck das Haus an J. Siegel verkaufte, wird erwähnt, dass das Haus von Mietern bewohnt wurde. 1895 wurde das Haus von August Bächtold umgebaut, erhielt einen neuen, grösseren Erker im ersten Stock und eine neue Lukarne mit Mansarde über dem dritten und vierten Stock. Weitere Jugendstilelemente und eine Küche im zweiten Stock kamen hinzu. Spätestens ab diesem Zeitpunkt dürfte das Haus im Erdgeschoss Geschäftsräume und in den Obergeschossen Mietwohnungen enthalten haben. Während die Stadt in der Altstadt 1860 ein Gaswerk, 1866 ein Wasserwerk, 1897 ein Elektrizitätswerk und schliesslich1900 eine Kanalisation in Betrieb nahm, erwähnt das Versicherungsbuch des Hinteren Dornhahns erst 1908 das Vorhandensein einer Wasser- und Gasleitung sowie eines „Läutwerks“ (Türklingel).

Der Einbau zeitgemässer Sanitäranlagen ist aus den 1970er-Jahren dokumentiert. In den Jahren 2022 bis 2023 wurde das Haus umfassend renoviert und die ursprüngliche Bausubstanz wiederhergestellt bzw. den heutigen Vorschriften angepasst. Im Aussenbereich wurden die Fassaden saniert, die Sandsteingewände gereinigt und ausgebessert sowie die bis dahin verdeckten Malereien in der Dachuntersicht freigelegt und erneuert. Ausserdem musste der Treppengiebel neu aufgebaut, das Türmchen erneuert und das Fachwerk ergänzt werden. Im Inneren mussten die Elektroinstallationen komplett erneuert, der Brandschutz den Vorschriften angepasst, die Wände, Treppen und der ursprüngliche Holzfussboden wiederhergestellt werden. Ausserdem wurden in den beiden Obergeschossen neue Küchen an ihrem ursprünglichen Platz eingebaut. Im ersten Obergeschoss wurde ein in einem anderen Stadthaus abgebauter Kachel-Turmofen mit neuer Feuerung originalgetreu am ursprünglichen Standort wieder aufgebaut, im zweiten Obergeschoss steht nun – ebenfalls am ursprünglichen Standort – ein alter, komplett rekonstruierter Metallturmofen. Die Türen mussten aus Brandschutzgründen erneuert werden. Sie wurden aber wieder mit den alten Türdrückern versehen.

Im Jahr 2021 wurde das Haus „Zum Hinteren Dornhahn“ von der heutigen Eigentümerfamilie erworben und restauriert. Dabei wurden die Elektroinstallationen erneuert, Wände, Treppen und der originale Holzfussboden restauriert und die Küchen wieder an ihrem ursprünglichen Platz eingebaut. Ein Kachel-Turmofen im offenen Wohnküchenbereich sorgt für eine gemütliche Atmosphäre.

Text: Ferien im Baudenkmal

©Studio Gataric Fotografie

Die Ferienwohnung befindet sich in Privatbesitz und wird über die Stiftung Ferien im Baudenkmal vermietet. Mehr Informationen zum Projekt finden Sie hier.

 

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