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Eine Höhle für die Löwen

Elegant in ein schwungvolles Kleid aus Sichtbeton gehüllt, präsentiert sich die neue Swiss Life Arena an der Stadtgrenze Zürichs. Mit ihrem einprägsamen Erscheinungsbild und ihrer  unvermeidlichen Präsenz zieht die Spielstätte des lokalen Eishockeyclubs ZSC Lions die Blicke auf sich. Dabei ist der Neubau aus der Feder von Caruso St John Architects unweit des Bahnhofs Altstetten nicht nur das erste eigene Zuhause der Zürcher Löwen, sondern gehört zu einer neuen Generation multiflexibler Hallenbauten, die Sport, Freizeitangebote, Gastronomie und Gewerbe Platz bieten.

Nirgends liegen Freude und Trauer so nah beieinander wie im Sport – ein wahres Schauspiel der Emotionen! Eine unverkennbare Bühne für diese Achterbahn der Gefühle wie auch selbstverständlich für sportliche Höchstleistungen präsentiert die neue Swiss Life Arena der ZSC Lions. Mit ihr hat der Zürcher Eishockeyverein nach knapp 90 Jahren ohne eine eigene Homebase nun endlich seinen eigenen Hexenkessel bekommen. Zugleich wurde mit dem Neubau eine Landmarke geschaffen, die mit ihrer einprägenden Hülle die Stadtgrenze markiert, dabei als öffentliches Gateway fungiert sowie in ihrem Inneren Raum für wahre Feste voller Emotionen sorgt.

Heimsieg
Bisher war das gut ausgelastete Hallenstadion in Zürich-Oerlikon Schauplatz der Heimspiele des Eishockeyclubs ZSC Lions. Neben Pucks wurde hier jedoch auch mit Basstönen um sich geschossen, zu bekannten Gitarrenriffs getanzt, Songtexte lauthals mitgesungen oder auch bei Comedyshows für viele Lacher gesorgt. Eine Vielzahl von Events gehen hier über die Bühne, denen sich die Spielplanung der Zürcher Löwen bislang anpassen musste, dabei war leider keine Terminhoheit geniessen konnte. Zudem fehlte dem Verein ein Rückzugsort – eine Homebase für die Spieler sowie die zahlreichen Büromitarbeiter – und die Möglichkeit, durch zusätzliche Einnahmequellen wie Catering- und Namensrechte Geld zu verdienen. Als Mieter im Hallenstadion musste der Verein vor allem auf Letzteres verzichten, sodass seit 2008 der Wunsch nach einem eigenen Stadion immer präsenter wurde und schlussendlich ein internationaler Architekturwettbewerb für einen Neubau im Zürcher Stadtteil Altstetten lanciert wurde. Diesem Aufruf folgten insgesamt 71 Teams, wovon 12 eingeladen wurden, anonym ihre Entwürfe einzureichen – darunter auch das Zürcher Büro Caruso St John Architects, das sich mit seinem  „Theatre of Dreams“ durchsetzen konnte. Das international tätige Planungsbüro mit Stammsitz in London überzeugte dabei vor allem mit seiner besonderen Positionierung des Eisfeldes, wodurch es die totale Grundstücksfläche überaus effizient nutze, um tote Flächen zu vermeiden. Weitere ausschlaggebende Inputs für sein Projekt holte sich das Planungsteam von anderen europäischen und amerikanischen Eishockeystadien: Die Notwendigkeit grosszügiger Verkehrs- und Erschliessungsflächen, der Einbezug ausreichender Lagerflächen sowie die Planung von genügend Spielerkabinen, von denen es meist zu wenige gibt, waren wertvolle Erkenntnisse.

Zugang für alle
Funktion und Symbolhaftigkeit finden so in der neuen Arena zusammen: Die rund 70’000 m2 grosse Swiss Life Arena ist zu einer neuen Landmarke geworden, die einerseits die expandierende Stadtentwicklung der Metropole Zürich verkörpert, dabei als Gateway die An- bzw. Abreisenden grüsst und andererseits gleichzeitig die Öffentlichkeit voll und ganz in den Fokus stellt. Einen einmaligen Kontrast stellt in der Positionierung des Neubaus insbesondere die angrenzende Schrebergartensiedlung auf dessen Westseite dar, die mit ihrem öffentlichen Wegenetz einen ganz speziellen Zugang für die Zuschauer ermöglicht. Denn erreichbar ist das Stadion für die Gäste im Allgemeinen ausschliesslich per öffentlichem Verkehr – die wenigen Parkplätze sind den Mitarbeitern vorbehalten –, sodass dadurch bereits die Anreise zum Teil des (Theater-)Spiels wird und das Ankommen in das Gesamterlebnis eingebunden wird. Angekommen und vor allem auch willkommen fühlt man sich auf der einladenden Südterrasse mit ca. 3000 m2 sowie dem Gastronomieangebot, wo abseits von Spielen und Veranstaltungen die Öffentlichkeit ins Gebäude geholt wird. Dies wird zudem durch die Vermietung der (Eis-)Flächen gewährleistet: Mehr als zwölf Stunden täglich ist demnach die Eisfläche im Gebrauch, und darüber hinaus können diverse Geschäftsevents, Sitzungen, Generalversammlungen oder anderweitige Sportevents wie die Unihockey-Weltmeisterschaft in der Halle selbst von Externen durchgeführt werden.

Schön drapiert
Aushängeschild des Gebäudes ist neben den unzähligen sportlichen Highlights vor allem dessen unverkennbare Fassade, die symbolhaft für die Arbeitsweise von Caruso St John Architects steht. Denn für ihre Entwürfe orientieren sich die Architekten stark an kunstgeschichtlichen Vorbildern – in diesem Fall an Sempers Bekleidungstheorie, Royal Tents sowie demnach selbsterklärend dem Material Stoff. Die grundlegenden Ideen für die aussergewöhnliche, bewegte Fassadengestaltung holten sie sich insbesondere von Referenzbildern über Faltenwürfe: Inspiriert von diesen Exempeln, erstellten sie die starren, aber dennoch dynamischen Vorhänge für ihr „Theatre of Dreams“, die das 170 m lange und 110 m breite Gebäude rundum einhüllen. Verstärkt wird dieser Ziereffekt von den runden Bullaugen – eine Anspielung auf die Form des Pucks –, die sich regelmässig über die Front- und die Rückseite verteilen, von den Faltenwürfen förmlich drapiert werden und in Richtung der Gleise sowie der Strasse zum Eintreten einladen. Dabei ist die Aussenhülle viel mehr als nur ein wahrer Eyecatcher und präsentiert sich zugleich als funktionales Schmuckstück des Neubaus: In 14 m hohen Betonieretappen und jeweils mit bis zu neun Betonvibriernadeln gleichzeitig wurden die Fassadenelemente vor Ort gefertigt, wodurch die Gebäudehülle zum tragenden Element wird. Im Vordergrund dieser Entscheidung stand zuvor das Risiko etwaiger Arbeitsfugen bei vorgefertigten Betonelementen, die gerade bei einer derart stark profilierten Fassade weitaus grössere Probleme hätten mit sich bringen können. Letztlich konnten sich die Planer diese Not zur Tugend machen und sowohl Baumaterial als auch den Transport der vorfabrizierten Fassadenelemente einsparen.

Starke Technik
Auch aus statischer Sicht brachte die tragende Sichtbetonfassade Vorteile mit sich: So konnte auf eine zusätzliche innen liegende Tragstruktur verzichtet werden, und für den Ausbau musste nicht noch zuerst eine aufwendige Fassade montiert werden, um das Gebäude geschossweise abzudichten – dies liess wiederum den Innenausbau früher starten. Nach oben hin schliesst ein Flachdach den Hexenkessel ab, das von drei Zwillingsträgern und aussteifenden Trägern in Querrichtung getragen wird. Dieses Fachwerk sorgt nicht nur für den notwendigen stützenfreien Innenraum, sondern gewährleistet zudem die gesamte Aufhängung der notwendigen Technik. Die über 300 Aufhängepunkte für Lasten bis zu 3000 kg erlauben dem Stadion eine bestmögliche „State of the Art“-Technik. Neben ca. 200 Bildschirmen verfügt der Neubau über eine multifunktionale Beleuchtung z.B. für Eröffnungsshows mit je 36 „Hybrid Moving Lights“ und „LED Wash“-Leuchten sowie über dimmbares, TV-gerechtes LED-Sportlicht für verschiedenste Sportarten. Selbst im normalen Tagesbetrieb überzeugt die ausgeklügelte Lichtlösung, sodass die Abwesenheit von Tageslicht in der „Blackbox“ dem Besucher wortwörtlich kaum ins Auge sticht.

Volles Programm
Strukturell gliedert sich der neunstöckige Stahlbetonbau in einen Mittelbau mit jeweils einer Arkade an seinen Längsseiten, die vor allem die Aufgänge zu den Publikumsrängen und die Übergangszone zwischen Aussen- und Innenraum aufnehmen. Neben dem Haupteisfeld, umspielt von Zuschauerrängen, den nordseitig angelegten Logenreihen sowie dem Mediengeschoss und zuoberst den Büroräumen der ZSC-Mitarbeiter mit direktem Blick ins Stadion, ist der Neubau mit einem weiteren Trainingseisfeld für bis zu 250 Zuschauer ausgestattet. Im Gegensatz zum Hauptspielfeld ist diese Trainingsfläche als Aussenraum deklariert und somit zu den angrenzenden Innenräumen hin gedämmt, sodass hier in etwa eine konstante Raumtemperatur von knapp sechs Grad herrscht. Um auch diesen kleineren Raum – der im Prinzip inmitten des ersten Obergeschosses eingebettet ist – stützenfrei realisieren zu können, wurde er mit einem zweigeschossigen Betonfachwerk überspannt. Die untere Hälfte dieser Tragstruktur wird in der darüber liegenden Swiss Life Lounge ersichtlich, die vom Flying Dinner bis hin zum Fine Dining eine exklusive Eventlocation präsentiert und über Wendeltreppen mit den Logen oberhalb verbunden ist. Doch natürlich auch für die Spieler bietet die Arena das volle Programm: Ungefähr auf Strassenniveau sind in den Seitenbereichen des Baus ein 340 m2 grosser Kraftraum, ein Gymnastikraum, insgesamt zehn Umkleidekabinen für die Mannschaften sowie Aufenthaltsräume untergebracht.

Wegweisend
Um sich in dem kompakten Betonbau – insgesamt wurden rund 42’000 m3 Beton verbaut – gut zurechtzufinden, wurde für die Arena eine eigene Signaletik entworfen. Schlichte, schwarze Symbole sowie Grossbuchstaben in einem unverkennbar plakativen Stil heben sich deutlich von den hellen Sichtbetonwänden ab, leiten durchs Gebäude und helfen der Orientierung. Akzente setzen zudem die schwarzen Türen und Fensterrahmen, die farblich die ebenfalls schwarz lackierten, sichtbaren Träger im Inneren aufgreifen, die den grossflächigen Innenwänden mehr Struktur verleihen. Einen Farbtupfer bieten hingegen die runden, schwarzen Kacheln im dunkelroten Verputz an den Wänden der Arkaden und der dortigen Aufgänge: Diese greifen nicht nur die runde Form der Bullaugen auf, sondern entsprechen in ihren Dimensionen genau jenen der Pucks – das Programm wird somit auch förmlich nach aussen getragen und zum charakteristischen Motiv in der Gestaltung. 

Kraftpaket
Unterirdisch – obwohl aufgrund des Grundwassers und der bestehenden Kanalrohre eine tiefgreifendere Untergrabung nicht möglich war – befindet sich die umfangreiche, gut geplante Gebäudetechnik. Effizienz ist dabei das Schlagwort für den Energiekreislauf: Dank der Verknüpfung von Anergie-, Fernwärme- und Fernkältenetz konnten zahlreiche Synergien geschaffen und in der Versorgung der Arena sowie der Kund:innen im Energieverbund Altstetten und Höngg mit ökologischer Wärme und Kälte gewährleistet werden. Hierfür wird in der internen Energiezentrale die Kälte für die Eisfläche, die Klimakälte für die Entfeuchtung der Raumluft und die Raumklimatisierung im Stadion produziert. Die daraus entstehende Abwärme wird für die Beheizung der Räume verwendet, mit Wärmepumpen das Wasser für die Duschen erwärmt und überschüssige Wärme wieder ins Anergienetz eingespeist. Dabei nutzt diese intelligente Vernetzung verschiedene Energiequellen, wie z. B. das gereinigte Abwasser oder die Abwärme der Klärschlammverbrennungsanlage des Klärwerks Werdhölzli, und ermöglicht somit innerhalb des Energieverbunds eine klimafreundliche Wärmeproduktion. Bereits im Jahr 2035 sollen somit umgerechnet rund 30’000 Haushalte in den Quartieren Altstetten und Höngg mit der daraus resultierenden Wärme versorgt werden. Neben der CO2-neutralen Wärme- und Kälteversorgung der Arena ist auch der EWZ-Strom, der in der Swiss Life Arena verbraucht wird, zu 100 Prozent CO2-frei. Zudem deckt eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach mit einer Leistung von 400 kWp den eigenen Strombedarf weitgehend ab, sodass der Neubau zusammen mit dem ausgeklügelten Gebäudetechniksystem den Minergie-Standard für Eisstadien erreicht. Massgeblich daran beteiligt ist das integrale Gebäudeautomationssystem, das eine bedarfsorientierte Steuerung der Anlagen sicherstellt und schlussendlich für einen effizienten Betrieb sorgt.

Vorhang auf, Bühne frei
Ein kompaktes Energiebündel – aus sportlicher sowie gebäudetechnischer Sicht –, ein brodelnder Hexenkessel, eine emotionsgeladene (Theater-)Bühne, eine städtebauliche Landmarke, eine einmalige Eventlocation und noch vieles mehr verkörpert die Swiss Life Arena. Vor allem ist sie jedoch die neue Höhle für die Zürcher Löwen: Nach über zehn Jahren intensiver Planung haben sich hier in Zürich-Altstetten die ZSC Lions ihr Theater ihrer Träume verwirklicht und mit einem ausgeklügelten Technik- sowie Veranstaltungskonzept einen wegweisenden Schritt in Richtung Zukunft gemacht.

© Swiss Life Arena Zürich by Caruso St John Architects, Foto: Philip Heckhausen

Weitere Informationen zu dem Architekturbüro finden Sie hier.

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