Neben dem Grossbasler Verkehrsknotenpunkt „Schifflände“ glitzert nun nicht mehr nur der Rhein im Sonnenschein: Seit Anfang des Jahres zieht hier auch das Amt für Umwelt und Energie mit seinen facettenreichen Reflexionen Blicke auf sich und macht somit den Namen der Basler Spiegelgasse wahrlich zum Programm. Mit viel Engagement und Detailsorgfalt haben Jessenvollenweider Architektur ein vorbildliches Gebäude geschaffen, dessen Fokus sowohl innen als auch aussen auf Nachhaltigkeit und energetischer Effizienz liegt.
Nicht alles, was glänzt, ist Gold – aber so manches hinterlässt dafür einen nachhaltigen Eindruck. So wie es zurzeit in Basel das neue Amt für Umwelt und Energie beispielhaft vormacht – ein zeitgemässes Verwaltungsgebäude, dessen Arbeitsinhalt zum Thema der Projektausschreibung wurde. So wurde 2013 ein offener Wettbewerb für den Neubau in der Basler Spiegelgasse ausgeschrieben, der Energieeffizienz und Bauökologie zum zentralen Thema hatte. Als Siegerprojekt ging der ambitionierte Entwurf von Jessenvollenweider hervor. Doch bevor der markante Solitär sich in der Innenstadt Grossbasels behaupten konnte, musste das innovative Projekt einige Hürden überwinden: Nach einem Referendum und einer folgenden Abstimmung wurde das Bauvorhaben 2016 angenommen, und der Spatenstich für den Pionierbau erfolgte.
Erkannt markant
Umgeben ist das achtstöckige Verwaltungsgebäude von zum Teil denkmalgeschützten Steinfassaden, von denen sich der Neubau durch seine klare Geometrie abhebt, und somit macht er im urbanen Raum Grossbasels auf sich aufmerksam. Doch abseits der linearen Architektursprache zieht das frei stehende Gebäude mit seiner Fotovoltaikfassade die Blicke der Passanten sowie das Interesse der Energie- und Baubranche auf sich. Ganz in Glas gehüllt, verzaubert das neu gebaute Holz-Beton-Hybridhaus und deckt dabei mit seiner ca. 1100 m2 grossen Fotovoltaikanlage auf allen vier Fassadenseiten den gesamten Eigenstrombedarf ab. Somit stellt der Bau schweizweit ein Leuchtturmprojekt für nachhaltiges Bauen im urbanen Raum dar und ist zugleich das erste Bürogebäude in Basel, das mit dem Label Minergie-A-ECO zertifiziert wurde.
Mit der Zeit gehen
Da von der Wettbewerbsausschreibung 2013 bis zum Baubeginn des Hauses einige Zeit verstrichen ist, hat sich indessen auch die Technik weiterentwickelt. Demzufolge wurde die Fassade vor Beginn der Bauarbeiten nochmals überarbeitet und an die neuesten technologischen Entwicklungen angepasst, während die innere Struktur und das tragende Gebäudeskelett von Anfang an unverändert blieben. Diese zeitliche Verzögerung – die unter anderem auch den politischen Prozessen geschuldet war – brachte letztlich sogar eine architektonisch noch interessantere Lösung hervor: Sollten zuerst noch polykristalline Solarzellen die Stromerzeugung über die Fotovoltaikanlage garantieren, wurden diese im fortschreitenden Planungsprozess durch eine monokristalline Variante ausgetauscht. Denn dank effizienterer Technik erlaubt Letztere nun einen Wirkungsgrad von 25 Prozent, wonach ein Viertel des einfallenden Sonnenlichts in Strom umgewandelt wird. Selbst über die Jahre hinweg verlieren die Solarzellen dabei kaum an Effizienz. Da aufgrund der winterlich tiefen Sonnenstände das Licht auch während der Wintermonate beinahe senkrecht auf die Solarzellen fällt, ist sogar in dieser Zeit mit hohen solaren Energieerträgen zu rechnen. So beläuft sich die Gesamtleistung der Fassade auf rund 163 Kilowatt-Peak, sodass sich das Gebäude mit eigenem Strom versorgen und Überschüsse ins Stromnetz abgeben kann.
Vielschichtige Haut
Doch viel mehr als die Lebensdauer der Solarzellen warf die Widerstandsfähigkeit der gläsernen Fassadenpaneele Fragen auf. Daher wurde hinsichtlich Vandalismus – gerade im urbanen Raum ein zentrales Thema – die Verkleidung des Erdgeschosses in Keramik realisiert und der Bezug zum Glas dennoch beibehalten. Zudem wurde die mit viel Akribie entwickelte Aussenhaut in einer Klimakammer einer Feuerprobe unterzogen, welche die äusseren Einflüsse der nächsten 15 Jahre simuliert und die Austauschbarkeit der Elemente im Falle einer Beschädigung ermöglicht. Und jene Liebe zum Detail zeigt sich beim genauen Betrachten der Glaspaneele, die nicht minder innovativ als das Labeling des Bürogebäudes sind. Denn erstmals wurde eine Glasfassade aus Schmelzglas umgesetzt. Die hier eingeprägte Struktur bildet die dahinter liegenden Zellen ab. Ingesamt 800 dieser individuellen Fassadenmodule komplementieren die Aussenhülle des Neubaus, die gemeinsam mit einem Glashersteller aus Interlaken in einem langen Trial-and-Error-Verfahren in Handarbeit entwickelt wurden. Dabei stellte diese Aufgabe auch für den ursprünglichen Spezialisten für farbige Glaslavabos eine neue Herausforderung dar, der mehr oder minder durch eine zufällige Begegnung auf einer Messe zu dem Projekt gekommen ist.
Lichtspiele
Mit Sicherheit zahlt sich demnach nicht nur ein genauer Blick auf das Gebäude, sondern insbesondere ein längeres Betrachten aus. Verändert man zudem den Blickwinkel und wartet variierende Sonnenverhältnisse ab, begeistert die Aussenhülle immer wieder aufs Neue – durch ein einmaliges Spiel von Lichtreflexionen dank dem Glas und den Punkten aus Titannitrid. Inspiriert vom historischen Glasbaustein, arbeiteten die Architekten hierfür spielerisch an der Form sowie der Farbigkeit der Fassadenpaneele: Innerhalb des manuellen Verarbeitungsprozesses wurde die schützende Glashaut der Fotovoltaikanlage erhitzt und die Struktur entwickelt, die die gewünschte Tiefenwirkung des Frontglases schafft. Bevor diese durchsichtige Haut jedoch mit den Solarzellen und diversen Folien zu den Paneelen „verschmolzen“ wurden liessen die Planer metallische Punkte aus Titannitrid in die Module einstreuen. Durch die Farbigkeit der Metallteile sowie deren unwillkürliche Krümmung während des Laminiervorgangs sorgen die eigentlichen Vogelschutzpunkte für vielfältige Effekte und Farbverläufe – je nach Lichteinfall. „Dank farbiger Punkte und der strukturierten Oberfläche des gehärteten 3-D-Schmelzglases verändert sich je nach Blickwinkel und Sonneneinstrahlung das Lichtspiel in den Modulen“, erläutert der Architekt Sven Kowalewsky. Wird die Fassade mit dem einfallenden Licht betrachtet, treten die metallischen Punkte in den Vordergrund, während sie in entgegengesetzter Blickrichtung in den Hintergrund treten und die Struktur des Schmelzglases zum Protagonisten wird. Doch neben dem Matrix-ähnlichen Muster gliedert die Elektrifizierung der Solarzellen samt sichtbaren Lötfäden und Kabeln die Oberfläche der Aussenhülle, sodass die Idee und die Intention des Bauwerks offengelegt werden. Da die Punkte der Fotovoltaikanlage jedoch auch Energieertrag schlucken, haben die Architekten die Dichte des computergenerierten Musters mit einem Verlauf versehen. So nimmt mit steigender Gebäudehöhe und gleichzeitig zunehmender Sonneneinstrahlung die prozentuale Abdeckung durch die Punkte von neun auf fünf Prozent ab.
Innere Werte
Das Thema der Nachhaltigkeit zeigt sich nicht nur in der äusseren Gestalt, sondern findet seine Fortsetzung im Innenraum. Während von aussen die schimmernde und technische Oberfläche den Charakter bestimmt, ist im Inneren des 25 m hohen Gebäudes an der Spiegelgasse ein Holzbau erlebbar, der massgeblich die angenehme Raumatmosphäre prägt. Gleichzeitig optimiert diese natürliche Materialwahl die Bauteilkonstruktion bezüglich grauer Energie – so wurde für die Holz-Beton-Bauweise regionales Buchen- und Fichtenholz sowie Recyclingbeton verwendet. Während ein gläserner Windfang die Brücke zwischen dem Aussen und dem Innen schlägt, steigt einem spätestens danach der Holzduft in die Nase und verrät gemeinsam mit den sichtbaren Trägern aus Fichtenholz die wahre Konstruktion des Bauwerks. Kräftige Stützen und Träger aus Stabschichtholz prägen die Innenräume; sie wurden mittels Stahlkreuzen in den Wänden ausgesteift. Kombiniert werden die Holzwände des öffentlichen Eingangsbereichs mit Sichtbetondecken, Akustikfilzeinlagen aus recyceltem PVC und einem geschliffenen Unterlagsboden aus Basler Rheinkies, was ein freundliches und angenehmes Raumklima schafft. Grossflächige Kastenfenster sorgen in allen Etagen für einen hohen Tageslichtanteil sowie spannende Blickbeziehungen – vor allem mit steigender Geschosszahl. Ausserdem ermöglichen die Fensterelemente in den Grossraumbüros und Sitzungszimmern ab dem ersten Geschoss ein grosszügiges Raumgefühl.
Zentral erschlossen
Das zentrale Treppenhaus erschliesst mittig positioniert alle Etagen und windet sich um den Glasbausteinlift nach oben, der Struktur und Oberfläche der Fassade im Innenraum erneut aufgreift. Abseits dieser gläsernen Gestaltungselemente schaffen die ockerfarbenen Lehmputzwände im achtgeschossigen Atrium eine angenehme Farbigkeit und erhalten durch die präsente Schattenfugenthematik rund um die dunklen Holzrahmen der Türen markante Konturen. Da zudem die Zuluft vertikal über Queller unter den Fenstern eintritt, sind in dem gebäudehohen Innenraum keinerlei Lüftungsschächte zu finden, die den freien Raum in seiner Wirkung einschränken könnten.
Gut temperiert
Geheizt wird das gesamte Bürogebäude mit Wärme aus dem Basler Fernwärmenetz, wobei die Holz-Beton-Konstruktion hier mit einer guten Speichermasse punktet. Auch im Sommer wird diese Konstruktion zum Vorteil, da die nächtliche Kühlung sich positiv auf den Energieverbrauch sowie das Raumklima auswirkt. Zudem wird das Regenwasser für die WC-Anlagen genutzt und auf eine minimale Raumlüftung samt Wärmerückgewinnung gesetzt, die gemeinsam mit dem hochgedämmten Wandaufbau den Nachhaltigkeitsgedanken des Projekts unterstützt.
Alt trifft Neu
Doch neben dem durchdachten Energiekonzept vereint der Neubau auch architektonische Baugeschichte unter einem Dach: Während der Ausgrabungen unter dem heutigen Amt für Umwelt und Energie (AUE) stiess die Archäologische Bodenforschung auf Mauerreste eines repräsentativen Steinbaus aus dem 13. Jahrhundert. Bewusst wurde der archäologische Fund mit einem informativen Video in Szene gesetzt und bespielt neben dem Veloraum und den Archiven das Untergeschoss. Das dortige Mauerfragment – immer noch an seiner Originalposition – kann nun an bestimmten Terminen im Rahmen von Gruppenführungen besichtigt werden. So treffen die Zukunft und die Vergangenheit an der Spiegelgasse aufeinander – der Moment, als Basel steinern wurde, und jener, als der Holzbau in die Stadt zurückkehrte.
Philosophie verkörpern
Am 1. November 2021 hat im AUE an der Spiegelgasse nun der Arbeitsalltag Einzug gehalten. Das Gebäude verkörpert die Themen rund um Energie und Nachhaltigkeit und bietet diesen dabei zugleich ein neues Zuhause. Doch auch die zentrale Lage des Verwaltungsbaus kommt genau diesem Grundgedanken nach: Die Verortung des AUE in der Innenstadt erlaubt einerseits eine optimale Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Verkehr oder dem Velo und hält andererseits der Bevölkerung das Thema der Nachhaltigkeit anschaulich vor Augen. Gerade Letzteres wird im Rahmen öffentlicher Führungen für Interessierte unterstützt, die dadurch das Gebäude erleben und vor allem genauer kennen lernen können. Nachhaltigkeit wird hier sichtbar, und das ökologische und energetische Potenzial in der Baubranche wird gezeigt – somit macht das Basler Amt für Umwelt und Energie Eindruck mit minimalem ökologischem Abdruck.
Weitere Informationen zu dem Büro finden Sie hier.