Im Übergang zwischen dem urbanen Raum und dem landschaftlichen Grün von Zürich-Affoltern liegen die beiden Ersatzneubauten der Architektin Ana Otero. Genau jene besondere Positionierung an der Grenze zweier gegensätzlicher Zonen wird zum Thema der auffallenden Architektur: Sowohl in der Setzung sowie in der Verformung des Grundrisses als auch in der Aussenraumgestaltung kommt die Dualität der beiden sich ergänzenden Einflüsse zum architektonischen Ausdruck und wird in den Dialog miteinander gesetzt.
Neuen, qualitativen Wohnraum und mehr Wohndichte im Quartier zu erschwinglichen Preisen stand im Fokus der Baugenossenschaft Waidmatt, die hierfür einen offenen Wettbewerb durchführte, welchen die Zürcher Architektin Ana Otero für sich entscheiden konnte. Charakteristisch für ihren Entwurf ist ihre spielerische Herangehensweise und die Verwendung von freien Geometrien, die einmalige Innen- sowie Aussenräume entstehen lassen. Eine Formensprache, die mit Sicherheit von ihrem künstlerischen Hintergrund geprägt ist, der in der Musik und dem Theater zu finden ist, und zu einem „Über den Tellerrand schauen“ animiert.
Zauberhaftes Formenspiel
Wie oft lassen wir uns von dem facettenreichen Spiel am Himmel immer wieder aufs Neue verzaubern und von der Expressivität der Wolken, den geometrischen Konstellationen dieser und ihren Zwischenräumen fesseln? Genau jenes zauberhafte Formenspiel inspirierte Ana Otero für die beiden Ersatzneubauten mit insgesamt 35 Wohnungen in Zürich-Affoltern: Abgeleitet und angelehnt an die einzelnen Elemente der Wolken hat sie diesen Dialog mit den in der Natur vorhanden geometrischen Prinzipien aufgenommen und daraus ihre individuelle Architektursprache entwickelt. So wird in der räumlichen Abfolge einer jeden Wohnung das Spiel zwischen den Räumen sowie die polygonale Suche nach Ergänzung – vergleichbar mit der einer Wolkenformation – in der Anordnung von Zimmern und Wohnbereichen ersichtlich. Im Detail sind die Formprinzipien der Wolkenelemente vertiefter ausgearbeitet und kommen mittels einer Fragmentierung in immer kleinere Teile zum Vorschein und zeihen sich wie ein roter Faden durchs Projekt: Angefangen von der Gebäudeform im Allgemeinen bis zu subtilen Elementen sowie den Badezimmerplatten oder Details wie den Ornamenten der Balkongeländer finden sich die gleichen Formen immer wieder.
Klug angeordnet
Sehr kompakt und äusserst effizient präsentieren sich dabei – im grossen Massstab betrachtet –die beiden polygonalen Neubauten, in deren Kern ein aufs Minimum reduziertes Treppenhaus drei bzw. sogar fünf Wohnungen pro Geschoss erschliesst. Durch die vieleckigen und von organischen Naturformen abgeleiteten Grundrisse wird einerseits eine optimale Belichtung und Orientierung aller Wohnungen ermöglicht, und andererseits gleichzeitig eine ungeahnte Grosszügigkeit und Vielfältigkeit in allen Wohnräumen gewährleistet. Das Herz einer jeden Wohnung bildet in dem Gefüge stets ein weiträumiger, mehreckiger Wohn- und Essraum, der Platz für das Familienleben bietet und die angrenzenden Schlafzimmer erschliesst. Direkt anschliessend ist ein Bakon platziert: Dieser erlaubt einerseits eine Verbindung zwischen dem Gemeinschaftsraum und mindestens einem der privaten Räume der Wohnung, wird zur Hälfte künftig von fröhlichen Kletterpflanzen beschattet und holt somit förmlich die umgebende Landschaft durch die grosszügigen Fensteröffnungen in den Innenraum hinein.
Klares Farbenspiel
Dieses Wechselspiel von Aussen- und Innenraum bzw. von Öffentlichkeit und Privatsphäre – insbesondere der Weg vom Aussenraum in die Wohnung – wird mithilfe von Licht und Materialien inszeniert und in den Fokus gestellt. Dank farbiger Glasbausteine wird das Licht des Treppenhauses gedämpft und farbenfroh in die Wohnungen und umgekehrt geführt. Dadurch scheinen die gemeinschaftliche Erschliessung und die privaten Wohnräume miteinander zu interagieren und dabei ihre ganz eigene Dynamik zu entwickeln, die je nach Tageszeit und Wetter unterschiedlich ist. Gleichzeitig dienen die drei Farben der Glasbausteine – rot, gelb und blau – als roter Faden für das gesamte Farbkonzept des Hauses und sind demnach in verschiedensten Materialien wiederzufinden: So sind bspw. die Fensterrahmen und Sockelleisten der Wohnungen in Rot gestaltet und unterstreichen zugleich die polygonalen Geometrien der Grundrisse. Wortwörtlich bilden die farbigen Sockelleisten dabei einen roten Faden durch die Wohneinheiten und werden bei Türrahmen rund um diese fortgeführt. Ebenso im Badezimmer wird das markante Spiel aus roten, gelben und bläulichen Platten aufgegriffen, das darüberhinaus die Fassadengestaltung mitbestimmt und so auch die beabsichtigte Farbigkeit nach Aussen trägt. So kommen diese drei Grundfarben im Bereich der Balkone und Fenster alternierend zum Einsatz, werden jeweils unterhalb der Brüstungen mit andersfarbigen Eternitplatten in Kontrast gesetzt und verleihen damit den Gebäuden letztlich einen fröhlich warmen Ausdruck und zugleich einen Eindruck des farbenfrohen Innenleben.
Stadt und Land
Neben des stringenten Farbkonzepts stellt der Baustoff Holz im Projekt eine weitere Konstante dar. Als Analogie zur Natur und dem nahen Wald wird der Naturstoff als konstruktives und gestalterisches Hauptmaterial verwendet: Leichte Fassaden mit vertikaler Holzschalung und durchgehenden Lisenen an den erdbebensicherheitsbedingt geschlossenen Fassadenbereichen, die auf die Bäume des nahen Waldes verweisen, stehen auf einem monolitartigen Betonsockel. Desweiteren dienen auch horizontale geschosstrennende Kupferbänder als Gestaltungselemente, die die Geometrien der Gebäude mit ihren vielfältig gestalteten, rhythmisierten Fassaden unterstreichen und zusammen halten. Die ornamentartig gestalteten Geländer setzen auf verspielte Art und Weise das raffinierte Licht- und Schattenspiel der im Winde sanft rauschenden Blätter in einer sonnigen Waldlichtung um. Selbst in der Aussenraumgestaltung des Landschaftsarchitekten Johannes von Pechmann ist die Dualität von Stadt und Land sowie der Bezug zur umgebenden Natur ein zentrales Thema: Von der Naturseite her fliessen Blumenwiesen, Staudengarten und Obstbäume um die Gebäude herum und in die Siedlung hinein, während sich die beiden Gebäude auf ihrer dem Siedlungsraum zugewandten Südseite um einen klar gestalteten Gemeinschaftsplatz gruppieren.
©Andreas Buschmann
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