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Dezent in Farbe

Am Fusse der Fallätsche, eines markanten Erosionstrichters des Albisgrats, reihen sich etliche Wohnsiedlungen und Genossenschaftshäuser entlang der Leimbachstrasse – in gleicher Manier, Architektursprache sowie ähnlicher Farbpalette. Im Gegensatz zu der natürlichen Landmarke im Hintergrund sticht in der gebauten Landschaft ein neuer, zweiteiliger Baukörper hervor: Nicht nur in seiner Geometrie, sondern insbesondere in seinem Farbenspiel und durch individuelle Akzentuierung haben Ilai Architekten dem Wohnbau ein Alleinstellungsmerkmal verliehen.

Dank der ländlichen Idylle und der dennoch kurzen Distanz zum urbanen Leben Zürichs etabliert sich Leimbach immer mehr als beliebte Wohngegend. Daher überrascht es nicht, dass in letzter Zeit immer mehr neuer Wohnraum zwischen dem Flusslauf der Sihl und dem Albisgrat entsteht – darunter auch der zweiteilige Baukörper der Zürcher Ilai Architekten. In einem Direktauftrag konnte das Duo ebendort in eineinhalb Jahren Bauzeit elf Mietwohnungen mit ihrem ganz eigenen Stil realisieren und dabei dem Neubau bis ins kleinste Detail seine originelle und überaus wiedererkennbare Handschrift verleihen.

Bunt gemischt
Über der Leimbachstrasse mit Sicht ins Sihltal platzierten die Architekten auf einer langen, schmalen Parzelle zwei einander zugewandte Neubauten in die erhöhte Hanglage, wodurch ein interessantes Spiel mit den verschiedenen Höhenniveaus und Geschossen geschaffen wurde. Durch diesen spielerischen Umgang zwischen dem Innen- und dem Aussenraum entstehen gleichzeitig unterschiedlichste Wohnsituationen und Wohnungsgrundrisse, die dadurch den individuellen Bedürfnissen der Bewohner gerecht werden können. So verfügen die Wohnungen im Erdgeschoss beispielsweise über einen privaten Gartensitzplatz, während die Wohnungen in den oberen Etagen mit bis zu vier Terrassen und Balkonflächen ausgestattet sind und zuoberst eine grosszügige, direkt zugängliche Gemeinschaftsfläche am Dach platziert ist.

Hereinspaziert
Auch im untersten Geschoss – auf dem Niveau der ansteigenden Leimbachstrasse – ist eine gemeinsam genutzte Fläche angesiedelt, sowohl die Einfahrt in die Tiefgarage als auch der Zugang zu den Mietwohnungen sind hier verortet. Neben diesem weitläufigen Eingang lädt eine kleine, betonierte Sitzbank an der Leimbachstrasse zum Verschnaufen und kurzen Verweilen ein, die auch gerne von den Nachbarn und etwaigen Passanten genutzt wird. Daneben schmücken blaue und gelbe Linien den Boden, die sich als geometrische Figuren vom hellen Sichtbeton abheben und ab der Einfahrt die Ankommenden in den Baukörper hinein bis hin zu der Liftanlage führen. Gleichzeitig lassen sie bereits beim Ankommen die farbenfrohe Handschrift der Architekten erkennen und greifen das Wesentliche des Gestaltungskonzepts auf. Doch nicht nur dieses Farb- und Formspiel lockert die massiv wirkende Tiefgarage im Untergeschoss auf: Zugleich wird dieses durch einen dreigeschossigen Lichthof natürlich belichtet, der zudem Abstellplätze fü Velos bietet. Um diesen windet sich das betonierte Treppenhaus, das ein stets variierendes Spiel von Licht und Schatten entstehen lässt, was Leben in die überwiegend linearen Geometrien bringt.

Gut in Farbe
Fortgeführt und vor allem am offensichtlichsten ausgelebt wird der spielerische Gestaltungswille der Zürcher Architekten in ihrem Farbschema für den zweiteiligen Baukörper. Denn Akzente setzen hier für die Baubranche eher ungewöhnliche Farbtöne in Blau, Rosa und Gelb, die die Passanten zum Schmunzeln bringen, sogleich die Blicke auf sich ziehen und überdies der Architektur einen ganz individuellen Charakter verleihen. So wird die rohe Betonoberfläche und die mehrfach gespachtelte, lasierte Fassade nicht nur mit den klaren und geometrischen Stahlarbeiten der Handläufe und Geländer akzentuiert, sondern eben auch mit farbenfrohen, additiven Bauelementen geschmückt: Die gelb lackierten Geländer der zentralen Treppenhäuser, die rosafarbenen Fensterrahmen und Rollläden der Wohnungen sowie die hellblauen Brüstungen der privaten Balkone und Terrassen durchbrechen die Monotonie der grauen Aussenhülle. Einen weiteren Farbtupfer stellen die knallroten Eingangstüren aller elf Mietwohnungen dar, die in einer etwas kraftvolleren Manier das Farbkonzept komplementieren. Sowohl die farbliche Inszenierung des Neubaus als auch dessen klare Differenzierung in der gewählten Materialwahl unterstreichen letztendlich die skulpturale Erscheinung des Gebäudes und setzen dieser zugleich das i-Tüpfelchen auf. Inspiration für seine farbenfrohe Handschrift und Anstoss für seine mutige Farbwahl holte sich das Planerduo beim Architekten René Haubensak und dessen Projekt in Zollikerberg.

Wohn(t)raum
Insgesamt verteilen sich elf Wohnungen – mit 1,5 bis 5,5 Zimmern – auf den beiden dreistöckigen Baukörpern, die trotz variierender Grösse mit gleicher Ausstattung und demselben Gestaltungskonzept daherkommen. Wie auch im Aussenraum ist der Sichtbeton innerhalb der vier Wände ein zentrales Element: So sind beispielsweise die Raumdecken roh belassen und selbst die aufgezeichneten Markierungen und Notizen des Baumeisters auf diesen ersichtlich. Im Gegensatz dazu steht der widerstandsfähige Bambusboden, der den Wohnräumen Wärme und Atmosphäre verleiht sowie farblich einen angenehmen Kontrast zu Putz und Beton darstellt. Während sich Wände, Decken und Böden somit vielmehr dezent zurückhalten, setzen diverse Einrichtungselemente die gewollt farbigen und gestalterischen Akzente: So werden die Kanten der Räume durch hellgraue Sockelleisten betont, die sich von den weissen Innenwänden abheben und durch die Konturen die Wandflächen scheinbar einrahmen. Markanter ist hingegen die Inneneinrichtung einer jeden Wohneinheit, in der eine Einbaustahlküche in Graublau auf einen gefliesten Boden in zartem Rosa trifft, damit wird zugleich der Farbton der Fensterrahmen erneut aufgegriffen. Eine weitere gestalterische Überraschung hält das Badezimmer bereit, das sich weniger farbenfroh in überwiegend Weiss präsentiert, aber visuell das Spiel mit Geometrie förmlich auf die Spitze treibt. Gekleidet ist es gänzlich in weisse Fliesen, wobei die kaminroten Fugen die quadratische Plattenform betonen und ein scheinbares Netz entstehen lassen. Vor allem waren hierfür ein genaues Arbeiten und handwerkliches Geschick nötig, um die Fugen derart sauber und exakt umsetzen zu können. Doch der Gestaltungswille der Architekten beschränkt sich nicht nur auf das Offensichtliche, sondern setzt sich bis ins kleinste Detail fort: Lichtschalter, die runden, beidseitig verspiegelten Badspiegel oder auch die blau-roten Toilettenarmaturen wurden sorgfältig ausgewählt; sie präsentieren sich in gewohnt markantem Design und versprühen dabei einen gewollten Retro-Charme.

Lichtspiele
Neben den Farbenspielen und den gestalterischen Details im Innenausbau bieten die Grundrisse auch mit ihren Erkern und den vielen französischen Fenstertüren überaus überzeugende räumliche Qualitäten. Die unzähligen Fenster – wenn auch sehr schmal gehalten – sowie die überhohen Innentüren erlauben nicht nur einen Lichteinfall über den ganzen Tag verteilt, sondern bieten darüberhinaus eine enorme Weitsicht an und rahmen dabei bewusst die Umgebung ein. Insbesondere die Attikawohnungen, die als aufgesetzter Holzbau realisiert wurden, sind mit privaten Aussenflächen in alle vier Himmelsrichtungen ausgestattet und kommen in den Genuss von 360-Grad-Umblick und Sonnenschein. Durch diesen starken Innen- und Aussenbezug erhalten die Wohnungen gefühlt zusätzlich an Grösse, profitieren von der natürlichen Belichtung und damit gleichzeitig der Wärme durch die Sonneneinstrahlung. Überdies lassen die architektonischen Elemente wie Erker und Balkone Nischen im Innenraum entstehen, die die Räume in gewisser Weise gliedern und individuelle Blickbeziehungen erlauben. Raumtrennende Elemente bilden darüberhinaus auch immer wieder die geräumigen Einbauschränke aus, die grosszügig in den Wohnungen integriert wurden und mehr als genug Stauraum bieten. 

Skulptural
Das Spiel mit Farben und Formen ist demnach ein zentrales Thema im Projekt „Viridis“ – wovon auch die markante und selbstverständliche Skulpturalität des neu gebauten Mehrparteienhauses zeugt. In diesem Zusammenhang sind die zentralen, vermeintlich gespiegelten Treppenhäuser nicht ausser Acht zu lassen, die die formstarke Architektursprache und die einprägsame Wirkung des Gebäudekomplexes unterstreichen. Umgesetzt in Sichtbeton, bewusst sichtbar sowie offen gestaltet und lediglich mit zarten, gelb lackierten Stahlgeländern versehen, dienen sie einerseits als Kreuzungspunkt der Nachbarn und andererseits als Aussichtsplattform im Spiel mit den verschiedenen Niveaus – wodurch die Gebäude miteinander zu kommunizieren scheinen. Zuoberst runden die ebenso skulptural gestalteten Entlüftungskamine auf der gemeinschaftlichen Dachterrasse, deren nicht zugängliche Erkerflächen mit recyceltem Ziegelschotter planiert sind, die markante äussere Erscheinung des Bauwerks ab. 

Gemeinsam
So individuell der zweiteilige Neubau auch erscheinen mag, die Thematik der Gemeinschaft wird hier dennoch grossgeschrieben: Denn nicht nur auf dem Dach, sondern auch in der umfliessenden Gartenfläche soll das Miteinander der Nachbarn nicht zu kurz kommen. Während die Erdgeschosswohnungen eigene Gartensitzplätze haben, die mit rosa Betonsteinen ausgelegt sind, werden diese privaten Aussenbereiche von der gemeinsamen Grünfläche förmlich umspielt. Nutzpflanzen und Obstbäume sollen hier künftig nicht nur das Landschaftsbild aufwerten und die Natur wieder in die Bebauung zurückbringen, sondern zugleich als Vitaminlieferant direkt vor der eigenen Haustür genutzt werden.

(Farben-)Froh
Auffallen um jeden Preis weicht hier dem Mut zur Farbe. Denn vielmehr wirkt der Neubau mit seiner dezenten Fassadenfarbe und seiner glatten Aussenhülle auf den ersten Blick vermeintlich zurückhaltend und zaubert mit der ungewöhnlichen Farbgebung der additiven Elemente auf den zweiten Blick Frische und Abwechslung in die von Genossenschaftssiedlungen geprägte Wohngegend. Demnach steht das Mehrparteienhaus Viridis als ein Traum in Rosa für sich, der trotz der massiven Bauweise von Fröhlichkeit, Leichtigkeit und Optimismus zeugt. So komplementiert die Farbigkeit des Neubaus zudem die grüne Umgebung Leimbachs – sowohl beim Blick von den Innenräumen in die bewachsene Umgebung als auch umgekehrt beim Anblick des skulpturalen Baus inmitten der ländlichen Idylle.

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