Inszeniert trifft es hier wortwörtlich: Das neu eröffnete und frisch revitalisierte Centre Albert Anker in Ins setzt die Kunst und das Leben des international geschätzten Schweizer Künstlers neu in Szene. So stellen der Neubau sowie die Sanierung des Anker-Hauses von Marcel Hegg im Herzen der Berner Gemeinde Albert Anker nun auch baulich ins Zentrum von dessen Heimatort. Dort können die Besucher:innen künftig nicht nur die zeichnerischen Highlights des Universalkünstlers bestaunen, sondern sich zugleich in die Zeit seines Lebens und Schaffens begeben. So wird ein Besuch des neuen Zentrums zum vielfältigen Erlebnis, das eine Mischung aus Museumsbesuch, Kulturausflug und Weltreise präsentiert und zugleich dem Durchstöbern eines bildgewaltigen Lexikons ähnelt.
„Nun will ich kleine Dorfgeschichten usw. machen…“, schrieb Albert Anker 1856 aus Paris an Otto v. Greyerz. Alles andere als klein und unbedeutend ist dabei der Schweizer Künstler für das Dorf Ins, das mit dem neuen Centre Albert Anker künftig eine grosse Geschichte erzählen wird und dabei zugleich für grosse Aufmerksamkeit sorgen wird. Der zweifellos populärste Schweizer Maler ist bekannt für seine unvergesslichen Porträts von Kindern sowie alten Menschen, wofür er sich bei seinen Mitmenschen direkt aus seinem Heimatort zwischen Bern und Neuenburg Inspiration holte. Insbesondere die Kinderbildnisse aus seiner Hand haben ihn zu einem der europaweit geschätztesten Maler des Realismus des 19. Jahrhunderts werden lassen. Mit dem neu eröffneten Zentrum rund um sein ehemaliges Wohnhaus präsentiert die Anker-Forschung den Maler neu als weltoffenen Humanisten und macht die vielseitige Persönlichkeit der Öffentlichkeit ebenso facettenreich zugänglich. Neue Ausstellungen, originale Relikte, das fast unberührte Atelier sowie die Wohnräume des Malers und insbesondere der neu errichtete Kunstpavillon im Garten geben einen überaus umfangreichen Einblick in den (Arbeits-)Alltag der multiinteressierten Figur der Kunstszene.
Bewahrtes erleben
Demnach ist der Nachlass Albert Ankers beträchtlich – sowohl im Umfang als auch in seinem Wert. Darunter auch sein Wohn- und Atelierhaus, das heute in weiten Teilen so erhalten ist, wie der Maler dort über Jahrzehnte mit seiner Familie gelebt und gearbeitet hat. Als eines der wenigen komplett erhaltenen Künstlerhäuser des 19. Jahrhunderts in Europa gibt das historische Wohnhaus einen einzigartigen Einblick in die Lebens- und Arbeitswelt des international vernetzten Künstlers, der seinen Standort immer wieder zwischen der Schweiz und seinem Zweitwohnsitz in Paris wechselte. Um sein Lebenswerk sowie die grosse Persönlichkeit an sich auch künftig für viele weitere Generationen zu erhalten und zugänglich zu belassen, wurden die Aufwertung und die Erweiterung des historischen Bestandes von der Stiftung Albert-Anker-Haus Ins, gegründet von Nachkommen von Albert Anker, der Kantonalen Denkmalpflege Bern, der Gemeinde Ins und der Burgergemeinde Bern, veranlasst. Die umfassende Sanierung und die gleichzeitige Aufwertung des über 200 Jahre alten Bauernhauses wurden hierfür in die Hände des gebürtigen Inser Architekten Marcel Hegg gelegt, der den Grundstein für dieses Projekt bereits mit einer fiktiven Studie eines Albert-Anker-Museums im Rahmen seiner Diplomarbeit gelegt hat.
Mehr als ein Heulager
Den grössten Wandel erfährt im Rahmen der Sanierungsarbeiten der Ökonomieteil, der zum Empfang und zur Dauerausstellung über das Leben Albert Ankers gewandelt wurde. Im umgenutzten Tenn werden die Besucher:innen begrüsst und über das vielfältige Angebot informiert. Ebenso startet dort der Erlebnisrundgang. Das facettenreiche Leben des Malers in themenspezifischen Nischen dargestellt. Im angrenzenden, ehemaligen Tierstall wurde zudem ein multifunktionaler Raum eingerichtet, der sowohl als Bistro als auch für Kunstvermittlung genutzt werden kann – die sichtbar belassenen Fressspuren in den Holztrögen lassen dabei dessen frühere Nutzung weiterhin erahnen. Die spannende Kombination von Alt und Neu wird jedoch schon beim Betreten des neuen Empfangsbereichs ersichtlich: Ein gläsernes Portal wurde von der originalen Fassade zurückversetzt eingefügt. Es verhindert dadurch einen irreversiblen Raumabschluss und ermöglicht weiterhin, innenseitig die historische Gebäudehülle erfahrbar zu belassen. Zudem zollte der Architekt selbst bei der Erneuerung des Stampflehmbodens im Eingangsbereich des Zentrums den Traditionen Respekt: Wie dazumal wurde der Naturboden im Rahmen eines Tanzfestes gemeinsam bei Musik eingestampft und hierfür Material aus der direkten Umgebung verwendet. Moderner zeigt sich hingegen der grosszügige Dachraum des regionaltypischen Bauernhauses mit seiner neuen Nutzung: Die ehemaligen Heulagerflächen sind mit schwarzen, aneinandergereihten Raumboxen bespielt, die auf verschiedenen Ebenen einen abwechslungsreichen und spannenden Rundgang eröffnen.
Die Architektur verkörpert hier gleichwohl sinnbildlich die Vielschichtigkeit des Schweizer Künstlers: Die überlagerten, versetzten Räume und sich überschneidenden Volumen spiegeln die diversen Interessenfelder Ankers wider, die überaus vielseitig waren und dennoch immer wieder Berührungspunkte aufwiesen. So erzählt die in unterschiedliche Themen gegliederte Dauerausstellung auf den dezent gehaltenen Präsentationsflächen der Volumen von Ankers Familiengeschichte, greift Politik und Bildung auf und reicht bis hin zu seinen archäologischen Interessen und Tätigkeiten. Einen ganz besonderen Stellenwert innerhalb der Ausstellungsflächen erhält dabei das mechanische Puppenspiel, ein kleines Highlight in der umfangreichen Schau. Zur Unterhaltung der Kindermodelle hat Albert Anker mit selbst gebastelten Stabpuppen ein Märchen erzählt. In der Puppenspielkammer wird nun diese Geschichte in einer für die heutige Zeit aktualisierten Version mit einem mechanischen Puppenspiel wiedergegeben. Doch nicht nur diese komplexe Darbietung verzaubert die Besucher:innen: Ebenso reduziert wie die Ausstellungsflächen wurde das Beleuchtungskonzept des neu gestalteten Dachraumes belassen, wo dank der Zwischenräume der Holzschindelung bei passender Sonneneinstrahlung der dunkle Dachraum zum Leuchten gebracht wird und eine ganz spezielle Atmosphäre erhält. Wie von Zauberhand erschliesst auch eine versteckte Hebebühne barrierefrei die erste Ausstellungsebene, deren dezente Umsetzung denkmalpflegerischen Aspekten geschuldet ist, und man meint hier, die Ausstellungsebene sei nicht wahrzunehmen.
Magischer Ort
Ein bequemerer Zugang wurde neu auch zum Atelier Albert Ankers realisiert: So erweitert die Erschliessung durch die neue Dauerausstellung die aussen liegende, steile, enge Treppe der Laube. Nach der Ankunft in der wahrhaftigen Wunderkammer direkt unter dem Dach des Bauernhauses offenbart sich der Öffentlichkeit der original belassene Arbeitsraum des Künstlers in seiner vollen Pracht. Neben seiner Staffelei und unzähligen Pinseln ist hier ein Sammelsurium an Souvenirs, Büchern und Objekten aus aller Welt zu finden, die der Schweizer unter anderem von seinen Reisen ins Ausland mitgebracht hat. Japanische Holzschnitte, Fotografien, Tondrucke, kleine Schmiedearbeiten, Schmuckstücke, Naturmaterialien etc. – das Repertoire an mehr oder weniger skurrilen und alltäglichen Trouvaillen scheint schier endlos und vielfältig zu sein. Dabei stellen alle diese Fundstücke nicht nur einen ideellen Wert dar, sondern zeugen zugleich von Fortschritt und sind aufgrund ihres guten Zustandes auch von grossem historischem Wert. Aus architektonischer Sicht sticht hier insbesondere das Dachfenster des Atelierraums ins Auge, das von der Mehrheit vermutlich als selbstverständlich angesehen wird. Diese Art der natürlichen Beleuchtung hat der Künstler im Louvre entdeckt und wollte selbst in den Genuss der Vorteile dieses Architekturelements an seinem Arbeitsort kommen. Ein Wunsch, der zu seiner Zeit eine technische und vor allem auch handwerkliche Meisterleistung darstellte und nur unter grössten Bemühungen als wohl einer der Ersten seiner Art in der Schweiz umgesetzt werden konnte. Gleichermassen überraschend ist das gute Raumklima im Dachraum, das auf das Raum-im-Raum-Konzept zurückzuführen ist. Aufgrund dessen sind die umfangreiche Bibliothek des Universalkünstlers sowie auch seine Sammelobjekte ohne aufwendige Lagerung über die Jahre gut erhalten geblieben. Trotzdem ist es konservatorisch herausfordernd hinsichtlich Feuchtigkeitsschäden an den Papierwerken. Da für die Kunst- und Kulturgüter vor allem Schwankungen problematisch sind, kann das unbeheizte Atelier im Winter auch nicht besichtigt werden – die Wärme der Besucher:innen stellt für die Sammlung eine Gefahr dar. Damit soll gewährleistet werden, dass sich dieser magische Ort der Kreativität auch weiterhin den Besuchenden präsentiert, wie er bereits zu Ankers Zeiten war.
Die Schatzkammer im Garten
Vermehrte Sorgfalt und Aufmerksamkeit hinsichtlich des Raumklimas hat hingegen der neu gebaute Kunstpavillon, die Schatzkammer des Centre Albert Anker, in welchem die kostbaren Zeichnungen und Kulturobjekte des Künstlers aufbewahrt und in einer jährlichen Wechselausstellung präsentiert werden. Die Herausforderung bei diesem Bau bestand darin, einen einfachen, polyvalenten Lager- und Ausstellungsraum zu entwickeln, welcher mit einem konstanten Klima und modernster Sicherungsanlage die Kunstwerke Albert Ankers schützt. Als Resultat wurde ein funktionaler und zugleich sehr repräsentativer Neubau im Garten entwickelt, der ebenso die Aspekte der Nachhaltigkeit und Traditionen in seiner Gestaltung aufnimmt. Mit seiner Aufstellung an der nordöstlichen Gartenecke wird der hölzerne Kunstpavillon aus verdübelten Vollholzwänden dabei architektonisch bewusst in Beziehung mit dem Bestand gesetzt und es wird ein spannungsvolles Gegenüber realisiert, das der Kunst Ankers mehr zusätzlichen Raum gibt. Der 19 m × 10,6 m grosse Kunstpavillon zeigt sich als zeitgenössische Interpretation des traditionellen Speichers und fungiert in einem abgewandelten Verständnis nun als Ort des Aufbewahrens von kostbarem (Kunst-)Gut – während er von aussen vermeintlich einfach, aber mit einer dennoch einprägsam zweigeschossigen Gebäudestruktur besticht.
Simpel und gut
Der Hauptraum im Erdgeschoss ist als massive, geschlossene Holzkiste ausgebildet und wird von einer umlaufenden Laube aus robuster Eiche vor Wettereinflüssen geschützt. Die schrägen Holzstützen mit den Lamellen prägen das äussere Erscheinungsbild des Baukörpers, spielen mit ihrer Geometrie zugleich auf die Initialen des Künstlers an und schaffen zudem einen weichen Übergang vom Garten ins Gebäude. Ebenso lösen die schrägen Streben die Ecken auf, sodass der Pavillon nicht als kompakter Würfel die Blumenwiese einnimmt oder sich dort gar als klobiger Fremdkörper behauptet. Grosser Wert wurde auf die Qualität und die Regionalität gelegt, weshalb die Eichen allesamt aus dem Seeland stammen und als Mondholz geschlagen wurden. Die Bäume waren rund 150 Jahre alt, und Albert Anker ist ihnen vielleicht sogar noch begegnet. Vollholzwände aus Weisstanne bilden die innere Gebäudehülle für den Lager- und Ausstellungsraum aus, reagieren sehr träge auf klimatische Veränderungen und erfordern demnach künftig eine geringe Betriebsregulierung. Dies bedeutet, dass das Auskühlen im Winter bzw. das Aufheizen im Sommer im Vergleich mit anderen Konstruktionen sehr lange dauert und ein konstantes Raumklima auf natürliche Weise gegeben ist. Hierfür wurden Bretterlagen zu 50 cm dicken Wänden zusammengefügt, die lediglich mechanisch miteinander verdübelt sind und demnach ganz ohne Leimstoffe auskommen. Die rund 3000 Dübel fungieren dabei nicht nur als Verbindung, sondern zieren sichtbar belassen die Fassade als Ornament. Mit dieser ablesbaren Konstruktion des Holzbaus stellt dieser zugleich eine Form von Kunst dar, die die Konstruktionsehrlichkeit mit den sichtbaren Schichtungsmöglichkeiten der Vollholzwände zelebriert. Der zentrale Lager- und Ausstellungsraum ist als einziger, offener, flexibler Raum mit 100 m2 Bodenfläche konzipiert. Da wegen des sensiblen Lagerguts das natürliche Licht ausgeschlossen werden musste, schafft nur ein einziges Fenster Bezug zum Aussenraum. Je nach aktueller Nutzung des Innenraums erlauben hier Storen die komplette Verdunklung und runden wahrhaftig das Tresorgefühl ab. Ausgestattet ist der einfache Raum mit grossen Lagerschränken, 56 Schubladen für die Papierwerke, 8 Präsentationsnischen und Stauraum in den Oberschränken sowie den Gitterwänden als einfaches und flexibles Hängesystem für Zeichnungen und Aquarelle, die zu ihrem Schutz jedoch nur maximal drei bis vier Monate am Stück hängen dürfen. Wie aussen dominiert auch im Innenraum das Eichenholz, welches in Kombination mit den dunklen Akustikpaneelen an der Decke einen hochwertigen Innenausbau schafft. Material, Farbgebung und Licht bilden einen würdevollen, ruhigen Raum, in welchem die Kunstwerke sich in ihrer ganzen Pracht entfalten können.
Neben dem Bestaunen der Ausstellungsstücke stellt bereits der Zugangsweg ein wichtiges Element im Erleben des Gebäudes dar: Über eine steinerne Rampe taucht man aus der Blumenwiese auf, wird in die Laube und direkt weiter in die Architektur hineingeführt. Die umlaufende Laube, eine Art Architekturpromenade, schafft dabei zugleich einen Vorraum sowie eine sanfte Übergangszone. Die beiden Windfänge an den Kurzseiten übernehmen jeweils die Funktion der Klimapuffer, während nördlich der Hauptzugang für Besucher:innen in den Lager- und Ausstellungsraum und südlich der Betriebszugang mit der Erschliessung des Untergeschosses angesiedelt sind. Dort sind die technischen und betrieblichen Räume für Inventarisierung, Archivierung, Forschung und Administration untergebracht.
Fest verankert
Mit dem neu gestalteten Centre Albert Anker entstand in Ins nun ein einzigartiger Kulturort mit regionaler Verankerung und nationaler Ausstrahlung. Die Stiftung Albert-Anker-Haus Ins setzt sich damit das Ziel, diesen einzigartigen Fundus an Kunst und Kultur zu erhalten, ihn aber entsprechend der heutigen Bedürfnisse sowie gemäss den Erwartungen des Publikums zu vermitteln. Dabei gilt es zudem, die unzähligen Kunstwerke und Objekte aus Ankers Lebenszeit fachgerecht zu lagern und deren Erhalt zu sichern, wofür das Wohnhaus, das Künstleratelier und der Kunstpavillon zu einem in der Schweiz einzigartigen Erlebnis- und Erkenntnisort gewandelt wurden. „Zuerst muss man sich in seiner Fantasie ein Ideal bilden, dann muss man dieses Ideal den Leuten zugänglich machen.“ Diese Erkenntnis brachte der Künstler schon 1849 in einem Brief an Auguste Bachelin zu Blatt. Und als Ideal für eine schier endlose Wissensbegierde und eine bedeutende Figur für die internationale Kunstszene wird Albert Anker in seiner vollen Vielfalt für das breite Publikum in Ins zugänglich gemacht.
© Alexander Jaquemet
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