Auf allen Ebenen

Um einen modernen und zeitgemässen Klinikbetrieb zu gewährleisten, geht die Erweiterung des Campus der psychiatrischen Klinik Baselland weiter. Gemäss einem
über das gesamte Areal reichenden räumlichen Masterplan durfte das Badener Büro Burkard Meyer zwei Neubauten realisieren, die die Architektursprache der Bestandsbauten aufnehmen, aber dennoch neu interpretieren. Neben einer harmonischen Erscheinung und der Integration der Neubauten ins Gebäudeensemble wurde dabei insbesondere Wert auf einen gesundheitsfördernden und wohltuenden Innenraum gelegt.

In Liestal steht die mentale Gesundheit im Fokus: Seit den 1960er-Jahren hat sich die Psychiatrie Baselland (PBL) im Kanton Basel-Land fest etabliert und gehört mittlerweile zu den führenden psychiatrischen Institutionen der Nordwestschweiz. Jährlich werden hier mehr als 14 000 Patient:innen behandelt, und das öffentlich-rechtliche Unternehmen im Eigentum des Kantons Basel-Landschaft bietet rund 1200 Mitarbeitenden einen Arbeitsplatz. Darüber hinaus verfügt die Einrichtung über bedeutende Aus- und Weiterbildungsstätten für zahlreiche (nicht) akademische Berufe im Gesundheitswesen sowie in anderen Branchen. Dies sowie vorrangig natürlich eine zeitgemässe psychiatrische Behandlung und Betreuung erforderneine moderne Infrastruktur, effiziente Betriebsabläufe und innovative Therapiekonzepte. Diese für die Zukunft wichtigen Voraussetzungen gewährleistet die Psychiatrie Baselland mit verschiedenen Bauprojekten, deren Entwicklung 2014 in einem Masterplan fixiert wurde. Im Rahmen dieses umfangreichen Konzepts wurden auch die zwei Neubauten Haus Galms und Haus Frenke von Burkard Meyer vorgesehen, in denen nun die Zentren für Alterspsychiatrie und für Krisenintervention untergebracht sind. Um die beste Lösung für die neuen Bauten zu eruieren, wurde 2017 ein geladener Projektwettbewerb ausgeschrieben, den die Badener Architekten für sich entscheiden konnten. Neben der offensichtlichen Erweiterung der Nutzfläche der PBL wurden auch die geschossweisen Strukturen der Abteilungen neu geschaffen sowie das Angebot der Klinik erneuert anstatt lediglich in ihrer Kapazität erweitert.

Gut durchdacht
Den Entwurf für die Bauten entwickelten die Architekten aus der Topografie und der welligen Landschaft, welche die markanten Bauten der Klinik an der Bienentalstrasse umgeben. Das parkähnliche Areal umspielt dabei alle Häuser der PBL, bestimmt auch deren direkte Aussenraumgestaltung und fliesst förmlich durch die jeweiligen Gebäude hindurch: Die weiten Wiesenflächen werden mit Bäumen durchsetzt, ein fliessender Übergang vom umliegenden Wald zu dem Klinik-areal wurde geschaffen und z. B. mit Sitzgelegenheiten und Brunnen vor den Eingängen ideale Rückzugsorte und Wartebereiche für die Patient:innen und Angehörige eröffnet. Hierfür arbeiteten die Architekten mit dem Zürcher Büro Vogt Landschaftsarchitekten zusammen. So bietet der architektonische Entwurf eine menschliche Umgebung an und stellt für die Bedürfnisse der Bewohnenden und Mitarbeitenden den räumlich und atmosphärisch passenden Rahmen bereit. Hierfür wurden zwei sich ähnliche, gleichwohl aber sehr eigenständige Häuser im Südwesten des Campus realisiert, die gleichzeitig die Linien der bestehenden Nachbarbauten fortführen. Zugleich korrespondieren die Innenräume so miteinander, dass sie als überschaubare Einheiten eine Vielzahl von Kombinationen zulassen und dabei eine gewisse Transparenz gewährleisten. Dafür wurden Stationen, Stationsbüro, Erschliessung und Infrastruktur so zueinandergestellt, dass sie in einem geschlossenen System verschiedene Formen und Facetten von Offenheit anbieten. So wurde ein Ort geschaffen, wo neue Erkenntnisse der medizinischen Disziplinen in Psychiatrie und Psychotherapie jederzeit innerhalb des vorgegebenen baulichen Rahmens umgesetzt und angepasst werden können.

Klare Strukturen
Unterschiedlichste Formen finden sich auch auf dem gesamten Gelände der PBL, wo ein facettenreicher Gebäudepark aus verschiedenen Bauetappen und demnach mit unterschiedlichen Architektursprachen das Klinikensemble am Waldrand in Liestal komplementieren. Zu den jüngsten Bauten des Areals gehören nun zwei Massivbauten, deren Fassaden von Scheiben und Betonvorsprüngen geprägt sind und dadurch eine auffallende horizontale Betonung erhalten. Durch das Spiel mit verschiedenen Abstufungen und Vorsprüngen haben die Architekten ein dreidimensionales Relief in der Gebäudehülle geschaffen, deren Bänder zugleich als Vordächer und Sonnenschutz dienen und deren Brüstungen gleichzeitig als Sitzbänke im Inneren fortgeführt wurden. Zudem werden bei beiden Häuserfassaden die Lisenen bewusst gezeigt und die grossflächigen, beinahe geschosshohen Verglasungen von tannengrünen Fensterrahmen eingefasst und von metallenen, perforierten Lüftungsschlitzen begrenzt. Weitere Akzente in der klar strukturierten Gebäudehülle setzen die Sonnenstoren, die mit ihrem Hellrot einen angenehmen Farbkontrast gewährleisten. Diese Kombination von Materialien und Farben sowie der Fokus auf Tageslicht lässt nicht nur eine angenehme äussere Erscheinung entstehen, sondern schafft zugleich im Innenraum eine wohltuende, gesundheitsfördernde Architektur für Mitarbeitende und Patient:innen.

Gut organisiert
Neben der Atmosphäre konnten vor allem auch Arbeitsstrukturen optimiert werden: Durch die Konzentration der Angebote sowie die Nähe zur zentralen Infrastruktur konnten Arbeitswege verkürzt werden, neue Behandlungskonzepte ermöglicht, Arbeitsabläufe vereinfacht und letztlich Klinikprozesse dem neusten Stand der Medizin angepasst werden. Die modernen Gebäude ermöglichen es, die Patient:innen noch bedarfsgerechter zu behandeln. Hierfür wurden beide Ersatzgebäude unterirdisch mit dem bestehenden Haupthaus B verbunden und an dessen zentrale Infrastruktur mit Cafeteria, Hotellerie, Sitzungs- und Tagungsräumen sowie andere Logistikdienste angeschlossen. In den oberirdischen Geschossen sorgen grosszügige und helle Räume und Rückzugsmöglichkeiten sowie die einladende Aussengestaltung für ein angenehmes Ambiente und schaffen dadurch eine ideale Umgebung für Therapien und den Heilungsprozess. Bei der stationären Behandlung wurde zudem neu ein hoher Anteil an Einzelzimmern für mehr Ruhe und Privatsphäre sowie ein zentral gelegener und offener Pflegestützpunkt für einen intensiveren Kontakt zum Personal angedacht. Zudem wurden die Büros der Ärzt:innen sowie der Therapierenden direkt auf die Stationen verlegt, um den gewünschten einfacheren therapeutischen Kontakt zu ermöglichen. 

Raum für alle
In direktem Kontakt stehen auch die neuen Bauten mit dem Bestand: Das Klinikgebäude für die Krisenintervention (Haus Frenke) wird südlich direkt an das Haus B angebaut. Es ersetzt Teile des Klinik- und Empfangsgebäudes Haus B aus dem Jahr 1974 und führt den Sockel des Bestandbaus fort. Der Neubau umfasst zwei Geschosse mit je 24 Betten pro Stockwerk, die über einer Autoeinstellhalle mit 180 Plätzen für Mitarbeitende liegen. Gegenüber und leicht in der Sichtachse versetzt befindet sich das viergeschossige Haus Galms für Alterspsychatrie, dessen Etagen sich im Aufbau immer wieder wiederholen. Hier befindet sich im Parterre eine grosszügige Lounge-Landschaft in gedeckten Beerentönen, die in der Kombination mit einem hellen Terrazzoboden sowie Ahornholz eine moderne Umgebung schafft. Abgerundet wird der Eingangsbereich von Aktivierungsräumen, Werkstätten sowie von diversen Räumlichkeiten fürs Personal, während die darüber liegenden drei Geschosse voll und ganz den Patient:innen gewidmet sind. Jeweils zwölf Einzelzimmer sowie sechs Doppelzimmer mit Ensuite-Badezimmern sind pro Geschoss untergebracht. Obwohl die privaten Wohneinheiten relativ klein geplant und einfach in der Ausstattung gehalten wurden, wurden in ihrem Ambiente keine Abstriche gemacht. Als Gemeinschaftsraum steht jedem Stockwerk zudem eine eigene Küche samt Speiseraum zur Verfügung, wo im kleineren Rahmen miteinander gegessen werden kann. Im oberen Geschoss ist die neue Privatklinik Sichtere untergebracht. Gleich wie im Haus Galms zeigen sich die Zimmer im gegenüberliegenden Zentrum für Krisenintervention, wo auch Einzel- sowie Doppelzimmer mit jeweils eigenen Badezimmern den Patient:innen zur Verfügung stehen. Die Möblierung ist dabei gleichermassen schlicht und minimal gehalten, wobei die Wohnlichkeit dank ausgewählter Materialien und einem hohen Tageslichtanteil trotzdem gegeben ist. Zu den normalen Stationszimmern kommen noch jeweils zwei Isolationsräume pro Stockwerk, wo ein fix verbauter Sanitärblock sowie eine weiche Sitz- und Liegemöglichkeit aus diversen Sicherheitsgründen das gesamte Mobiliar darstellen.

Schwäche für Farbe
Neben dem einheitlichen Mobiliar hat jedes Geschoss auch eine stringente Farbgebung erhalten: Denn zur besseren Orientierung in den Häusern sowie zur einfacheren Unterscheidung der einzelnen Abteilungen und Stockwerke wurden Letztere in jeweils unterschiedlichen Farbkombinationen ausgestattet. Dabei wurde auf eine wohnliche Atmosphäre abgezielt, die nicht an eine Klinik erinnern soll. So bestimmt stets eine der Farben Sand, Dunkelrot, Grün oder Blau die Erscheinung eines Geschosses im Haus Galms, sodass die Zimmer-, Sichtbetondecken- und Türenfarben zusammen mit hellem Sperrholzparkett in den allgemeinen Stationen oder dunkler Räuchereiche im privaten Geschoss zuoberst den Räumlichkeiten noch mehr Ausstrahlung verleihen. Auffällig ist im letzten Geschoss zudem die Wandverkleidung der Gemeinschaftsräume und Begegnungszonen, die mit gerillten Faserzementplatten in Dunkelrot realisiert wurden und mit ihrer dunklen Farbgebung kombiniert mit den hellen Vollholz-Ahorn-Türen ein sehr edles Ambiente generieren. Gleichermassen wurden im Haus Frenke für Krisenintervention Farben zur Orientierung gesetzt: So finden sich hier ein grünes sowie ein blaues Stockwerk, die jeweils mit hellgrauen Liniengrafiken an den Wänden geschmückt sind. 

Einblicke und Ausblicke
Positiv beeinflusst wird die Atmosphäre zudem vom hohen Tageslichtanteil: Diesen garantieren in den tiefen Grundrissen der beiden Gebäude gläserne Atrien, die sowohl mit Pflanzen als auch mit Steinen bespielt sind und als Grünraum im Gebäude-
inneren eine entspannte Atmosphäre schaffen. Insbesondere im Haus Galms erlaubt die Positionierung beider Lichthöfe einen beinahe freien Blick durchs Stockwerk, wofür die versetzten Sichtachsen die nötige Transparenz gewährleisten. Diese dient nicht nur einem besseren Überblick, sondern soll zudem dem Freiheitsgefühl zugute kommen, da die Wege dank der durchdachten Grundrissplanung nie in einem Korridor enden. Gleichzeitig wird mit dieser offenen Gestaltung des Raumplans das klassische Hierarchiesystem in der Arbeitsstruktur unterbrochen und das Gemeinschaftsgefühl umso mehr gefördert. Demzufolge ist auch das zentrale Stationsbüro im Kern jeder Etage als offener Raum konzipiert, der mit seiner Ausstattung, Positionierung sowie transparenten Gestaltung den Ansprüchen einer modernen Arbeitsumgebung gerecht wird. Doch neben all diesen vielfältigen Einblicken im Gebäudeinneren garantieren die Neubauten zudem spannende Ausblicke in die umgebende unmittelbare Landschaft. So kann dank der grosszügigen Fensterflächen das Treiben rund um den Wald von den Zimmern aus beobachtet werden sowie von der Dachterrasse des Zentrums für Alterspsychatrie das idyllische, bewaldete Panorama genossen werden. Auf der Dachfläche lädt eine parkähnliche Landschaft mit Kletterpflanzen, Rosen- und Kräuterbeeten sowie einem kleinen Brunnen zum Verweilen ein und eröffnet einen entspannten Rückzugs- sowie gleichzeitig einen ungezwungenen Begegnungsort. Frischluft und einen weiteren beaufsichtigten Aussenraum bieten sowohl der Demenzgarten, der dem Wald zugewandt und für alle zugänglich ist, als auch die insgesamt drei Loggien an drei Ecken des Hauses Galms, die zu Sicherheitszwecken mit Seilverspannungen und Kletterpflanzen verschlossen sind.

Naturnah
Natur und Nachhaltigkeit spielen dabei nicht nur in der Gestaltung der Gebäude mit, indem sie sich in die grüne Umgebung einpassen, sie werden auch auf den bepflanzten Dachterrassen erneut aufgegriffen, und die Kraft der Natur wird auch zur Stromproduktion genutzt. So produzieren zwei grosse Fotovoltaik-Anlagen auf den Dächern zum Teil den benötigten elektrischen Strom. Insgesamt erzeugen die Module eine jährliche Strommenge von 200 000 kW/h – und decken somit in etwa ein Fünftel des gesamten Verbrauchs auf dem Areal ab. Zudem werden die neuen Liegenschaften an den Fernwärmeverbund der Elektra Baselland angeschlossen, die mit aktuellen Massnahmen den Anteil an erneuerbaren Energien auf über 80 Prozent erhöhen will.

Fürs allgemeine Wohl
So prägen anstelle eines grossen und unwirtlichen Parkplatzes nun zwei architektonisch sehr attraktive Gebäude das Landschaftsbild, die moderne Landmarken präsentieren. Beide Neubauten werden gemeinsam mit der Erneuerung der Parkanlagen, dem neuen Bau der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie dem später sanierten Haus B das Quartier an der Bienentalstrasse städtebaulich aufwerten. Mit viel Liebe zum Detail und planerischen Tricks wurden sowohl das Zentrum für Alterspsychatrie als auch das Zentrum für Krisenintervention zu Umgebungen gestaltet, die auf den ersten Blick nichts mit dem typischen Krankenhausambiente gemeinsam haben. Dank der Kombination von Farben, Materialien und der Einbindung der Natur sowie mit einer durchdachten Strukturierung der Gebäude wurde eine adäquate Arbeits- und Aufenthaltssituation geschaffen – ein Gewinn auf allen Ebenen und in den unterschiedlichsten Facetten.

© Roger Frei

Mehr Informationen zu dem Büro finden Sie hier.

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