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Alternative: (Dach-)Garten

Mehrfamilienhaus, Einfamilienhaus oder Reihenhaus – dass es noch weitere Möglichkeiten des Wohnens gibt, zeigt die Patiosiedlung Jonagold in Kempraten, Rapperswil-Jona. Mit der Wohnüberbauung präsentiert das Rapperswiler Büro Raumfindung Architekten einen experimentellen Umgang mit baulicher Dichte: Das verschachtelte Gebäudeensemble inszeniert eine nach innen gerichtete Siedlungsentwicklung, lotet dabei die bauliche Dichte aus und stellt das Gemeinschaftliche in den Mittelpunkt. Auf der einst unbebauten innerstädtischen Grünfläche am Obstgartenweg im vorgelagerten Wohngürtel der Rapperswiler Kleinstadt entstand vielfältiges Leben.

„Zu Hause im Garten“ oder besser gesagt am Obstgartenweg ist in Rapperswil neuerdings Programm: Für die bisher unbebaute Grünfläche der Bauherrschaft am Stadtrand wurde 2018 in einem anonymen Studienauftrag die optimale Bebauungsform einer Wohnüberbauung gesucht. Der Zuschlag ging an Raumfindung Architekten, die mit ihrem unkonventionellen Projektvorschlag „Jonagold“ überzeugten. Ihr Entwurf, der experimentell mit baulicher Dichte und gemeinschaftlichem Wohnen umgeht, konnte letztlich überzeugen und wurde im Sommer 2024 fertiggestellt. Die üppig begrünten Dachgärten, das verzweigte Wegenetz mit vielfältigen Freiräumen und das Spiel aus variierenden Gebäudehöhen verwandeln den vielschichtigen Wohnkomplex in einen lebendigen Aufenthaltsort. Er vereint alle Facetten des Zusammenlebens – von gemeinschaftlichen Bereichen bis hin zu privaten Rückzugsorten – und eröffnet spannende Blickachsen.

Gut gewürfelt
Oftmals ist der Traum vom Eigenheim eng mit der klassischen Vorstellung des Einfamilienhauses mit eigenem Garten verknüpft – und damit leider auch mit hohem Landverbrauch sowie hohen Kosten für die Erschliessung verbunden. Genau in dieser Kontroverse eröffnet die Wohnüberbauung mit dem passenden Wettbewerbssynonym „Jonagold“ eine alternative Lösung, die die räumlichen Qualitäten eines Einfamilienhauses mit der notwendigen Effizienz des verdichteten Wohnungsbaus vereint. Um dies zu ermöglichen, liegt der Überbauung ein Sondernutzungsplan zugrunde. Dank diesem raumplanerischen Instrument konnte die zulässige Ausnutzung um 20% erhöht werden, wodurch eine höhere bauliche Dichte resultiert. Entstanden ist eine Komposition aus fünf Wohnhäusern mit würfelförmigen Teilvolumen, die sich in ihrer Proportion sowie diversen Massstäblichkeit mit einer Selbstverständlichkeit ins bestehende Quartier eingliedern. Durch die versetzte Anordnung der Baukörper haben die Architekt:innen interessante Aus- und Durchblicke geschaffen und gleichzeitig eine hohe Durchlässigkeit innerhalb der Siedlung sichergestellt. Zudem wurde durch das spielerische Arrangement der Würfel im Inneren des Quartiers eine abwechslungsreiche Freiraumabfolge geschaffen. Die damit einhergehende Vielfalt bringt dabei ein zentrales Thema der Überbauung deutlich zum Ausdruck: Von der Gemeinschaft bis hin zur Privatsphäre wird mit den unterschiedlichen Freiraumtypen das Zusammenleben in all seinen Facetten abgedeckt und lässt den Bewohner:innen zugleich eine Vielzahl an Möglichkeiten zur individuellen Aneignung offen, was wesentlich zur Zufriedenheit beiträgt. Denn sobald ausreichend Rückzugsmöglichkeiten bestehen, steigt auch das Interesse an einer lebendigen Gemeinschaft innerhalb der Wohnsiedlung. Die freie Gebäudegeometrie und die von südeuropäischer sowie marokkanischer Architektur inspirierte Gestaltung verleihen dem Ensemble eine starke Identität und eigenständigen Charakter. In Anlehnung an die venezianischen und toskanischen Vorbilder fanden die Dachgärten Einzug ins Projekt und wurden zum charakteristischen Merkmal der neuen Siedlung.

Geschickt verschachtelt
Die zwei- und dreigeschossigen Baukörpern umfassen einen Wohnungsmix von 2,5- bis 6,5-Zimme Wohnungen. Innerhalb der Wohneinheiten besteht zusätzlich noch eine Flexibilität in der Grundrissgestaltung und der Zimmeraufteilung, um unterschiedlichsten Bedürfnisse gerecht werden zu können. Beispielsweise kann eine erdgeschossige Gartenwohnung je nach Zielgruppe variabel als 5,5-ZimmerEinheit für Familien sowie auch als loftähnliche Wohnung mit Grossräumen und offener Galerie für Paare und Einzelpersonen ausgebaut werden. Damit sind die Grundeinheiten gleichzeitig für mehrere Zielgruppen attraktiv, welche die räumliche Ausgestaltung individuell nach ihren Bedürfnissen auslegen können. Die Hälfte der Einheiten sind als Geschosswohnungen konzipiert, die andere Hälfte als Maisonettewohnungen. Neben der entstandenen Vielfalt an Grundrissen und der gebotenen Flexibilität im Ausbau begeistert die Überbauung insbesondere durch die privaten Aussenräume. Angelehnt an die Qualitäten des Einfamilienhauses, verfügen alle 24 Eigentumswohnungen über einen grosszügigen, privaten Garten oder Dachgarten. Im Erdgeschoss überzeugen vierzehn gut belichtete Gartenwohnungen mit einem idyllischen Freiraum von über 85 m2, welcher durch Hecken und Umgebungsmauern vor Einblicken geschützt ist. Die zehn Wohnungen im Obergeschoss verfügen über einen ebenso qualitativ hochwertigen Dachgarten mit mehrseitigem Ausblick, vielfältiger Bepflanzung und einer Grösse von über 100m2, der vor allem im Sommer als Erweiterung der grosszügigen Wohn- und Essbereiche genutzt werden kann. Durch die Orientierung der Aussenräume gegen den Himmel und die Möglichkeit einer üppigen Bepflanzung ist ein privater und wohltuender Rückzugsort in erhöhter Lage geschaffen worden. Die Umfassungswände der Dachgärten sorgen dabei für die nötige Privatsphäre trotz der relativ geringen Distanz zu den Nachbarn. 

Stilvoll gekleidet
Die Bauten wurden in einfacher Massivbauweise mit einem langlebigen, diffusionsoffenen Einsteinmauerwerk erstellt, wobei das Untergeschoss als unterhaltsarmer, monolithisch zusammenhängender Bauteil in Beton realisiert wurde. Die notwendige Gebäudestabilität hinsichtlich Erdbeben wird über die innenliegenden Wohnungstrennwände sowie
die Treppenkerne in Beton sichergestellt. In ihrer äusseren Erscheinung zeigen sich die Volumen kompakt und reduziert, erhalten jedoch durch ein breites Spektrum an Oberflächenstrukturen und Farben eine Tiefe und Vielschichtigkeit. 

Die Fassaden der fünf Baukörper mit sandgestrahltem Sichtbetonsockel und grobkörnigem Strukturputz sind in einem fein differenzierten Farbspektrum von Magma, Ocker und Olive gehalten. Eine zusätzliche Lasur trägt zu einer gleichmässigen Patinabildung im Alterungsprozess bei. Die Umfassungswände der Dachgärten zeichnen sich durch den hell gehaltenen Rillenputz klar nach aussen ab. Die raumhohen Fenster wurden mit einer Leibungseinfassung ausgestaltet und verfügen teilweise über französischer Balkone. Dekorative Staketengeländer sorgen für die Absturzsicherung. Die Zimmerfenster sind mit manuell bedienten Faltläden ausgestattet, die Ess- und Wohnzimmerfenster verfügen über eine aussen liegende Ausstellmarkise. Die gewählte Baustruktur, die konsequent geführte thermische Gebäudehülle mit hohem Dämmwert in Kombination mit der guten Tageslichtnutzung und den eingesetzten ökologischen Baumaterialien stellen eine hohe Behaglichkeit sicher und garantieren den Wohnkomfort. Dank natürlicher Fensterlüftung in sämtlichen Wohn- und Schlafräumen konnte auf den Einbau einer Lüftung verzichtet werden und damit der Technisierungsgrad tief gehalten werden. Mit dem Einsatz einer Erdsonden-Wärmepumpe in Kombination mit einer Photovoltaikanlage können mindestens 70 Prozent des Energiebedarfs für Heizung und Warmwasser durch erneuerbare Energien abdeckt werden. 

Zu Hause im Garten
Ein vielfältiges inneres Wegenetz  verbindet die Überbauung mit dem umliegenden Quartier. Die Hauptachse schlängelt sich dabei mittig von Süden nach Norden durch die Wohnbauten und weitet sich an zwei Stellen zu platzartigen Siedlungsmittelpunkten, die mit Brunnen und Sitzbänken als Begegnungs- und Aufenthaltsorte den Bewohner:innen dienen. Über diese Hauptachse gelangt man zu hofartigen, gemeinschaftlichen Eingangshöfe, die jeweils zwei bis fünf Einheiten mit gedecktem Veloabstellplatz erschliessen. In Anlehnung an den Siedlungsnamen und die einstige Wiese mit Obstbäumen prägen zahlreiche Obstbäume und Sträucher die Freiräume und verleihen der Wohnüberbauung eine unverwechselbare Identität. Die durchdachte Bepflanzung in Kombination mit den sandgestrahlten Betonmauern schafft eine natürliche Abschirmung und sorgt für Privatsphäre zu den angrenzenden Gärten – vor allem der erdgeschossigen Wohneinheiten.

Mischkultur
Die Wohnüberbauung am Obstgartenweg holt den Flair der Toskana unmittelbar in die Nähe des Zürichsee und zum Stadtkern von Rapperswil und kombiniert diesen mit der Fernsicht auf die Alpen. An der Schnittstelle zwischen dem urbanen Gefüge und dem ländlicheren Wohnstil des Eigenheims verzaubert die Wohnüberbauung am Obstgartenweg nicht nur mit dem südlichen Flair, sondern präsentiert vor allem eine experimentelle Symbiose verschiedener Wohntypologien. Mit der Setzung der Baukörper, der Vielfalt im Raumprogramm sowie der geschaffenen Dichte vereint die Wohnüberbauung die Qualitäten von Gemeinschaft und Privatsphäre und zeigt damit neue Möglichkeiten auf, den Wunsch nach Eigentum sowie privatem Aussenraum mit den aktuellen Ansprüchen an Nachverdichtung unter einen Hut bringen zu können.

©Beat Bühler

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